Migros Aus der Region Für die Region Label

Migros-Regionalprodukte: Angeblich «Aus der Region. Für die Region.» Aber häufig von ziemlich weit her. © Migros auf Facebook

Zurzach liegt im Berner Oberland

Marco Diener /  Bei Regionalprodukten sehen es die Ladenketten nicht so eng. Für die Migros bilden Bern, Solothurn und Aargau eine einzige Region.

Das «Nationale Dachreglement für das Migros-Label ‹Aus der Region. Für die Region›» umfasst zwölf Seiten. Das Reglement soll gewährleisten, dass Produkte mit dem Label «Aus der Region. Für die Region» tatsächlich aus der Region stammen. Der Kernsatz lautet: «Die Glaubwürdigkeit des Labels hat oberste Priorität.»

Ein Fünftel der Schweiz

Ob die Glaubwürdigkeit wirklich oberste Priorität hat – daran gibt es berechtigte Zweifel. Denn im Reglement steht auch: «Die Beschaffungsregion wird durch die jeweilige Migros-Genossenschaft festgelegt.»

Die Migros Aare zum Beispiel hat es so geregelt, dass die «Aus-der-Region»-Produkte aus ihrem «Wirtschaftsgebiet» stammen müssen. Dazu muss man allerdings wissen, dass die Migros-Genossenschaften ziemlich gross sind. Das «Wirtschaftsgebiet» der Migros Aare umfasst die Kantone Bern, Aargau und Solothurn. Ihre Fläche bedeckt einen Fünftel der Schweiz. Das ist eine ziemlich grosse «Region».

270 Kilometer

Konkret bedeutet das dann: Der Simmentaler Bergkäse, den die Käserei an der Lenk BE herstellt, kann die Migros auch an der deutschen Grenze noch verkaufen – in der Filiale in Zurzach AG. Doch zuvor geht der Käse noch zur Migros-Tochter Mifroma in Ursy FR. Und womöglich auch noch ins Verteilzentrum in Schönbühl BE. Er legt also einen Weg von mindestens 270 Kilometern zurück.

Die Migros Aare ist noch nicht einmal ein Extremfall. Die Migros Ostschweiz geschäftet in den Kantonen Graubünden, St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, den beiden Appenzell, in Teilen des Kantons Zürich und im Fürstentum Liechtenstein.

Den Bergkäse aus der Sennerei in Disentis GR darf auch die Migros-Filiale in Schaffhausen als «Aus-der-Region»-Produkt verkaufen. Der Käse gelangt nicht direkt nach Schaffhausen, sondern macht noch einen Umweg zur Mifroma in Wittenbach SG. So kommt am Schluss eine Strecke von mindestens 250 Kilometern zusammen.

Viele Ausnahmen

Das Migros-Reglement sieht viele Ausnahmen vor. So dürfen Zutaten, wenn sie weder in der Region noch in der Schweiz «in genügender Menge und in der geforderten Qualität erhältlich» sind, auch aus dem Ausland stammen. Die Migros nutzt dieses Schlupfloch. So deckte die Konsumentenzeitschrift Saldo schon vor Jahren auf, dass in den «Züribieter Joghurts» neben regionaler Milch auch Nüsse aus Italien, Indien und der Türkei sowie Beeren aus Polen, Skandinavien, den baltischen Staaten und der Ukraine stammten.

Ausgesprochen schwammig

Auch Coop hat ein Label für regionale Produkte: «Miini Region.» Doch dieses ist ausgesprochen schwammig formuliert: «Eine Region ist ein geografisch bestimmter Raum mittlerer Grössenordnung, das heisst zwischen lokaler bzw. kommunaler und nationaler Ebene, der als zusammengehörig angesehen wird, sich also anhand bestimmter Merkmale von anderen abgrenzen lässt.» Ob die Coop-Verantwortlichen selber verstehen, was sie da geschrieben haben?

Weiter heisst es: «Die Produkte sind nicht an Kantons- oder Gemeindegrenzen gebunden, sondern können auch aus Gebieten stammen, die sich aus Kundensicht nachvollziehbar durch spezifische geschichtliche, kulturelle oder geografische Gegebenheiten definieren.» Trotzdem vergibt Coop das Label «Miini Region» auch für Produkte «aus dem grenznahen Ausland».

Coop kennt wie die Migros ebenfalls Ausnahmen für Rohstoffe, die «in der Schweiz nicht in ausreichender Menge und Qualität verfügbar» sind.

Volg ist strenger

Volg hat für sein Regional-Label «Feins vom Dorf» ganz andere Vorgaben als Coop und Migros. Volg betont: «Die lokalen Lieferanten liefern die Produkte direkt in die Läden und garantieren somit den kürzestmöglichen Transportweg. Es gibt keinen Zwischenstopp in Verteilzentren.» Die Produkte müssen laut Volg «direkt aus dem Dorf oder aus dem Nachbardorf des jeweiligen Volg-Ladens stammen». Dieses grosse Versprechen hält Volg nicht ganz ein. In der Filiale in Ulrichen VS beispielsweise gibt es Tee aus Blitzingen. Das ist nicht das Nachbardorf, sondern das achte Dorf talauswärts. Aber immerhin nur zwölf Kilometer entfernt.

Ganz anders bei Aldi und Lidl

Auch Aldi und Lidl arbeiten mit Regional-Labels. Aber sie bedeuten nicht, dass die Produkte in den Läden aus der Nähe stammen. Bei Lidl bedeutet «Klein, aber fein» nur, dass die Produkte von «kleinen lokalen Herstellern» stammen. Aber sie sind «in allen Filialen von Lidl» erhältlich.

Aldi hat letzten Herbst die «Regio-Eigenmarke Saveurs suisses» lanciert. Darunter fallen regionale Spezialitäten; sie werden «nicht nur in ihrer Ursprungsregion angeboten, sondern in der ganzen Schweiz». Auch hier dürften also die Transportwege mitunter sehr lang sein.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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