Kinder in London

Kinder in London © pixabay

Inflation: Ab April lebt die Hälfte britischer Kinder in Armut

Daniela Gschweng /  Die Lebenshaltungskosten in Grossbritannien steigen schneller als je zuvor. Ein Drittel aller Einwohner hat nur wenig zum Leben.

Brexit, Covid und dann kam noch die russische Invasion in die Ukraine: Die Lebenshaltungskosten in Grossbritannien steigen 2022 so schnell wie seit Jahren nicht. Schon im Januar lag die Inflationsrate bei 5,5 Prozent – der fast höchste Wert seit 30 Jahren.

Im Februar sind die Lebensmittelpreise in Grossbritannien um 4,3 Prozent gestiegen, so stark wie das letzte Mal 2013. Und schon vor der russischen Invasion in die Ukraine warnten Ökonomen vor einem steilen Anstieg der Energiekosten.

Die Inflation könnte im April auf 8 Prozent steigen

Die Bank of England und die Resolution Foundation, die eine Prognose für den Lebensstandard der Briten im laufenden Jahr erstellt hat, rechneten im März damit, dass die Inflation im April auf 8 Prozent steigen könnte. Derzeit (17. April) sind es 7,0 Prozent.

Die Zahl derer, die in den Discountern Aldi und Lidl einkaufen, steige seit Monaten, berichtete der «Guardian». Wobei auch das kein Ausweg ist – vor allem die Preise für günstige Lebensmittel seien überproportional gestiegen, zählte der Armuts-Aktivist Jack Monroe im Januar auf Twitter auf. Der günstigste Reis in Monroe’s Supermarkt um die Ecke kostete im vergangenen Jahr beispielsweise noch 45 Pence das Kilogramm, im Januar 2022 war der Preis für ein halbes Kilogramm auf ein Pfund (1,23 Franken) gestiegen – Eine Preissteigerung um 344 Prozent:

Monroe am 19 Januar
Jack Monroe auf Twitter am 19. Januar 2022

Gegenüber 2021 werden die Lebenshaltungskosten pro Woche und Haushalt um 20 bis 30 Pfund (25-37 Franken) steigen, hat die New Economics Foundation (NEF) ausgerechnet. Am höchsten fällt die Preissteigerung für Haushalte mit Kindern aus.

Mehr als ein Drittel der Briten kommt nicht mehr auf das Mindesteinkommen

Vor allem Kinder von Arbeitslosen und Alleinerziehenden wachsen in Armut auf. Fast die Hälfte aller Kinder in Grossbritannien (48 Prozent) lebt nach dieser Berechnung ab April in einem Haushalt, der einen Teil seiner Rechnungen nicht mehr begleichen kann.

2019/20 lebten mehr als ein Viertel aller Einwohner Grossbritanniens in Haushalten, die weniger als das Mindesteinkommen zur Verfügung hatten. Inzwischen dürften es 23,4 Millionen Menschen und damit mehr als ein Drittel (34 Prozent) sein. Am stärksten betroffen ist der Nordosten des Vereinigten Königreichs.

Das Mindesteinkommen (Miniumum Income Standard, MIS) ist eine Sammlung von Dingen, die sich jeder Haushalt leisten können sollte, ähnlich unserem Warenkorb. Wer darüberliegt, ist eventuell trotzdem arm. Wer darunter bleibt, lebt sehr wahrscheinlich ausserhalb des sozial akzeptablen Standards. Das Loughborough University’s Centre for Research in Social Policy errechnet jedes Jahr wie viel bestimmte Haushalte zum Leben brauchen. Das MIS für einen Singlehaushalt betrug 2021 beispielsweise 20’400 Pfund im Jahr. Der nationale Mindestlohn von 17’400 Pfund für eine Vollzeitarbeitsstelle liegt deutlich niedriger.

Die Situation stellt einkommensschwache Haushalte vor schwierige bis unmögliche Entscheidungen. Das durchschnittliche Einkommen eines Haushalts unter der Einkommensgrenze deckt die notwendigen Ausgaben nur zur Hälfte bis zu zwei Dritteln ab.

Geringverdienende Haushalte Ausgaben 2022
Der Teil der britischen Haushalte, deren Budget (schwarzer Punkt) unter dem Mindesteinkommen (Minimum Income Standard, MIS) liegt, haben zu wenig, um ein Leben in Würde zu führen. Sie stehen vor einer schwierigen Wahl. Ihr Einkommen deckt 2022 nur die Hälfte bis zwei Drittel des Lebensunterhalts.

Die derzeitige Inflation dürfte der grösste Realeinkommensverlust in den letzten 50 Jahren sein. Selbst wenn der Krieg in der Ukraine bald endet, bräuchte Grossbritannien wenigstens einige Jahre, um den Lebensstandard von vor der Pandemie wieder zu erreichen, prognostiziert die Resolution Foundation.

Sowohl die NEF wie auch die Resolution Foundation fordern schnelle Hilfe für einkommensschwächere Haushalte und die Anpassung von Löhnen, Pensionen und Zuschüssen. Viele dieser Zahlungen orientieren sich an einem Referenzwert vom vergangenen Herbst. Die Inflationsrate liege aber nicht mehr bei etwa 3 Prozent, sondern bei 7 oder 8 Prozent.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 24.04.2022 um 00:53 Uhr
    Permalink

    Die Preissteigerungen aufgrund der Inflation sind wirklich besorgniserregend! Es sind alle Menschen in Europa davon betroffen – auch in der Schweiz. Und auch hier haben die Armen die meiste Last zu tragen. Und mit den ebenfalls steigenden Energiekosten, welche natürlich auf die Konsumenten abgewälzt werden, werden ärmere Menschen immer weiter unter einem pekuniären Zwang zu leiden haben.

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