Jetzt gibt sich Tamedia empört: Doktorand liefert Zahlen an SVP
Nachdem zwei Recherche-Journalisten und der Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» «enthüllt» hatten, dass die SVP Zahlen und Grafiken eines Doktoranden nutzt, empörten sich am 11. März auch die Tamedia-Zeitungen in einem fünfspaltigen Artikel darüber, dass dieser «ETH-Doktorand» «das Zahlenmaterial für die Zuwanderungskampagne der grössten Partei liefert».
Das Anstössige besteht darin – wie es gleich zu Beginn des Artikels heisst –, dass «ein Doktorand der ETH der SVP die wissenschaftliche Grundierung ihrer Zuwanderungspolitik liefert». Bekanntlich prüft die Bundeskanzlei derzeit einen SVP-Vorschlag für eine «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP. Sie soll Massnahmen des Bundes verlangen, sobald die Schweiz mehr als 9,5 Millionen Einwohner hat.
Offensichtlich hätten «Tages-Anzeiger» und die angehängte Zeitungen nichts daran auszusetzen, wenn der Doktorand Zahlenmaterial nur an eine kleine Partei und vor allem für ein Anliegen zur Verfügung gestellt hätte, das den Tamedia-Redaktionen genehm ist.
Die Zahlen selber, welche der Doktorand der SVP und auch Politikern anderer Parteien zur Verfügung stellte, sind offensichtlich korrekt. Weder die «NZZ am Sonntag» (Infosperber berichtete darüber) noch die Tamedia-AutorInnen Nina Fargahi und Philipp Loser zweifeln deren Richtigkeit an. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister, den die Tamedia-Zeitungen zitierten, zweifle nicht an den Zahlen.
Die Autorin und der Autor informieren nur rudimentär und erst noch falsch darüber, um welche Zahlen es sich überhaupt handelt. Auf Folien des Teams rund um den Doktoranden, die Tamedia «vorliegen» würden (als ob sie geheim gehalten wären), zitieren die Tamedia-Zeitungen nur Folgendes:
«Wenn pro Jahr 64’300 Menschen in die Schweiz zuwandern, verbrauchen wir zusätzlich 19 Millionen Liter Trinkwasser. Auch würden wir dann 46’000 Tonnen Abfälle mehr pro Jahr produzieren.»
Diese wenigen Angaben sind nicht einmal korrekt zitiert. Die Grafiken, welche das Team «Fakten statt Fake» rund um den Doktoranden unterschiedlichen Politikern und auch Zeitungen zur Verfügung stellte, nehmen als Grundlage das durchschnittliche Bevölkerungswachstum der Schweiz und nicht die «Zuwanderung», wie behauptet. Wenn erwähnt, dann geht es um die Netto-Zuwanderung.
Im Jahrzehnt von 2011 bis 2021 nahm die Bevölkerung der Schweiz um durchschnittlich 79’000 Personen zu, während die Netto-Zuwanderung 61’600 Personen erreichte. (Das Bundesamt für Statistik berücksichtigt in der Grafik oben die Zunahme der Bevölkerung im Jahr 2020 von 64’300 Personen).
Hier zwei Originalgrafiken des Doktoranden mit Zahlen des Bundesamts für Statistik:
Stossend sei, dass solche Zahlen (u.a. von der SVP) dazu verwendet würden, um ein geringeres Wachstum der Bevölkerung zu fordern, die nur mit weniger Netto-Zuwanderung erreicht werden kann. Der von Tamedia angefragte Klimaforscher Reto Knutti meinte zwar: «Im heutigen System bedeuten mehr Menschen einen höheren Fussabdruck». Doch könne man dieses Problem nicht mit einer Diskussion der Zuwanderung lösen, sondern man müsse das heutige System in eine Kreislaufwirtschaft, andere Formen der Mobilität und in netto null CO2 transformieren.
Im ganzen weiteren Teil des «Skandal»-Artikels geht es nicht mehr um den Vorwurf, dass der Doktorand Zahlen unter anderem an die SVP lieferte, sondern nur noch um Argumente, warum das Wachstum der Bevölkerung, sprich die Zuwanderung, nicht begrenzt werden müsse, um die angesprochenen Probleme anzugehen.
Gleich wie bereits die «NZZ am Sonntag» zitierten die Tamedia-Zeitungen den Zürcher Jungfreisinnigen Sandro Frei: «Das Klimaproblem kann nicht mit einem Zuwanderungstopp oder einer Dezimierung der Bevölkerung gelöst werden.» Und eine Geburtenkontrolle in anderen Ländern zu fordern, «grenzt an Ökofaschischmus». Der mit Namen genannte «Verein Umwelt und Bevölkerung» Ecopop erhielt keine Gelegenheit, zu dieser Beschimpfung Stellung zu nehmen.
Vom UNO-Menschenrecht auf Familienplanung1 scheint der Jungfreisinnige noch nichts gehört zu haben: Altersgerechte sexuelle Aufklärung plus Zugang zu modernen Verhütungsmitteln.
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1 Am 13. Mai 1968 proklamierte die UNO in Teheran das Menschenrecht auf Familienplanung: jede Frau, jedes Paar soll selber entscheiden können, wann, wie viele und in welchen Abständen sie Kinder möchten. Ebenso haben sie ein Anrecht auf die dazu erforderliche sexuelle Aufklärung und Verhütungsmittel. Originaltext der Schlussdeklaration von Teheran am 13. Mai 1968 hier. Siehe auch United Nations Population Fund.
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Dazu Infosperber vom 7. März 2023:
«NZZ am Sonntag» deckt «Skandal» bei der SVP auf
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Was mich überrascht und beschämt ist, wie auch 10 Jahre nach der Ecopop-Initiative offenbar auch liberale Parteispitzen noch nie etwas vom UNO Menschenrecht auf Zugang zu Familienplanung und damit zu selbstbestimmter Reproduktion gehört haben. Während das Recht auf Bildung und Gesundheit breit anerkannt sind und in vielen Entwicklungsprojekten gefördert werden, scheint bei diesem für Millionen von Frauen so existentiell wichtigen Thema keinerlei Einsicht und Mitgefühl zu bestehen. In Afrika schätzt die UNO, dass mehr als die Hälfte aller Schwangerschaften ungeplant resp. ungewollt sind. Ein Drittel aller Teenies erleben eine Schwangerschaft, was häufig zu Schulabbruch und (noch grösserer) Armut führt. Statt dem dringenden Wunsch von Millionen Frauen, selbst über Schwangerschaft entscheiden zu können, ernsthaft nachzugehen, schwadronieren unsere Spitzenpolitiker von Faschismus und ähnlichem Quatsch. Ein Armutszeugnis für unseren Bildungsstand und unsere politische Kultur.
Die heutigen Schweizer AKW können etwa 22 TWh jährlich liefern, ohne ungeplanten Ausfall.
Mit dem Alter steigt aber das das Ausfallrisiko und die Kosten für Wartung, Reparaturen und nötige Nachrüstung. Die Gestehungskosten steigen so weiter.
Dass nicht bald auch da «Spannungsrisskorrosion» entdeckt wird wie in F, ist sehr wahrscheinlich. Von der Lieferung mit Brennstäben ist die Schweiz abhängig.
Mit den hocheffizienten Bifazialen PV-Modulen in Höhen von 2400-2800 m können auch 22 TWh erzeugt werden, auf 100 qkm Fläche ohne oder mit nur unproduktiver Vegetation.
Nur 3,3% dieser Fläche wird dazu davon benötigt. [220 Mio. GWh/qkm]
Die fast vertikal aufgestellten Bifazialen haben kaum saisonale Schwankungen und mit dem übrigen Speicherbedarf für den Tag könnten die grossen Schweizer Pumpspeicherkraftwerke endlich
effizient betrieben werden.
Diese PV-Parks können in viel kürzerer Zeit errichtet werden, als andere Alternativen.
Macht endlich voran ! – [ techn./wirtsch. für alle ]
Dies ist,meiner Meinung nach,ein treffendes Beispiel, was zurzeit falsch läuft in den deutschweizer Medien. Viele Schreibende denken eigentlich,dass sie mehr oder weniger neutral berichten. Doch im Hinterkopf bleibt die Angst,einen Artikel zu schreiben,der positiv von R.Köppel in der WW erwähnt würde. Die Karriere wäre schwer Beschädigt. Dies führt dazu,dass im Zweifelsfall lieber nichts geschrieben wird,wenn die Fakten dem Gewünschten nicht emtsprechen. Somit verlieren die Leitmedien immer mehr an Ausgewogenheit und später an Legitimation.
für mich macht es den Anschein, die andauernde Zuwanderung mit ihren negativen Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt der Bevölkerung ist global-politisch gewollt. Eine anonyme, misstrauische Masse von Individuen ist leichter kontrollierbar als eine gewachsene, in Traditionen verbundene Gemeinschaft. Die Probleme der AHV und der sogenannte «Fachkräftemangel» (im Gastro, und Pflegebereich geht es hier ja vorallem um die Lohnkosten) sind systemischer Natur. Der Versuch diese Probleme mit noch mehr Bevölkerung zu lösen ist sehr kurzfristig gedacht und entspricht im Prinzip einem Schneballsystem. So kurz vor den Wahlen wäre es spannend zu wissen, welche Politiker hierzulande Gruppierungen wie z.B. den Younggloballeaders verpflichtet sind.