Hochgeschwindigkeitszug cnsphoto

Hochgeschwindigkeitszüge in China fahren bis zu 400 km/h und verbinden bereits 550 Städte miteinander. © cnsphoto

Die US-Zölle bringen China noch schneller zur Weltspitze

Urs P. Gasche /  Der von Präsident Trump entfachte Handelskrieg gegen China schadet beiden Seiten. Doch China hat viel bessere Karten als Europa.

«Ich sah vor Ort, wie die Zukunft aussehen wird – es war nicht in den USA»: Mit diesem Titel überschrieb «New York Times»-Kolumnist Thomas L. Friedman den Bericht über seine jüngste Reise nach China. Er war im Forschungszentrum von Huawei südlich von Shanghai. Es ist zehnmal so gross wie Googles Hauptforschungszentrum im kalifornischen Mountain View.

Seinen ersten Eindruck beschreibt Friedman wie folgt:

Lianqiu Lake R.D Campus Shen Yu Ti Gong 2
Das Huawei Lianqiu Lake Research & Development Center

«So etwas wie diesen Huawei-Campus habe ich noch nie gesehen. Er wurde in etwas mehr als drei Jahren gebaut und besteht aus 104 individuell gestalteten Gebäuden mit gepflegten Rasenflächen, die durch eine Monorail-Bahn wie bei Disney miteinander verbunden sind. In den Gebäuden befinden sich Labore für bis zu 35’000 Wissenschaftler, Ingenieure und andere Mitarbeiter, 100 Cafés sowie Fitnesscenter und andere Annehmlichkeiten, die die besten chinesischen und ausländischen Technologen anlocken sollen.»

Huawei ist exemplarisch: Seit 2019 hatten die USA versucht, dem Konzern maximal zu schaden. Die USA verweigerten Huawei den weiteren Zugang zu US-Technologie und verboten das 5G-Netz von Huawei. Die EU, Kanada und Australien folgten den USA und schlossen Huawei vom Aufbau von 5G-Netzen aus.

Das bescherte Huawei massive Verluste. Doch in wenigen Jahren kam der Konzern dank günstiger Kredite und dank technologischer Innovation wieder in die Gewinnzone. 

Das Überholen verhindern

Solange China die westlichen Konsumentinnen und Konsumenten mit billiger Massenware versorgte, war die Globalisierung für die USA noch in Ordnung. Als aber Huawei mit der 5G-Technik westliche Konzerne überholte, reagierten die USA mit Verboten und Sanktionen. Es begann mit Exportkontrollen und ging bis zum Import- und Verkaufsverbot von Technologien wie 5G. 

Bereits im Jahr 2023 habe sich der Nettogewinn von Huawei mehr als verdoppelt. «Das stellt ein beeindruckendes Comeback dar», schrieb das Wall Street Journal. Eine neue Hardware mit selbst entwickelten Chips habe den Erfolg ermöglicht. 

Im letzten Jahr ging es sprunghaft weiter. Das südkoreanische Maeil Business Newspaper berichtete Ende Oktober 2024: «Huawei überraschte die Welt trotz der US-Sanktionen mit der Einführung der ‹Mate 60›-Serie, einem Smartphone, das mit fortschrittlichen Halbleitern ausgestattet ist.» Dann brachte Huawei das weltweit erste dreifach faltbare Smartphone auf den Markt und stellte sein eigenes mobiles Betriebssystem Hongmeng (Harmony) vor, um mit denen von Apple und Google zu konkurrieren.

Huawei entwickelte KI und setzt sie in Elektrofahrzeugen, selbstfahrenden Autos und autonomen Bergbaumaschinen ein. Nach Angaben von Huawei installierte der Konzern allein im Jahr 2024 in ganz China 100’000 Schnellladegeräte für seine Elektrofahrzeuge.

Ein Vergleich: Der US-Kongress bewilligte 2021 7,5 Milliarden US-Dollar für ein Netz von Ladestationen. Doch im November 2024 standen erst 214 betriebsbereite Ladegeräte in zwölf Bundesstaaten bereit.

«Chinas Befreiungsstrategie besteht darin, mehr Forschungszentren zu eröffnen und die KI-gesteuerte Innovation zu verdoppeln, um dauerhaft von Trumps Zöllen befreit zu sein», meint Thomas L. Friedman.


Jedes Jahr 3,5 Millionen zusätzliche Spezialisten

China ist ein Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Entsprechend gross ist der Nachwuchs. Bei der Ausbildung stehen die sogenannten Mint-Fächer im Vordergrund: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Jedes Jahr bringe das Land etwa 3,5 Millionen Mint-Absolventen hervor, berichtet Friedman. Das entspreche etwa der Zahl der Absolventen sämtlicher Associate-, Bachelor-, Master- und Promotionsabschlüssen in allen Disziplinen der USA.

Wenn man so viele Mint-Absolventen hat, kann man jedes Problem mit mehr Talent angehen als andere Länder. Der Leiter des Pekinger Büros der «New York Times», Keith Bradsher, berichtete im Oktober 2024: «In China gibt es 39 Universitäten mit Programmen zur Ausbildung von Ingenieuren und Forschern allein für die Industrie der Seltenen Erden. Universitäten in den USA und Europa bieten dazu meist nur gelegentliche Kurse an.»

CR 450
Die Hochgeschwindigkeitszüge CR450 fahren bis zu 450 km/h. Normalgeschwindigkeit 400 km/h.

Gleichzeitig würden chinesische Berufsschulen jedes Jahr Zehntausende von Elektrikern, Schweissern, Holzverarbeitern, Mechanikern und Installateuren ausbilden. 

Unterdessen verbinden Hochgeschwindigkeitszüge über 550 chinesische Städte. Sie würden die modernen Amtrak-Acela-Züge in den USA wie den Pony-Express aussehen lassen, meint Friedman.


Zuerst den eigenen Markt schützen, um zum Auf- und Überholen anzusetzen

Wie es die USA selber oder auch die Schweiz am Anfang ihrer Industrialisierung taten, schützte auch China die eigene Entwicklung mit Zöllen und anderen Handelsrestriktionen. Friedman illustriert es an einem Beispiel: China verbot jahrelang das Verwenden von US-Kreditkarten und wartete, bis seine eigenen Zahlungsplattformen den Markt dominierten. Heute ist China eine weitgehend bargeldlose Gesellschaft, in der praktisch alle alles mit Zahlungs-Apps auf dem Handy bezahlen: «Als ich in einem Geschäft in einem Bahnhof in Beijing meine Visa-Karte benutzen wollte, wurde mir gesagt, dass ich die Karte über eine der Apps wie Alipay oder WeChat Pay verknüpfen müsse. Diese beiden Zahlungsmethoden haben zusammen einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent.

China hat wie früher die USA oder auch die Schweiz betrogen, kopiert und Technologietransfers erzwungen. Heute aber mache Chinas Produktionsmaschinerie die Dinge nicht nur billiger, sondern auch schneller, besser, intelligenter und zunehmend mit KI durchsetzt.


Trumps Illusion

Trump denke, dass man einfach Schutzmauern um eine Branche (oder die gesamte US-Wirtschaft) errichten könne und – Simsalabim! – US-Fabriken in kürzester Zeit aufblühen und diese Produkte in den USA zum gleichen Preis herstellen würden. Das sei eine Illusion, zeigt sich Friedman überzeugt.

Dieses Denken ignoriere, dass praktisch jedes komplexe Produkt – von Autos über iPhones bis hin zu mRNA-Impfstoffen – von komplexen, vernetzten, globalen Produktionsketten hergestellt wird. Deshalb wurden diese Produkte immer besser und billiger. 

Wenn man die Stahlindustrie schützen möchte, könnten Zölle schnell helfen. Aber wenn man die Autoindustrie schützen wolle und glaube, dass eine Zollmauer ausreiche, dann habe man keine Ahnung davon, wie Autos hergestellt werden. Es würde Jahre dauern, bis Autohersteller in den USA die globalen Lieferketten, auf die sie angewiesen sind, ersetzen und alles in den USA herstellen könnten. Selbst Tesla-Fabriken in den USA müssen einige Teile importieren.

Friedman zitiert den China-Landesdirektor für die Asia Group, den Amerikaner Han Shen Lin: «DeepSeek hätte keine Überraschung sein dürfen. Aber all die neuen Investitionsbeschränkungen gegen China und die Hindernisse für die Zusammenarbeit mit China in den USA machten uns blind für die technologischen Entwicklungen in China. China wird die technologischen Standards der Zukunft ohne den Beitrag der USA definieren. Dies wird uns einen ernsthaften Wettbewerbsnachteil verschaffen.»

Man könne den Globalismus noch so sehr anprangern. Es ändere nichts daran, dass Telekommunikation, Handel, Migration und Klimawandel unsere Schicksale miteinander verschmolzen haben.

Abschliessend zitiert Friedman Dov Seidman, Autor des Buches «Why How We Do Anything Means Everything»:

«Wir können nicht mehr wählen, ob wir gegenseitig abhängig sein wollen. Die Abhängigkeit ist unser Zustand. Wir können nur noch wählen, ob wir vernünftige gegenseitige Abhängigkeiten schaffen und gemeinsam aufsteigen, oder ob wir unvernünftige Abhängigkeiten aufrechterhalten und gemeinsam fallen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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