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Moderatorin: «Das Erdöl wird sich wieder verteuern» – Vermischung von Meinung mit Tatsachen © srf Severin Nowacki

UBI-Beschwerde gegen «SRF Börse» eingereicht

Urs P. Gasche /  In nur sechs Tagen unterschrieben 200* Zuschauerinnen und Zuschauer die Konzessionsbeschwerde von Infosperber.

Die Popular-Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI wegen Konzessionsverletzung der Sendung «SRF Börse» ist eingereicht (siehe Link unten). Die tägliche Sendung erlaubt es den Zuschauenden nicht, sich eine eigene Meinung über das Börsengeschehen zu bilden. Andere Sendungen kompensieren die Einseitigkeit höchstens punktuell.

  • «SRF Börse» lässt nur CEOs, Verwaltungsratspräsidenten oder «Chefökonomen» von Banken zu Wort kommen, die selber an der Börse handeln und in der Börsensendung ihre eigenen Interessen vertreten.
  • Die Sichtweisen der Anleger, der Pensionskassen-Versicherten, der Kleinsparer und Obligationenbesitzenden kommen praktisch nicht zum Ausdruck.

Sendekonzept verletzt die Konzession
SRF findet das normal. Denn im Sendekonzept von «SRF Börse» heisst es: «‹SRF Börse› berichtet über die Entwicklungen, welche die Schweizer Börse täglich bewegen. Sie beobachtet und analysiert Trends und Perspektiven. ‹SRF Börse› holt dazu die Meinung von Konzernchefs und anderen wichtigen Entscheidungsträgern der Wirtschaft ein.»

Man stelle sich vor, die Sendevorgaben für den «Kassensturz» würden lauten: «Der ‹Kassensturz› berichtet über die Entwicklungen, welche die KonsumentInnen täglich bewegen. Er holt dazu die Meinung von Konsumenten, Konsumentenorganisationen und andern Exponenten der KonsumentInnen ein.»
Für ein starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen
Die Redaktion Infosperber unterstützt eine starke SRG, die unabhängig ist von Wirtschaftsinteressen und staatlicher Einflussnahme. Für den Föderalismus und gegen die Konkurrenz aus dem Ausland ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio unabdingbar. Umso wichtiger ist es, dass sich die SRG von privaten Stationen unterscheidet und sich an die Vorgaben der Konzession hält.
Über den Casino-Charakter und gefährliche Auswüchse der Börse wird nicht angemessen informiert
Über die Vielfalt der Börsen-Ereignisse und -Ansichten wird nicht konzessionskonform informiert, wenn u.a. über folgende Aspekte und Entwicklungen der Börse praktisch nie informiert wird (in den zehn analysierten und beanstandeten Sendungen nie):

a) Die Aktivitäten von Schattenbanken, welche mehr Vermögen verwalten als der offizielle Bankensektor, und welche die Relevanz der offiziellen Börse relativieren;
b) Der spekulative Mikrosekunden-Handel, der heute über die Hälfte der getätigten Börsengeschäfte abdeckt und die Börse zum Casino ohne volkswirtschaftlichen Nutzen macht;
c) Die Gefahren von undurchsichtigen Finanzprodukten;
d) Die Bildung von Blasen und deren mögliche Folgen für die Börse und die reale Volkswirtschaft;
e) Der grosse Einfluss der Börse auf die Vermögensverteilung. Das Handeln mit Wertpapieren ist von Steuern weitgehend befreit (keine Mehrwertsteuer, keine Kapitalgewinnsteuern, keine Finanztransaktionssteuern); die Tiefzinspolitik treibt die Aktienkurse in die Höhe, während Sparer und Obligationenbesitzende (auch Pensionskassen!) keine Zinsen mehr erhalten.
Der Industrielle Nicolas Hayek ärgert sich
In einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» vom 13.9.2015 meint der Uhrenindustrielle Nicolas Hayek, die Medien würden statt über die Bedeutung der Industrie «lieber über das Casino Börse berichten». Wörtlich fuhr Hayek fort:
«Das Schweizer Fernsehen bringt jeden Tag zur besten Zeit vor den Nachrichten eine Börsensendung. Da geht’s nur um Schlagworte und Gerüchte. Was soll das? ‹Grosser Verlierer: die Swatch Group! Sie verliert heute 4 Prozent!› heisst es dann. Als wäre das tägliche Auf und Ab von Bedeutung. Und am anderen Tag spricht man mich auf der Strasse drauf an: ‹Ich habe gehört, dass Sie Verlust machen. Ich hoffe, dass es Ihrer Firma bald wieder besser geht!› Viele Leute setzen Börsenbewegungen mit dem effektiven Geschäftsgang des Unternehmens gleich. Das ist Quatsch und entspricht nicht der positiven Kultur unseres Landes. Das Fernsehen sollte diese Sendung durch Industrie-Highlights ersetzen.»
Tatsachen von Meinungen nicht klar getrennt
Die Zuschauenden von «SRF Börse» können sich zusätzlich auch deshalb keine eigene Meinung bilden, weil umstrittene Aussagen nicht immer als solche erkenntlich sind und Meinungen nicht deutlich von Tatsachen-Darstellungen zu unterscheiden sind. Wir beschränken uns hier auf das Beispiel der Sendung «SRF Börse» vom 12.10.2015.

Diese Sendung informierte über steigende Aktienkurse von Rohstoffunternehmen wie demjenigen des Konzerns TransOcean. Auf die selbst gestellte Frage, warum die Kurse so stark stiegen, antwortete Moderatorin Patrizia Laeri gleich selber:
«Stillstand ist der Grund für den Aktienboom. Nicht nur Ölfelder in der Arktis liegen auf Eis. Die globalen Förderer drehen Projekten und Investitionen massiv den Hahn zu. Die Ölindustrie müsste jährlich rund 300 Milliarden Dollar investieren, um die Produktion in etwa zu halten. Genau das tut sie aber nicht. Im Gegenteil: Die Investitionen sind in einem historisch noch nie dagewesenem Masse eingebrochen. Ergo wird das Angebot knapper und das Erdöl sich wieder verteuern. Die Opec prophezeit just ebenfalls höhere Ölpreise. Der Tiefpunkt sei vorbei. Und auch professionelle Anleger investieren anscheinend wieder in grossem Stil in den lange verschmähten Energiesektor.»

«Stillstand ist der Grund für den Aktienboom» ist die Meinung der Moderatorin, wird von den Zuschauenden aber als Tatsachen-Darstellung wahrgenommen. Ebenfalls die Behauptung, dass die Investoren (wenigstens «anscheinend») «wieder in grossem Stil in den Energiesektor investieren».
Die Zuschauenden wurden dazu angeregt, Aktien des Erdölsektors zu kaufen. Einen andern Informationsgehalt hatte der Beitrag über den Energiesektor und TransOcean nicht.

Doch der Börsenkurs wird von vielen anderen Faktoren beeinflusst. Die behaupteten und fälschlicherweise als Tatsachen hingestellten «Kausalitäten» sind eben tatsächlich nicht vorhanden: Bis zum Stichtag vom 21. Dezember 2015 hat die Ölindustrie keine 300 Milliarden investiert. Trotzdem ist das Angebot nicht knapper geworden und das Öl nicht teurer. Die Aktienkurse der TransOcean sind nicht gestiegen, sondern stark gefallen. Falls Zuschauende aufgrund der falschen Tatsachen-Darstellungen, die nicht als blosse Meinungsäusserung erkennbar waren, in den Energiesektor investierten, haben sie grosse Verluste eingefahren. Obwohl sich die von «SRF Börse» angeführten «Tatsachen» und angeblichen Kausalitäten seit dem 12. Oktober nicht verändert haben, fiel der Ölpreis bis zum 21. Dezember um 18 Prozent von 52’000 Dollar (Brent) auf 36’500 Dollar. In der gleichen kurzen Periode fiel der Preis der TransOcean-Aktie um 20 Prozent (Swiss Exchange).

Hier können Sie die Beschwerde von Infosperber und den 200 Unterzeichnenden im vollen Wortlaut lesen oder herunterladen.
Hier können Sie die Stellungnahme des Ombudsmanns vom 21.12.2015 im vollen Wortlaut lesen oder herunterladen.
Hier können Sie für das Beschwerdeverfahren eine Spende einzahlen: Vermerk «Beschwerde».

*Zuerst waren es 191 Unterschreibende. Fristgerecht wurden die Unterlagen von 9 weiteren Unterschreibenden eingereicht.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Das Informationsportal Infosperber ist Initiant der Konzessionsbeschwerde betreffend die Sendung «SRF Börse». Die Redaktion Infosperber hat sich stets für eine starke SRG eingesetzt und zum Beispiel die neue Gebührenordnung unterstützt. Siehe Dossier «Medien: Service public oder Kommerz» sowie Artikel «Tages-Anzeiger-Verleger Pietro Supino redet am Wesentlichen vorbei».

Zum Infosperber-Dossier:

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Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

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2 Meinungen

  • am 18.01.2016 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Infosperber liegt diesmal völlig richtig, die Sendung «SRF Börse» ist von niedrigem Gehalt und kann die Analysen und Perspektiven nicht liefern, weil das Sendegefäss von den falschen «Meinungsmachern» beeinflusst wird. Sie will nur die kriselnde Börse und Wirtschaft weiter am Laufen halten. Der Informationsgehalt ist praktisch null, diese Informationen können in anderen Medien zeitverzugslos wahrgenommen werden.

    SRF ist links unterwandert, mit Ausnahme von «SRF Börse"! Ein konkordanzorientierter „Service public“ sieht ganz anders aus, aber dies ist wohl nicht die Zielsetzung von SRF! Ausgrenzung darf im „Service public“ nicht vorkommen.

  • am 18.01.2016 um 19:03 Uhr
    Permalink

    Einverstanden, mir gehen die täglichen Börsensendungen auch auf den Wecker, etwas ohne Sinn und Zweck, aber immerhin, unterhaltend muss es ja sein, nicht informativ.

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