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Kaum eingeführt – schon wieder abgeschafft: der Nutri-Score in der Migros. © Esther Diener-Morscher

Warum Migros und Emmi den Nutri-Score gerade jetzt kippen

Marco Diener /  Sind es die hohen Kosten? Ist es der geringe Nutzen? Oder ist es eher Eigennutz? Emmi und Migros schaffen den Nutri-Score ab.

Erst drei Jahre ist es her, dass die Migros in einer Medienmitteilung schrieb: «Die Migros zeichnet zukünftig alle Verpackungen ihrer Eigenmarkenprodukte mit dem Nutri-Score aus. Mit dem farbigen Bewertungssystem zeigt der Nutri-Score auf einen Blick die Nährwertqualität eines Produktes auf und vereinfacht so die tägliche Lebensmittelauswahl. Als erste Schweizer Detailhändlerin sorgt die Migros damit konsequent und umfassend für mehr Transparenz.» Es war ein regelrechtes Loblied auf die Nährwertampel.

Ähnlich klang es damals bei Emmi: «Ab 2021 führt Emmi den Nutri-Score auf dem Caffè Latte ein. Als Herstellerin von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und Spezialitäten engagiert sich Emmi dafür, dass Konsumenten im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung die Nährwertqualität von Lebensmitteln einfach nachvollziehen können.»

Das sagt der Nutri-Score aus

Der Nutri-Score zeigt auf einer Skala von A bis E und den Farben grün bis rot, wie ausgewogen Lebensmittel sind. Negativ ins Gewicht fallen ein hoher Energiegehalt, viel Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz. Einen positiven Einfluss haben Ballaststoffe, Eiweiss, Gemüse, Früchte, Nüsse, Hülsenfrüchte und gewisse Öle.

Doch mit der Euphorie ist es schon vorbei. Die Migros entfernt den Nutri-Score schon wieder von den Verpackungen, noch bevor sie ihn richtig eingeführt hat. Emmi wird bei neuen Produkten keinen Nutri-Score mehr aufdrucken.

Warum? Emmi konstatiert: «Andere Anbieter von Kaffee-Milchmischgetränken haben den Nutri-Score auf ihren Verpackungen nicht eingeführt, sodass keine Vergleichbarkeit möglich ist.» Die Migros ihrerseits will festgestellt haben, «dass der Nutzen im Verhältnis zu den hohen Kosten zu gering ist». So hoch können die Kosten allerdings nicht sein. Denn die Verwendung des Nutri-Score-Logos ist gratis.

Deshalb die Frage: Was sind die wahren Gründe? Die K-Tipp hat einen Verdacht. Die Konsumentenzeitschrift erinnert daran, dass die Agence nationale de santé publique, die dem französischen Gesundheitsministerium angeschlossen ist, die Kriterien für die Nutri-Score-Bewertung auf Anfang 2024 verschärft hat. Die Lebensmittelhersteller haben bis Ende 2025 Zeit, die Nutri-Scores ihrer Produkte neu zu berechnen. Änderungen dürfte es bei rund 40 Prozent der Produkte geben.

Der K-Tipp rechnet vor, dass die kalten Emmi-Kaffees die grünen Bewertungen der Kategorien A und B verlieren würden. Einige Varianten könnten – bei unveränderter Zusammensetzung – sogar in die Kategorie E fallen.

Schlechter kommen mit den neuen Kriterien neben künstlich gesüssten Lebensmitteln, Süssgetränken und Milch auch gewisse vegane Produkte wie die Joghurts der Migros-Eigenmarke V-Love weg. Das vegane Schokolade-Joghurt dürfte laut K-Tipp von B auf C fallen.

«Es ist sicher kein Zufall, dass die Migros und Emmi jetzt aussteigen», sagt Serge Hercberg, einer der Wissenschaftler, die den Nutri-Score entwickelt haben.

Emmi und Migros bestreiten gegenüber dem K-Tipp, dass die neuen Kriterien zum Ausstiegs-Entscheid geführt hätten. Der Nutri-Score sei einfach zu wenig bekannt, halten sie fest. Der Bundesrat zeichnet in seinem Bericht zur «Verbesserung der Wirksamkeit des Nutri-Score» allerdings ein anderes Bild. Bereits 2022 hätten 69 Prozent der Bevölkerung den Nutri-Score gekannt.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Die Detailhändler sprechen ständig von Nachhaltigkeit und Regionalität. Aber sie bewerben Lebensmittel vom anderen Ende der Welt.

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4 Meinungen

  • am 7.06.2024 um 16:24 Uhr
    Permalink

    Die hohen Kosten bei Nutri-score («Nutri-Score-Logos ist gratis») stammen natürlich aus dem Aufwand für die Analyse für die Beschreibung.
    «Bereits 2022 hätten 69 Prozent der Bevölkerung den Nutri-Score gekannt.» Ich natürlich auch, aber interessiert hat mich der Score noch nie beim Kaufentscheid. Es gibt ja die üblichen Angaben über die Zusammensetzung des Produkts. Also besser weg mit diesem Pleonasmus und dafür Produkte etwas billiger machen.

  • am 9.06.2024 um 14:06 Uhr
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    Der Nutriscore ist nicht nur eine rein materialistische «Bewertung» der Inhaltsstoffe wie die anderen Systeme, sondern «interpretiert» diese auch noch.
    Also ist er im heutigen woken Umfeld komplett abhängig von der Gewogenheit der wertenden Person der Herstellerfirma gegenüber, diese Person kann von irgendwem gekauft sein, dann interpretiert sie fürs Produkt oder dagegen – oder eben nicht.
    Zudem wird ein BioJoghurt gleich bewertet, als ein Nicht-Bio, obwohl erwiesenermassen Rückstände von allerlei -ziden zwar die Nährwerte nicht verändert, die gesundheitsfördernden oder -schädlichen Wirkungen jedoch schon.
    Damit ist der Verzicht von Emmi und Migros auf den NutriScore absolut nachvollziehbar und zu begrüssen. Dass damit halt ungesunde Nahrungsmittel ohne Kennzeichnung in die Läden kommen ist einfach so, reanimiert jedoch vielleicht das SELBERDENKEN der Kundschaft wieder 😉 !

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 9.06.2024 um 15:07 Uhr
      Permalink

      Für den Nutri-Score gibt es ganz klare – allenfalls diskutable – Kriterien. Sie wurden vom französischen Ministère de la Santé et de la Prévention erarbeitet. Sie sind für alle einsehbar.
      Eine «wertende Person» gibt es nicht.

  • am 9.06.2024 um 14:45 Uhr
    Permalink

    Gemäss einer von «20Minuten» durchgeführten Umfrage bezeichneten rund 60 Prozent der 28’000 Antwortenden den Nutri-Score als irreführend. 6 Prozent gaben an, sie würden immer darauf schauen. Die Übung kann abgebrochen werden.

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