Dänemark: Beim Klimaschutz vieles richtig gemacht
Wo die Wirtschaft brummt, ist das schädlich für das Klima – das galt bisher als relativ sicher. Die Emissionen eines Landes sind bisher mit der Wirtschaft mitgewachsen. Ökonomen diskutieren seit Jahren, ob es überhaupt möglich ist, Wachstum und Klimaschaden zu entkoppeln. Dänemark scheint es geschafft zu haben.
Pro Kopf hat das Land zwischen 1990 und 2019 den CO2-Ausstoss 47 Prozent reduziert, also fast halbiert. Die dänische Wirtschaft ist dabei stetig gewachsen. Das geht aus einem Länderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.
Entkopplung von Wachstum und CO2 – vor allem dank Biogas
Seit 1990 hat Dänemark den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieproduktion ständig erhöht. Insgesamt gingen 2019 vier Fünftel der Stromproduktion auf Erneuerbare zurück. Dänemark ist damit eines der CO2-sparsamsten Länder. Vor allem mit Biomasse und Biogas hat das Land es geschafft, Wirtschaftswachstum und CO2-Produktion zu entkoppeln.
2014 war der Biogas-Anteil noch gering, 2019 lag er bei zehn Prozent, hat die deutsche «Agrarzeitung» recherchiert. Seit 2013 gingen in Dänemark 51 Biogas-Anlagen ans Netz. Ende 2021 stammte ein Viertel des dänischen Stroms aus Biogas, teilte der staatliche dänische Netzbetreiber «Energinet» mit.
Bis 2030 soll Biogas drei Viertel des dänischen Gasbedarfs decken, bis 2034 wird die Gasversorgung voraussichtlich klimaneutral sein. Die Wirtschaft soll dabei weiter wachsen. Bis 2050 strebt Dänemark Klimaneutralität an.
Seit 2019 hat sich diese Prognose nicht wesentlich verändert. Dänemark kam vergleichsweise gut durch die Corona-Krise, die Wirtschaft erholte sich schneller als der Durchschnitt der Euro-Länder. Die Arbeitslosigkeit stieg um nur einen Prozentpunkt, das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2021 um 4,7 Prozent. Für 2022 prognostiziert die OECD ein Wachstum von 2,4 Prozent.
Mutig, innovativ, schnell, sozial
Dänemark, bescheinigt die Analyse, handle mutig, innovativ und schnell. Dennoch bleibe es eine Herausforderung, die weitere Entwicklung sozialverträglich zu gestalten, schreibt die OECD in einem Blogeintrag.
Das Land stütze sich sehr stark auf wissenschaftliche Beratung durch Wirtschafts- und Klimarat, stellt die OECD fest. Sie lobt die gute Zusammenarbeit der dänischen Ministerien und den Einbezug der Bürgerinnen und Bürger. Als zentralen Punkt hebt sie die gesellschaftliche Akzeptanz der Klimamassnahmen und die Transparenz der dänischen Regierung heraus.
Arbeitsplatzverluste durch den Energiewandel versuchte Dänemark bisher durch Umschulungsprogramme zu kompensieren. Ein Mittel, das sich schon in der Finanzkrise 2008 bewährt hatte.
Fortgeschritten in Sachen Energiewende
Dafür rechnet das Land mit Investitionen in Höhe von ein bis zwei Prozent des BIP. Bisherige Ausgaben haben sich bereits gelohnt: Die Kosten zur Energieerzeugung aus Erneuerbaren sind stark gesunken. Ein sehr erwünschter Lerneffekt, urteilt die OECD.
Dänemark zeichne sich dabei durch zügige Genehmigungsverfahren aus. Eine Offshore-Windanlage genehmigen zu lassen, dauere nur etwa 16 Monate.
Für die Zukunft plant Dänemark eine konsequente Kohlenstoffbepreisung und will mehr Haushalte mit Fernwärme versorgen. Die Klimaschutzmassnahmen sozialverträglich zu gestalten bleibt dabei eine Herausforderung. Carbon Pricing muss mit flankierenden Massnahmen abgefedert werden. Die hohen Wohnkosten im Land kompensiert Dänemark schon länger mit einem umfangreichen Sozialwohnungswesen.
Zum Biogas soll Windkraft kommen
Bei allem Lob weist die OECD aber auch darauf hin, dass die Klimaneutralität von Biomasse als Energiequelle zunehmend angezweifelt wird, und empfiehlt, andere nachhaltige Energieformen auszubauen.
Dänemark ist schon dabei. Eines der grössten Projekte läuft gerade an: Vor der Küste Jütlands plant Dänemark eine künstliche Insel, die laut der «Süddeutschen Zeitung» zehn Millionen Haushalte mit Strom aus Windkraft versorgen soll. Das sind rund dreimal mehr Haushalte, als es in Dänemark gibt. Der Offshore-Windpark ist das bisher grösste Bauprojekt des Landes.
Der Energieüberschuss der bis 2033 geplanten 200 Windräder soll nach Deutschland, Polen, Belgien und die Niederlande exportiert werden. Die Energie-Insel soll dazu als Knotenpunkt für andere angeschlossene Windparks dienen. Danach soll sich die Anzahl der Windräder nochmals verdreifachen. Für die ehrgeizigen Ziele Dänemarks kommt das 28-Milliarden-Projekt allerdings drei Jahre zu spät. Bis 2030 sollen die Klimaemissionen gegenüber 1990 um 70 Prozent sinken, das ist gesetzlich festgelegt.
Die Problembereiche Landwirtschaft und Verkehr bleiben
In der Zwischenzeit muss Dänemark auch andere Problembereiche angehen. Wenig Fortschritte gibt es bisher in der Landwirtschaft. Dänemark will die Viehzucht, die besonders viele Klimagase produziert, stärker regulieren und die Datenerfassung verbessern. Torfmoore sollen verstärkt wiederbefeuchtet werden. Der OECD-Bericht bezeichnet Letzeres als «low hanging fruit» – einfach erreichbare Ziele.
Auch die Klimabelastung durch den Verkehr ist seit 2000 nicht signifikant gesunken. In Dänemark fahren nun mehr Autos als zur Jahrtausendwende, der Transportsektor bleibt eine Baustelle. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: Zum Umstieg auf E-Autos, Wasserstoff- und Biogasantrieb müssen Ladestationen und Tanksäulen gebaut werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Danke für diesen – für mich – sehr hilfreichen und informativen Beitrag zu einem aktuell brennenden Thema.
Schade das zwei wesentliche Angaben nicht übereinstimmen: Ist die Reduktion seit 1990 nun 36 Prozent (Titel) oder 47 Prozent (Text), oder habe ich etwas übersehen?
Beides. Der CO2-Ausstoss in Dänemark ist seit 1990 um 36 Prozent gesunken. PRO KOPF hat Dänemark seinen Ausstoss um 47 Prozent reduziert.
Danke für diesen Blick über den Tellerrand. Ich würde gerne präzisieren: Die Hauptreduktion hat Dänemark mit dem massiven Ausbau der Windstromproduktion erreicht. Der weitere Ausbau des Windparks wird vor allem den Nachbarsländer bei der Dekarbonisierung helfen. Das erwähnte Biogas geht grösstenteils nicht in die Stromproduktion (wie im Artikel geschrieben). Die im Stromsektor erwähnte Biomasse wäre genauer zu recherchieren. Früher war es oft Stroh, das in Kohlekraftwerken zugefeuert wurde. Sind es heute auch Pellets aus Übersee? Ebenfalls wäre es interessant zu wissen, wieviel des ins Gasnetz eingespiesenen Biogases «doppelt» verkauft wird. So importieren zB Energie360° dänische Biogaszertifikate für Schweizer Biogaskunden.
Woher nimmt Dänemark die viele Biomasse, um Biogas herzustellen? Haben die so viel Abfall-Biomasse? Wenn nein: Was verwenden sie sonst noch?