US-LNG-Gas hat Europa gerettet, aber der Preis ist hoch
Billiges Gas aus russischen Pipelines und eine Friedensdividende – damit ist es in Europa vorbei, seit Wladimir Putin im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat. Der Despot hatte die Gaslieferungen in den Westen schon im Vorfeld drosseln lassen. Und nach Kriegsbeginn wollten die europäischen Staaten den Energie-Import aus dem Osten möglichst stark reduzieren, um Putins Krieg nicht auch noch weiter zu finanzieren.
Tatsächlich sind die europäischen Gasimporte aus Russland schon vor zwei Jahren deutlich zurückgegangen, wenn auch noch nicht vollständig versiegt. Davon haben unter anderem Norwegen, Katar und vor allem auch die USA profitiert. Die von der Geopolitik brutal aus den energiepolitischen Träumen geholten Europäer wollten unbedingt vermeiden, im Winter im Kalten zu sitzen, und waren bereit, alternative Anbieter mit entsprechend hohen Preisen zu locken.
Europa muss um Energielieferungen buhlen
So mussten sich die europäischen Regierungsvertreter unterwürfig-hoffnungsvoll an die vorher wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierten Länder am Persischen Golf wenden, und beinahe schon flehentlich an die Amerikaner. Plötzlich sollten es die nordamerikanischen Energieriesen und die spezialisierten Flüssiggasunternehmen richten, nachdem man sie kurz zuvor noch wegen der Förderung von Fracking-Gas als «tiefste Umweltsünder» verachtet hatte.
Sie konnten froh sein, dass diese Firmen schon in vorhergehenden Jahren trotz aller Widerstände enorme Investitionen getätigt hatten. Faktisch hatten sie grosse Anlagen zur Verflüssigung von Erdgas gebaut, riesige Tankschiffe für den Transport dieses tiefgekühlten Energieträgers entwickelt und Kunden in aller Welt gefunden, welche ihrerseits die Infrastruktur aufbauten, um das LNG abnehmen zu können.
Auf dieser Basis blühte das Geschäft mit LNG oder eben mit dem verflüssigten, tiefgekühlten Erdgas weltweit richtiggehend auf. Heute zählen die amerikanischen Anbieter neben den Kataris und den Australiern zu den grössten Exporteuren – und der Trend zeigt weiter nach oben. Schätzungen von Fachleuten besagen, dass die LNG-Nachfrage in den nächsten 15 Jahren um die Hälfte zunehmen wird. Im Moment werde das Wachstum von Kapazitätsengpässen gebremst, heisst es.
Gute Geschäfte für amerikanische LNG-Firmen
Hektisch versuchen Firmen wie Cheniere Energy, EQT, Southwestern Energy, Golar LNG, Flex LNG, Freeport LNG oder auch Tellurian neben den Energieriesen Exxon Mobile, Shell und BP, ihre Anlagen auszubauen, um mehr zu liefern – und natürlich, um höhere Gewinne zu machen. Sie wollen vor allem auch von der Zahlungsbereitschaft in Europa profitieren. Hier sind die Gaspreise zwar nicht mehr ganz so astronomisch wie unmittelbar nach Kriegsbeginn in der Ukraine, aber immer noch sehr hoch.
Schweizer Konsumenten zahlen in diesen Tagen rund 50 Prozent mehr für Strom und Gas als noch vor fünf Jahren, wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Daran dürfte sich in nächster Zeit kaum etwas ändern, denn das Angebot in Europa bleibt eher knapp. Sollte der verbliebene russische Gasexport durch die Ukraine endgültig zum Erliegen kommen, müssten die Europäer deutlich mehr LNG importieren und möglicherweise entsprechend gut dafür bezahlen.
Das würde sich auch in der Schweiz bemerkbar machen. Schliesslich kommt das hierzulande verbrauchte Gas aus den umliegenden Ländern. Zum grössten Teil über eine Pipeline, welche aus Deutschland kommend östlich von Basel den Rhein überquert. Diese führt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit LNG-Gas, weil sich die Europäer schon im vergangenen Jahr zu 40 Prozent damit versorgt hatten.
Wer allerdings auf eine Entspannung der Preise am europäischen Gasmarkt spekuliert, muss ausgerechnet auf den starken Einfluss der amerikanischen Energielobby bei Donald Trump hoffen. Immerhin hatte der designierte US-Präsident im Wahlkampf versprochen, die Öl- und Gasunternehmen des Landes von der «demokratischen Überregulierung» zu befreien. In seinen Augen sollten sie so viel wie nur möglich fördern.
Sein Vorgänger Joe Biden dagegen hatte im Januar dieses Jahres die Genehmigung neuer Exportterminals gestoppt, da er Kosten und Nutzen des LNG-Booms untersuchen lassen und gegeneinander abwägen wollte. Und eine von ihm in Auftrage gegebene, mit Spannung erwartete, kürzlich veröffentlichte Studie des Energieministeriums kam zum Schluss, dass das rasche Wachstum des Flüssiggassektors des Landes möglicherweise nicht im nationalen Interesse liege.
Scheinheiligkeit der Energiepolitik unter Biden und in Deutschland?
«Eine uneingeschränkte Steigerung der Exporte würde der LNG-Industrie sicherlich zu mehr Wohlstand verhelfen. Aber die amerikanischen Konsumenten und Gemeinden sowie unser Klima würden den Preis dafür zahlen», erklärte die nur noch ein paar Tage amtierende Energieministerin Jennifer Granholm. Der Bericht warnte vor einem Anstieg der amerikanischen Grosshandelspreise für Erdgas um bis zu 30 Prozent, so dass ein durchschnittlicher Privathaushalt jährlich über 100 Dollar mehr für sein Gas zahlen müsste.
Er geht also tendenziell in eine ähnliche Richtung, wie fundamentale Kritiker der Technologie, etwa die von Reclaim Finance. Sie warnen vor Methanlecks an den LNG- Anlagen, die bis Ende des Jahrzehnts angeblich zehn Gigatonnen Treibhausgasemissionen verursachen könnten – fast so viel wie alle derzeit weltweit betriebenen Kohlekraftwerke zusammen. «Jedes geplante Projekt gefährdet das Pariser Abkommen. Die uneingeschränkte Finanzierung von LNG durch Banken und Investoren ist der Treibstoff für eine zukünftige Klimabombe!», behauptet Sprecherin Justine Duclos-Gonda.
Andere warnen, dass die Politik zumindest in Deutschland einen «Grünen Kapitalismus» vorantreibt, der sowohl soziale Ungerechtigkeiten verschärft als auch den Kampf gegen den Klimawandel in sein Gegenteil verkehrt und in ein profitgenerierendes und imperialistisches Projekt verwandelt. Beispielhaft hierfür sei der Aufbau und die rigorose Durchsetzung einer neuen fossilen LNG Infrastruktur. Dabei werde neben der Verstetigung von Klimakillern auch die massive Zerstörung wertvoller Küsten und Urlaubsgebiete wie Rügen in Kauf genommen. LNG sei eine Klimabombe und grüne Politiker hantierten mit Greenwashing und faustdicken Täuschungen, so das Fazit.
Trump wird den Export wohl trotz gegenteiliger Argumente ankurbeln
Donald Trump hingegen wird solche Studien sehr wahrscheinlich in der Luft zerreissen, den Schutz besonderer Landflächen in den USA einschränken und verstärkt neue Förderlizenzen ausgeben. Er lässt sich stark von der Lobby der Öl- und Gasindustrie beeinflussen, die schon seit langem plakativ argumentiert, LNG-Exporte in grossem Stil kämen dem Klima zugute. Denn sie brächten die Welt von der Kohle ab, dem schmutzigsten fossilen Brennstoff überhaupt.
Und Trump verknüpft die Interessen seiner Klientel, die im Wahlkampf kräftig für ihn gespendet hat, mit seiner Vorstellung von Handelspolitik. Gerade erst erklärte er auf seiner eigenen Social-Media-Plattform, die Europäer müssten sich verpflichten, künftig in grossem Umfang Öl und Gas aus den USA zu kaufen, um ihre Handelsbilanzüberschüsse auszugleichen. Sonst drohten Zölle. Damit scheinen die Europäer vom «russischen Regen» in die «amerikanische Traufe» geraten zu sein.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...