Vertrauen total? Bloss nicht einem Bewertungsportal!
Yelp, Tripadvisor, Kununu, Trustpilot, Kundenkommentare auf Amazon, Google My Business oder Facebook – wer ein Restaurant, ein interessantes Urlaubsziel, einen neuen Job, ein gutes Buch, Informationen über Geldanlagemöglichkeiten oder alles nur denkbare sucht, lässt sich gerne von den Bewertungen sowie von den Kommentaren anderer auf Online-Portalen inspirieren.
Wenn andere Kunden etwas mehrheitlich für gut befunden und es mit fünf Sternen – dem höchsten der positiven Bewertungsgefühle – ausgezeichnet und falls sie auch noch wohlwollende Rückmeldungen hinterlassen haben, entsteht beim potenziellen Kunden so etwas wie eine positive Resonanz. Er wird unbewusst unkritischer – und so florieren die Geschäfte des Anbieters.
Negative Bewertungen schrecken potenzielle Kunden ab
Wehe aber, wenn nicht. Dann hat er ein Problem. Das Analyseunternehmen Reviewtrackers etwa hat aus einer Umfrage herauskristallisiert, dass 94 Prozent aller potenziellen Kunden von Angeboten abgeschreckt werden, welche von anderen eindeutig negativ bewertet wurden. Wen wird also überraschen, dass kleine und grosse Unternehmen immer öfter darauf achten, wie sie in der digitalen Informationswelt ankommen.
Die Befürworter der zunehmenden Digitalisierung argumentieren, Bewertungsplattformen dienten der «Demokratisierung», weil die Konsumenten besser informiert seien als früher. Allerdings lassen sich in der Praxis enorme Schattenseiten ausmachen: Manipulationen, Irreführungen und undurchsichtige Praktiken. Solche drohen das Vertrauen der potenziellen Kunden zu untergraben, und leiten diese nicht nur in die Irre, sondern können auch für Unternehmen selbst zum Ärgernis werden.
Das Hauptproblem: Wer weiss schon, ob die Personen, welche Online-Bewertungen abgeben, echt sind und ihre Urteile authentisch? Die Betreiber von Bewertungsportalen behaupten zwar, streng vorzugehen und modernste Technologien zu nützen, um gefälschte Bewertungen zu erkennen und zu entfernen.
Manipulierte, artifizielle und oder gar gekaufte Bewertungen
Trotzdem weisen Fachleute darauf hin, dort regelmässig manipulierte, artifizielle und oder gar gekaufte Bewertungen aufzufinden. Vor allem auch dubiose Unternehmen nutzen die Möglichkeit, die Portale mit geschönter Werbung für die eigenen Produkte oder Dienstleistungen förmlich zu überschwemmen. Kritiker und Konkurrenten dagegen werden mit negativen Bewertungen diffamiert.
Jüngst erst ist das auf einem bekannten Bewertungsportal geschehen, das mit dem englischen Begriff «Trust» für Vertrauen in seinem Namen wirbt. Mit «100% Abzocke!» hatte dort ein Nutzer andere davor gewarnt, Geld bei einem Anbieter von scheinbar lukrativen Goldsparplänen zu investieren. Er selbst wolle vor allem gegen die gut bezahlten Vermittler vorgehen und habe den Anwalt schon eingeschaltet. «Es ist eine absolute Katastrophe», warnt ein anderer vor dem schlechten Ergebnis eines solchen Investments.
Daraufhin dauerte es nicht lange, bis das Portal von positiven Kommentaren überschwemmt wurde. «Hervorragende Anlage mit Transparenz und starker Rendite!» schrieb einer, «sehr gute Beratung und auch Ergebnisse nach kurzer Zeit sehr gut» eine andere. Einzelne Vermittler nutzen die Plattform, um unter eigenem Namen offensiv mit überaus euphorischem Unterton für das für sie wegen hoher Vermittlungsprovisionen lukrative Finanzprodukt zu werben.
Undurchsichtige Bewertungssysteme und Suchalgorithmen
Wie die Marktforschung zeigt, geben oft nur unzufriedene Kunden, oder eben jene mit manipulativen Absichten ihre Bewertungen ab. Auf diese Weise entsteht ein verzerrtes Bild von Unternehmen und ihren Angeboten. Dubiose Firmen polieren ihr angeschlagenes Image künstlich auf. Andere können in Schwierigkeiten geraten, wenn böswillige Kunden oder Konkurrenten damit drohen, negative Bewertungen zu hinterlassen, falls sie bestimmten Forderungen (zum Beispiel eine Hotelsuite zum Sonderpreis) nicht nachkommen.
Zudem legen die Betreiber von Bewertungsportalen ihre Bewertungssysteme und Suchalgorithmen längst nicht immer offen. So können beispielsweise die Reihenfolge der angezeigten Bewertungen manipuliert und bestimmte Bewertungen und damit verbundene Unternehmen und Produkte einseitig bevorzugt werden. Wie aber sollen die Konsumenten wissen, welchen Bewertungen sie trauen können und welchen nicht?
Die Kalaidos Fachhochschule Schweiz hat eine Antwort darauf und hat verschiedene Punkte ausgemacht, die auf «Fake-Bewertungen» schliessen lassen können:
- Ein Unternehmen erhält nur 5-Sterne-Bewertungen
- Es gibt plötzlich viele Bewertungen in kurzer Zeit
- Es kommt zu unverhältnismässig vielen Einträgen
- Rezensionen enthalten übertrieben positive Formulierungen
- Auf schlechte Bewertungen folgen plötzlich sehr gute
- Bewertungen enthalten sehr lange oder gar keine Texte
- Rezensionen enthalten Links auf oder Werbung für Produkte
- Auf anderen Portalen wird das Gleiche völlig anders bewertet
- Rezensent/-in ist anonym oder nutzt ein Pseudonym
- Das Profilbild ist ein gekauftes Foto
- Rezensent/-in vergibt nur positive Bewertungen
- Rezensent/-in macht unterschiedliche Aussagen zur eigenen Person
- Nutzer/-in kann nicht geografisch zugeordnet werden
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Nun da ist Einiges Richtig und Einiges überzeichnet. Natürlich und das wissen wir alle, sind Bewertungen mit Vorsicht zu geniessen. Für mich sind es immer auch Hinweise auf ein Produkt, welches mich interessiert. So lese ich immer bei solchen Portalen nicht nur die oberste Bewertung sondern so viele wie möglich. Das gibt mir Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Bewertungen. Mir würde es sofort auffallen, wenn Bewertungen künstlich generiert wurden oder gar fake wären. – Bei Bewerbungen muss man immer auch berücksichtigen, dass es nie zwei Menschen gibt, die das Selbe denken. Bei Hotels ist es immer spannend die Meckerer und Aufschneiden von den wahrscheinlich normalen Konsumenten zu unterscheiden. Bei technischen Geräten hingegen ist es schwieriger dies zu erkennen und oft aber merkt man bald, dass Beurteilungen reine Propaganda der Werbefirmen sind, die die Sache bewerben. Im Bereich Medizin ist das wohl am Ausgeprägtesten der Fall. Da reden meist falsche Ärzte ….
KI Tools vereinfachen die Thematik zusätzlich nicht unbedingt.
Während Algorithmen durchaus verwendet werden könnten um manipulation zu erkennen geht es eher ins Gegenteil.
«Däumchenmanipulierei» in Kommentarspalten
«Trending Videos» weil sehr viele Kommentare in kurzer Zeit (80% von rund 3000 aber von einem Account)
Die Shop Bewertungen wie in diesem Artikel dargelegt.
Im Grunde ist leider keines der digitalen Bewertungsschemas vertrauenswürdig.
Und das ist das grosse Problem an der fanatischen Digitalisierung: Wir wissen schlicht nicht mehr, was wahr ist, wem wir vertrauen können. Der Mensch hat es leider erneut geschafft, im Grunde nützliche Instrumente zu korrumpieren.