Richterspruch Gerechtigkeit billiondigital

Ein Schlichtungsverfahren der WTO müsste feststellen, ob China E-Autos, Batterien und PV-Module stärker subventioniert(e) als die USA und die EU. Nur dann wären einseitige Massnahmen erlaubt. © billiondigital/Depositphotos

USA verschieben rechtswidrige «Strafzölle» gegen China

Urs P. Gasche /  Ab 1. August waren auf E-Autos Zölle von 100% und auf PV-Panels von 50% vorgesehen. Die Einführung ist um wenige Wochen verschoben.

Ab 1. August hätten in den USA für Elektroautos und Halbleiter aus China Zölle in Höhe von 100 Prozent in Kraft treten sollen. Für Solarzellen war eine Erhöhung der Zölle von 25 Prozent auf 50 Prozent vorgesehen, für Lithium-Ionen-Batterien von 7,5 auf 25 Prozent. Das hatte das Weisse Haus am 14. Mai angekündigt.

Jetzt gab das Office of the U.S. Trade Representative kurzfristig bekannt, dass diese starke Erhöhung der bestehenden Strafzölle um wenige Wochen verschoben werde. Zu den neuen Zöllen seien mehr als 1100 Kommentare eingetroffen, die noch nicht alle geprüft seien. Ein endgültiger Entscheid sei noch im August zu erwarten. Zwei Wochen später würden die beschlossenen Zollerhöhungen in Kraft treten.


Die einseitigen Zölle der USA und der EU gegen China sind rechtswidrig

Nicht nur die USA, sondern auch die EU begründen ihre Zölle mit den chinesischen Subventionen, die den Wettbewerb verzerren würden. China ist Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. Doch der Konflikt wird nicht auf dem Rechtsweg ausgetragen. Die Zölle wurden einseitig eingeführt, obwohl sich die WTO-Mitglieder verpflichtet haben, keine unilateralen Massnahmen zu ergreifen, sondern vom Streitbeilegungsmechanismus der WTO Gebrauch zu machen.

Als letzte Instanz würde ein WTO-Berufungsausschuss entscheiden, ob und wie stark China die Solarindustrie rechtswidrig subventionierte oder immer noch subventioniert. Und sie würde auch untersuchen, ob und wie stark Staaten in der EU, die EU oder die USA ihre Solarbranchen rechtswidrig subventionieren. 

Die Solaranlage-Herstellerin Meyer-Burger beispielsweise, welche Produktionsstätten u.a. in Deutschland und in der Schweiz betreibt oder betrieb, erhielt staatliche Unterstützung, profitierte beispielsweise von einem EU-Zuschuss in Höhe von 200 Millionen Euro und erhielt 2021 die Zusicherung von 22 Millionen Euro staatlicher Gelder. Nach Verweigerung von Subventionen in Deutschland profitiert Meyer-Burger jetzt von Steuererleichterungen und Subventionen in den USA, so dass bald in Arizona produziert wird.

Diese staatlichen Beihilfen wurden im Rahmen der deutschen und europäischen Politik zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Stärkung der heimischen Industrie in diesem Sektor getroffen. Ziel war es, die Wettbewerbsfähigkeit von Meyer-Burger zu verbessern und Arbeitsplätze in der Region zu sichern.

Bei den E-Autos einigte sich die EU-Kommission auf «Straf»- oder «Ausgleichszölle» in Höhe von durchschnittlich 20 Prozent auf Elektroautos aus China. Die US-Regierung hatte sogar Strafzölle von 100 Prozent auf chinesische E-Autos ab 1. August 2024 angekündigt, deren Inkraftsetzung jetzt kurzfristig um wenige Wochen verschoben wurde. 

Die USA gewähren selber Hunderte von Milliarden Dollar an Steuersubventionen für die Entwicklung von amerikanischen E-Autos, Solarprodukten und anderen neuen Industrien.

Als Mitglieder der WTO müssten die EU oder einzelne EU-Staaten sowie die USA an die WTO gelangen, um den Streit zu schlichten. Die Welthandelsorganisation würde dann gleichzeitig Hersteller europäischer und amerikanischer E-Autos unter die Lupe nehmen, die von namhaften staatlichen Beihilfen profitierten und profitieren.

Das Cato-Institute, ein libertärer Think-Tank, der für möglichst wenig Staat eintritt, setzt sich für die verpflichtende Streitschlichtung bei der WTO ein. China habe sich in der Vergangenheit bei Verletzung der WTO-Regeln stets an die Urteile der WTO gehalten. Siehe Cato-Institute: «China’s Respectable Compliance Record in WTO Disputes».

Allerdings verfügt das Streitschlichtungsgremium der WTO seit dem 10. Dezember 2019 nicht mehr über die Mindestzahl von drei Richtern, sodass es derzeit nicht entscheidungsfähig ist. Der Grund liegt bei den USA: Sie weigern sich, neue Richter zu wählen – trotz Aufforderung von 123 WTO-Mitgliedstaaten


Grosse Medien verschweigen die Rechtswidrigkeit

SRF, ARD, ZDF und die auflagenstärksten Zeitungen informierten regelmässig über angedrohte und erlassene Zölle auf Importen aus China. Sie verwiesen stets auf den Vorwurf, dass China die Herstellung von E-Autos und PV-Modulen massiv subentionierte. Deutlich weniger prominent und anklagend wurde über Subventionen in den USA und in der EU berichtet. Konsequent verschwiegen grosse Medien jedoch, dass einseitig erlassene Zölle gegen die Verpflichtungen des WTO-Vertrags verstossen und rechtswidrig sind.

Die WTO hat ihren Sitz in Genf. Die Schweiz als kleines Land ist auf das Einhalten internationaler Handelsregeln besonders angewiesen. Doch bisher hat der Bundesrat die WTO-Vertragspartner nicht aufgerufen, die WTO-Verpflichtungen einzuhalten und auf einseitig erlassene Zölle zu verzichten.

Die USA hatten es nicht gewagt, auf Importe aus der EU einseitige Zölle zu verhängen. Die US-Regierung warf den Europäern massive, wettbewerbsverzerrende Subventionen bei der Herstellung der Airbus-Maschinen vor. Vielmehr wandten sich die USA an die WTO für eine Schlichtung. Jahrelang wurde dann untersucht, wie stark die EU den Airbus subventionierte und wie stark die USA die Entwicklung der Boeing-Flugzeuge. Im Jahr 2018 stufte die WTO die Anschubfinanzierungen aus EU-Staaten für Airbus als illegal ein. Die USA erhielten das Recht für Gegenmassnahmen: Sie können gegen beliebige Produkte im Wert von bis zu 7,5 Milliarden Dollar aus der EU Zölle erheben.

Ein Jahr später allerdings entschied die WTO zu den US-Subventionen an Boeing: Die WTO erlaubte der EU als Reaktion auf ebenfalls illegale Subventionen Vergeltungsmassnahmen in Form von Strafzöllen auf US-Waren im Wert von fast 4 Milliarden Dollar.

Am 15. Juni 2021 verkündeten die EU und USA, die gegenseitigen Strafzölle im Boeing-Airbus-Subventionsstreit bis 2026 auszusetzen.


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2 Meinungen

  • am 1.08.2024 um 11:51 Uhr
    Permalink

    Eventuell wäre es die Lösung für die USA konkurrenzfähige Produkte herzustellen.
    Genug Arbeitslose, Homeless Menschen haben sie ja die nur darauf warten einen Job zu bekommen.
    Es gibt praktisch keine US Produkte mehr im EU Markt ausser Tesla (Made in Germany und China und USA), I-Phone aus China, KitchenAid, endlich was aus den USA!

  • am 4.08.2024 um 09:29 Uhr
    Permalink

    In Europa zu produzieren ist u.A. wegen fairer Löhne, höherer Sozialabgaben und allgemein besserem Schutz der Arbeitnehmer teurer. Gäbe es ein Gesetz, welches es verbietet Waren, die unter Menschen unwürdigen Zuständen produziert wurden, zu importieren, dann könnte man nicht nur auf Strafzölle verzichten, sondern auch auf den Sozialabbau bei uns.

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