Zum Abschied: Joe Biden verschärft Sanktionen gegen Russland
Der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine hat im Westen zu markanten Gegenmassnahmen geführt, unter anderem zu Wirtschaftssanktionen. Diese sollten mit Exportverboten für kritische Komponenten wie etwa Halbleiter Sand ins Getriebe der russischen Kriegswirtschaft streuen und diese schwieriger machen. Gleichzeitig sollten drastisch reduzierte Energieimporte Russlands Staatseinnahmen verringern und so die finanzielle Substanz untergraben.
Beides ist in der Vergangenheit nur zum Teil gelungen. Zum einen gelang es Moskaus staatseigenen Firmen, wichtige, eigentlich sanktionierte Güter mit Tricks und auf Umwegen ins Land zu bringen. Zum anderen konnte Russland für viel von dem Öl, dem Gas, der Kohle und den Rohstoffen, die früher in den Westen gingen, andere Abnehmer zu finden.
Trotz westlicher Sanktionen: China und Indien importieren viel Energie aus Russland
So haben seit Beginn des Ukrainekrieges die russischen Energieexporte nach China und Indien deutlich zugenommen. Im vergangenen Jahr etwa hat das Land der Mitte fossile Energieträger aus Russland im Gegenwert von 260 Milliarden Euro und damit etwa 40 Prozent mehr als im Vorjahr eingeführt, Indien für fast 100 Milliarden Euro. Auch die Türkei tritt als beachtliche Abnehmerin in Erscheinung – und selbst die Europäer konnten sich trotz aller Bestrebungen und Beteuerungen bisher nicht vollständig von der russischen Energiequelle abnabeln.
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In diesem Rahmen spielte und spielt die «russische Schattenflotte» eine entscheidende Rolle. Damit sind meist ältere Fracht- und Tankschiffe gemeint, die zwar russische Güter in alle Welt bringen, die aber in der Vergangenheit vom westlichen Sanktionsregime nicht oder nur sehr zögerlich erfasst und am Transport gehindert wurden. Erst in den vergangenen Monaten gerieten immer mehr dieser Fahrzeuge auf die Sanktionsliste – und gerade hat der amerikanische Präsident Joe Biden unmittelbar vor seinem Rückzug aufs Altenteil noch einmal die Daumenschrauben angezogen.
Am 10. Januar hat das amerikanische Finanzministerium Sanktionen gegen 183 Schiffe verhängt, darunter 143 Tanker, sowie gegen intransparente Händler von russischem Öl, gegen in Russland ansässige Ölfelddienstleister und gegen hochrangige russische Energiebeamte. Zu den Sanktionierten gehören mit Gazprom Neft und Surgutneftegas zwei der grössten russischen Ölproduzenten und -exporteure, die mehr als eine Million Barrel Öl täglich fördern.
Die «russische Schattenflotte» soll ausgeschaltet werden.
Darüber hinaus verhängte das US Office of Foreign Assets Control (OFAC) Sanktionen gegen die zwei russischen Versicherungsunternehmen Ingosstrakh Insurance und Alfastrakhovanie Group, welche vorher schon auf die schwarzen Liste des Vereinigten Königreichs geraten waren. Dieser Schritt folgt auf die jüngste Entscheidung der nordisch-baltischen Länder, Versicherungsnachweise für «Schatten-Tankschiffe» zu verlangen, die ihre Gewässer durchfahren.
«Diese Tanker transportierten im vergangenen Jahr mehr als 530’000 Barrel russischen Rohöls, was etwa 42 Prozent der gesamten russischen Rohölexporte auf dem Seeweg entspricht. Mehr als die Hälfte dieses Volumens wurde nach China verschifft, so Matt Wright, Senior Frachtenanalyst beim Informationsanbieter Kpler. Das heisst, auf diese Weise soll ein grosser Teil der «russischen Schattenflotte» ausgeschaltet werden. Grosse potenzielle Käufer in China und Indien dürften sich künftig hüten, die Fracht solcher Schiffe abzunehmen.
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Die Sanktionen richten sich vor allem gegen russische Unternehmen, mit einer Ausnahme: Der chinesische Ölterminalbetreiber Shandong United Energy Pipeline Transportation sowie eine seiner Tochtergesellschaften. Dieses Unternehmen hatte nach Angaben des amerikanischen Aussenministeriums den staatlichen russischen Tankergiganten Sovcomflot materiell unterstützt.
Die Beschränkungen traten zwar sofort in Kraft, lassen aber eine Gnadenfrist bis zum 27. Februar zu, in der Ladungen, die vor dem 10. Januar verladen wurden, ihren Bestimmungsort erreichen können. Ab dem 12. März verstossen die Käufer gegen die Sanktionen, wenn sie russisches Öl über sanktionierte russische Banken bezahlen.
Damit die Sanktionen faktisch wirksam werden, müssen die Händler und Abnehmer von Moskaus Öl davon ausgehen, dass auch die neue US-Regierung unter Führung von Donald Trump gegen sie vorgehen wird, falls sie den Handel fortsetzen. Im extremsten Fall würden die Beteiligten aus dem internationalen Dollar-Zahlungssystem ausgeschlossen werden und könnten ihre Transaktionen finanziell nicht mehr oder nur noch sehr umständlich abwickeln.
Diese Drohung wirkte in den vergangenen Monaten besonders gut bei Banken, was die Wirkung der Sanktionen vor allem auch in Asien merklich verbesserte. Die westlichen Finanzinstitute stellen schon länger sicher, auf keinen Fall gegen das Sanktionsregime zu verstossen. Donald Trump dürfte dieser Hebel gelegen kommen, sobald er in aller Welt über Handelsbeziehungen beziehungsweise mit Russland über einen Waffenstillstand oder gar Frieden in der Ukraine verhandelt.
Die wichtigsten Russland-Sanktionen umfassen:
- Einfrieren von Vermögenswerten der russischen Zentralbank im Wert von 350 Milliarden Dollar
- Ausschluss grosser russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift
- Beschränkung der Möglichkeiten russischer Banken, in der EU Kredite aufzunehmen oder zu vergeben
- Verbot russischer Öleinfuhren durch die USA und Grossbritannien
- EU-Verbot für Rohölimporte auf dem Seeweg
- Einführung einer Preisobergrenze für russisches Öl
- Ausfuhrkontrollen für High-Tech-Güter und Software
- Verbot der Einfuhr von russischen Metallen, Diamanten und bestimmten Energieprodukten
- Beschränkungen für den Zugang der russischen Luftfahrtindustrie zu Ersatzteilen
- Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote für russische Oligarchen und politische Entscheidungsträger
- Sanktionen gegen mehr als 200 Personen und Einrichtungen, die mit der russischen Verteidigungs- und Technologiebranche in Verbindung stehen
- Ausweisung von russischen Diplomaten aus verschiedenen Ländern
Bis Januar 2024 wurden von verschiedenen Ländern und Organisationen über 16’000 Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Sanktionen werden ständig weiterentwickelt, und es werden regelmässig neue Massnahmen eingeführt, um neuen Herausforderungen zu begegnen und Schlupflöcher zu schliessen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Der Verfasser scheint die politische Heuchelei von Sanktionen nicht oder zu wenig beleuchten zu wollen. Bekanntlich gelangt russisches Gas auch mit den Sanktionen überall hin (natürlich teurer), und die USA verdienen sich eine goldene Nase mit ihrem Ersatz. Man muss dreist naiv sein oder Mitglied eines moralisierenden Weltverbesserungsclubs, um Sanktionen-Politik irgendeine Zustimmung zu geben.
Bewiesenermassen haben die USA schon unter Ronald Reagan in einem ausgeklügelten Terrorakt eine Sowjetische Pipeline in Sibierien zur Explosion gebracht, damals mit der Absicht den Europäern zu beweisen dass Russland ein unzuverlässiger Energielieferant sei. Die Zustimmung (oder auch Initiative?) zur Sprengung von Nordstream 2, oder während der ersten Amtszeit von Donald Trump die Sanktionen die zu zeitweiligem Unterbruch der Nordstream Arbeiten führten, zeigen wohl klar genug, dass es weniger um den Krieg in der Ukraine geht, als darum, den wirtschaftlichen Konkurrenten der USA Schaden zuzufügen. Dass die Mehrheit der Bevölkerung dies immer noch nicht begriffen hat, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Medien von denselben Kräften gesteuert werden die auch besagte Terrorakte initiieren.
Hybris:Ein Schiff gehört zur ‹Schattenflotte›, wenn es nicht bei westlichen (sprich: Lloyds in London) Versicherung unter Vetrag steht. Es wäre aber eher einmal nötig, über die Legitimiät von Sanktionen als solche zu sprechen – werden Sanktionen doch inflationär eingesetzt.
Einseitige Sanktionen ohne UNO-Beschluss sind völkerrechtlich mindestens umstritten und oft illegitim. Sie verstosse gegen das Gewaltverbot (Artikel 2 der UN-Charta) und das Prinzip der staatlichen Souveränität, insbesondere wenn sie auf politische oder wirtschaftliche Erpressung abzielen. Solche Massnahmen verletzen in der Regel internationales Handelsrecht, etwa WTO-Regeln, und beeinträchtigen unverhältnismässig die Zivilbevölkerung, was menschenrechtlich problematisch ist. Zudem fehlt ihnen die kollektive Legitimation der internationalen Gemeinschaft, weshalb sie eher geopolitische Machtinteressen als die Wahrung von Frieden und Sicherheit fördern. Dies schwächt die Rechtsstaatlichkeit im internationalen System.
ARD tagesschau 10.11.2024 10:50: «Denn russische LNG-Tanker landen regelmäßig im belgischen Zeebrügge und an diversen französischen und spanischen LNG-Terminals. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2022 – rund um den Ausbruch des Ukraine-Krieges – bezog Belgien im gleichen Zeitraum dieses Jahres gut 50 Prozent mehr Erdgas aus Russland als vor der Krise. Frankreich immerhin plus neun Prozent, Spanien plus 55 Prozent.»
Interessante Hauptzeile: «Zum Abschied: Joe Biden verschärft Sanktionen gegen Russland» Die Frage ist wohl, ob Washington mit den Sanktionen die EU bestrafen will, weil die zu wenig Flüssig-Erdgas aus Katar beziehen?
Gunther Kropp, Basel
Wieso stehen in der ersten Grafik nebst der EU auch Länder wie Frankreich, Belgien etc.?
Sind die im Balken der EU schon mit drin oder müssten die noch hintenangehängt werden?