in memoriam hpg: Diese paar Sätze prägten Hanspeters Leben
upg. Hanspeter Guggenbühl hatte sich in seinem journalistischen Wirken immer wieder mit dem Sinn des mengenmässigen Wirtschaftswachstums befasst. Es werde nur das Wachstum des BIP gemessen, aber nicht gesagt, ob Sinnvolles oder Unsinniges gewachsen sei. Vor fast fünfzig Jahren veröffentlichte die Nationalzeitung unter der Überschrift «Tretmühle» seine folgende Kolumne.
Alle Beiträge unserer Serie «in memoriam hpg» sind im hier verlinkten Dossier vereint.
Tretmühle
Der Mensch ist täglich acht Stunden erwerbstätig, manchmal mehr. In diesen acht Stunden produziert er Dinge, die man brauchen muss. In diesen acht Stunden verdient er das Geld, das man braucht, um die Dinge, die man brauchen muss, zu kaufen.
Der Mensch schläft täglich acht Stunden, manchmal mehr.
Dem Menschen verbleiben täglich acht weitere Stunden (plus Weekend und Ferien), manchmal weniger. In dieser verbleibenden Zeit, man nennt sie Freizeit, muss er die Dinge, die er produziert hat, konsumieren. In dieser Freizeit muss er das Geld, das er verdient hat, für die Dinge, die man brauchen muss, ausgeben.
Moderne Technik, Rationalisierung und Arbeitsteilung helfen dem Menschen, in acht Stunden immer mehr zu produzieren. Weil er in acht Stunden immer mehr produziert, muss er in der verbleibenden Zeit immer mehr konsumieren, immer mehr Geld ausgeben. Damit man wieder investieren, wieder mehr produzieren, wieder mehr verdienen, wieder mehr konsumieren, wieder mehr …
Das Ganze nennt sich gesundes Wirtschaftswachstum. Das Ganze heisst Fortschritt. Und noch nie, sagt man, hatte der Mensch so viel Freiheit, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten, wie heute.
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Der «Wachstumszwang» und seine absurden Folgen
upg. Hanspeter Guggenbühl zitierte später aus dem Buch «Wachstumszwang» von Mathias Binswanger:
«Der Wachstumszwang verhindert, dass eine höhere Arbeitsproduktivität in mehr Freizeit umgesetzt wird. Stattdessen braucht es in zunehmendem Ausmass eine Bürokratie, die in der Lage ist, Vollbeschäftigung weiterhin zu garantieren, selbst wenn es sich dabei um Bullshit-Jobs handelt.»
in memoriam hpg: Serie im Gedenken an Hanspeter Guggenbühl
Hanspeter Guggenbühl (2. Februar 1949 – 26. Mai 2021) gehörte zu den profiliertesten Schweizer Journalisten und Buchautoren für die Themen Energie, Umwelt, Klima und Verkehr. Hanspeter Guggenbühl engagierte sich seit den Gründerjahren mit viel Leidenschaft für Infosperber – er schrieb mehr als 600 Artikel und prägte die Online-Zeitung ganz wesentlich. Sein unerwarteter Tod ist ein grosser Verlust für den Journalismus, für Infosperber und für alle, die ihm nahestanden.
Um einen Beitrag an das Andenken von Hanspeter Guggenbühl zu leisten, haben sich mehrere Schweizer Autor:innen bereit erklärt, einen Text mit der Vorgabe zu schreiben, dass Hanspeter ihn gerne gelesen hätte. «Gerne gelesen» heisst nicht, dass er nicht widersprochen hätte – war ihm die argumentative Auseinandersetzung doch ebenso wichtig wie das Schreiben.
Diese Texte werden in den kommenden Wochen in loser Folge publiziert und sind an der blauen Grafik erkennbar, die auch in diesem Text enthalten ist. Alle Beiträge werden als Serie «in memoriam hpg» zusammengefasst und im hier verlinkten Dossier vereint. Darunter sind auch einige einschlägige Artikel von Hanspeter Guggenbühl.
Die Beitragenden (in alphabetischer Reihenfolge):
- Marcel Hänggi, Journalist und Autor mit Fachbereich Umwelt und Klima, Lehrer, Mit-Initiant der Gletscher-Initiative, Zürich.
- Reto Knutti, Professor für Klimaphysik, ETH Zürich, Zürich.
- Jürgmeier (Jürg Meier), Schriftsteller, Winterthur.
- Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat (SP, Basel), Ökonom (Dr. rer. pol.), selbständiger Berater und Dozent für Umwelt- und Energiepolitik mit Schwerpunkt erneuerbare Energien, Basel.
- David Sieber, Journalist, Chefredaktor von «Die Südostschweiz» (bis 2015), Chefredaktor «Basellandschaftliche Zeitung» (bis 2018), Chefredaktor «Schweizer Journalist» (bis 2021), Basel.
- Felix Schindler, Journalist mit Fachbereich Mobilität, Zürich.
- Billo Heinzpeter Studer, Sozialforscher und Journalist, Gründer und Präsident der Organisation fair-fish, Adria.
- Jakob Tanner, emeritierter Professor für Geschichte der Neuzeit und Schweizer Geschichte, Universität Zürich, Zürich.
- Jakob Weiss, war zwanzig Jahre lang in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft tätig und ist Autor des Buches «Die Schweizer Landwirtschaft stirbt leise. Lasst die Bauern wieder Bauern sein».
Den Nachruf, den sein langjähriger Freund und Weggefährte Urs P. Gasche schrieb, finden Sie hier: Adieu, lieber Hanspeter.
(fxs.)
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die folgenden vier Glaubenssätze der sogenannt «westlichen Kultur» machen Wachstum zu einer todbringenden Krankheit. Sie lauten: 1. Ich bin des andern Feind. 2. Ausbeutung ist der Kern unseres Lebens. 3. Die Wirklichkeit ist unbelebt. 4. Es gilt unbedingt, den eigenen Tod zu vermeiden. Diese Glaubenssätze entsprechen einer Politik und einem Verhalten, das zur Zerstörung der Welt führt.
Mein Motto für eine andere Welt lautet: schafft Euch gegenseitig Raum zum Leben! «Lebensraum schaffen» beinhaltet beispeilsweise: Begegnung, Bewegung, Entwicklung, Gastfreundlichkeit, Geborgenheit, Geduld, Gemeinsamkeit, Heimat, Stille, Teilen, Vertrauen, Wachsen und Sterben lassen. Und nach dem Prinzip «Ich bin, weil Du bist» umfasst «gegenseitig» nicht nur alle Menschen auf unserer Erde, sondern auch die Tierwelt und die Natur: alles hat Innerlichkeit. Es gilt, die Welt kokreativ mit allen und für alle fruchtbar zu halten!
Seit Jahrzehnten werden unsinnige, verantwortungs- und rücksichtslos denkende und handelnde «Wirtschaftsfachleute» à la Chichago-Boys oder wie man diese Banden nennt als Leitlinie für das Handeln gewählt. Dabei hat ein menschlich denkender Journalist vor so vielen Jahren schon den Unsinn des Handelns, angeführt von den USA, aufgezeigt und damit Los-Lösungen vorgeschlagen, die heute tröpfchenweise von den Dirigenten der Wirtschaft allmählich begriffen werden; die CH-Un-Think-Thank Avenir Suisse hingegen ist immer noch ins Unordnungsdenken verbohrt, und meine Güte, diese Herren sollten die Wirtschaft und Politik unseres Landes zukunftstauglich beraten!
Wenn ich an einen Gott gäbe,, würde ich ihn anflehen: «Gott behüte uns vor solchen weltfremden Büroheiligen.
Ich rufe deshalb die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft auf: Lest endlich sorgfältig, was ein echter Kenner und Beobachter schon vor 50 Jahren erkannt und aufgeschrieben haben, lesen Sie Hanspeter Guggenbühls Texte und handeln Sie danach!
Wenn Wachstum, dann müsste es ein qualitatives Wachsen sein. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Es werden immer mehr Billigwaren produziert. Diese Produkte halten viel weniger lang als die früheren. Dadurch werden die Abfallberge schneller gross und grösser.
Die Problematik kennen wir schon lange. Erich Kästner hat sie in seinem Buch «Als ich ein kleiner Junge war» schon beschrieben. Sein Vater musste die eigene Sattlerei – wo er qualitativ zu gute Artikel hergestellt hatte – aufgeben und landete schlussendlich als Arbeiter in einer Kofferfabrik.