Kommentar
Hier die Chefs. Dort das Volk.
upg. Klaus J. Stöhlker, 75, nennt die kleine reiche herrschende Schicht die «A-Schweiz». Seit langem dient er selber dieser A-Schweiz als PR-Mann und verdient an ihr. Er legt hier dar, warum die Unternehmenssteuerreform, über die wir am 12. Februar abstimmen, ausschliesslich der A-Schweiz diene.
Ich müsste für die Steuerreform (USR III) stimmen, denn ich kann dann mit einem Beitrag zu steigenden Aktienkursen und stabilen Dividenden rechnen. Ganz wie ich Donald Trump eigentlich nicht verurteilen kann, denn seit er die Mauer gegen Mexiko bauen will, steigen meine Aktien vom LafargeHolcim-Konzern, der dort viel Zement verkaufen will.
USR III, die am 12. Februar zur Abstimmung kommt, ist ein spätes Weihnachtsgeschenk an 24’000 ausgewählte Firmen der global orientierten A-Schweiz. Die Bundesverwaltung, angeführt vom ehemaligen Bauernsekretär Ueli Maurer, rechnet dafür mit stabilen und nach 2020 wieder steigenden Steuereinnahmen. Staatssekretär Serge Gaillard, vormals Gewerkschafts-Ökonom, schweigt dazu.
Die Mehrheit der kantonalen Regierungen kalkuliert in die gleiche Richtung. Der Zürcher SVP-Regierungsrat Ernst Stocker steht, leicht schwankend, in Mannestreue zu seinem SVP-Kollegen Maurer als Finanzminister. Den grössten Teil der Rechnung gibt er ohnehin an die 160 Zürcher Gemeinden weiter.
Die SP-Regierungsrätin Eva Herzog in Basel-Stadt hat gar keine Alternative, als USR III zuzustimmen, wird ihr Stadtkanton doch von genau diesen Unternehmen regiert, die davon profitieren. Sonst hat Basel-Stadt nur einiges an Gewerbe, wenig Mittelstand und viele Armutsbürger, die von Sozialleistungen leben.
Nicht viel anders geht es Pascal Broulis, dem Finanzchef der Waadt in Lausanne. Sein Kanton lebt finanziell von den Konzernen (Nestlé, Philipp Morris, Vale und vielen anderen). Das Waadtländer Gewerbe, wie das Genfer auch, ist magersüchtig. Die Bauern und Winzer leben vom Staat.
Bei einem Ja zu USR III ist die personell kleine A-Schweiz der Gewinner, die 96% B-Schweizer können nur hoffen, dass vom Tisch der neuen «Gnädigen Herren», die zu drei Vierteln aus dem Ausland stammen, etwas für sie abfällt. Das Schweizer Kapital hat sich dem angeschlossen.
Damit wächst, wie in den beiden Grossbanken auch, das Misstrauen des Volkes gegen «die da oben», die sich von Kommunikationschefs und Juristen nach aussen schützen lassen. Bankpersonal kann man verlagern und entlassen, aber ein Volk kann man nicht von heute auf morgen auswechseln, es sei denn durch den Import von Zuwanderern; aber das braucht Zeit.
Das Schweizer Volk, wie es in der Bundesverfassung mit seinen Rechten beschrieben wird, sieht sich einer Situation gegenüber, wo sich seine Lage laufend verschlechtert. Die AHV kriselt jetzt dauerhaft und bedroht damit die Zukunft erheblich. Die Banken zahlen schon lange keine Zinsen mehr und drängen ihre Kleinkunden in riskante Operationen.
Die Kosten für Krankenversicherungen sind für 20 Prozent des Volkes nicht mehr tragbar und werden vom Steuerzahler übernommen. Der neue Lehrplan 21 baut kaum noch Wissen bei den Schülern auf, sondern jongliert mit «Kompetenzen», beispielsweise jene, einen Computer und die IT richtig zu nutzen.
Post und SBB verschlechtern und verteuern laufend ihre Dienstleistung, ganz wie die SRG auch, die mit Fussball und «Aeschbi» ihr Volk sucht. Kritische Fragen sind des Teufels.
Wer clever ist, entzieht sich dem durch geplante Flucht. Das Volk, weil verängstigt und illoyal, bietet keinen Halt, weshalb sich die letzten Vertreter der SP in die Stuben der Beamten, Verwaltungen und Hochschulen zurückgezogen haben. Das Volk, gewohnt zur SVP zu fliehen, sieht auch in Christoph Blocher nur noch einen alternden Helden, dessen neue Partei-Elite einem Don Quichottischen Hofstaat gleicht, der gegen Windmühlen kämpft.
Die 43jährige Präsidentin der FDP Schweiz, Petra Gössi, im Begriff, ihrer Partei ein neues KMU- und Gewerbeprofil zu verpassen, setzt sich hingebend dafür ein, die von Franz Steinegger in den Niedergang getriebenen Freisinnig-Liberalen vor dem Untergang zu retten. Noch ist sie aber weit davon entfernt, ihre Partei, die FDP-Bundesräte oder grössere Teile des Wahl- und Stimmvolks im Griff zu haben.
Die Schwäche der bürgerlichen Parteipräsidenten ist kein gutes Zeichen für die am 12. Februar beginnende Zeit des Sturms, wie dies für 2017 kennzeichnend sein wird.
«Run baby, run», habe ich schon vor fünf Jahren als Motto herausgegeben, die Herrschaft der Wenigen kommen sehend. Der Roman «1984» von George Orwell ist in den USA jetzt ein Renner. Ich empfehle, ihn erneut zu lesen, und vielleicht auch «Die Kritik der zynischen Vernunft», das wieder hoch aktuelle Buch von Peter Sloterdijk.
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Dieser Kommentar erschien am 27. Januar auf Inside Paradeplatz.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Klaus J. Stöhlker ist langjähriger PR-Berater und Autor verschiedener Bücher.
Machtkartell der Global Players muss aufgelöst werden!
Die Diktatur der grossen Unternehmen, der Global Players, gründet auf ihren Eigentumsrechten; sie steht und sie fiele mit ihnen. Jede schützende Regelung, die der Willkür ihrer Verwertungsinteressen Einhalt gebietet, jedes Sozialgesetz, das die Folgen zügelloser Profitgier mildert, jeder Zipfel öffentlichen Eigentums, das Schutzzonen schafft – ob kommunale Wasserversorger oder Kantonalbanken, ob gesetzliche Sozialversicherungen oder verstaatlichte Ölfelder -, jedes Element gesellschaftlicher Kontrolle muss verteidigt werden, um jedes lohnt es zu kämpfen. Aber das reicht nicht. Aus Abwehrschlachten werden allzu leicht blosse Rückzugsgefechte, deren Träger auf immer schmalerem Terrain einem mit jedem Teilsieg machtvolleren Gegner bald chancenlos gegenüberstehen.
Für private Grossbanken spricht nicht mehr als für privatisierte Krankenhäuser, für private Ölmultis nicht mehr als für private Wasserversorger. Die zentralen Bereiche der industriellen Produktion und die Macht über die Finanzierungsbedingungen von Investitionen gehören ebenso wenig in private Hand wie die Bodenschätze dieser Erde oder die Gewährleistung von Mobilität, Kommunikation, Bildung, Alterssicherung oder Gesundheitsfürsorge. Das Machtkartell der Giganten ist auflösbar, wenn Eigentum wieder dem Wohle der Allgemeinheit dienstbar gemacht wird, indem all diese Bereiche dem Zugriff privaten Kapitals und damit der Logik maximaler Renditen entzogen werden.
Man könnte es nicht treffender sagen, danke Herr Schneider ! Deswegen NEIN zur USR III (vielleicht bringt’s ja was).
Artikel und Lesermeinung sind sehr interessant, jedoch nichts Neues.
Interessant wäre es, wenn die Stimmbürger eine Mehrheit zur Änderung der beschriebenen Zustände erbringen würden.
Vermutlich hätten wir danach ebenfalls «Sommerzeit». (Abgelehnt bei Volksabstimmung)
Eine Änderung wird sich leider erst durch einen hoffentlich von niemandem gewünschten grossen «Chlapf» ergeben. Nur, es ist dadurch kaum je besser geworden für die betroffene Generation. So werden wir auch weiter die aufmüpfige Schafherde bleiben.
Der monetäre Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht
sehr merkwürdig ist ja, dass Stöhlker auf insideparadeplatz schreibt, er WERDE für die USR III stimmen. Hier schreibt er, er MÜSSTE. was denn nun?
@Wyss-Aerni. Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung, mit der Herr Stöhlker einverstanden war. Inhaltlich meinte der Autor das Gleiche.
na gut. Weshalb «werde» redaktionell angepasst werden muss auf «müsste», verstehe ich allerdings nicht.
Ich oute mich so gut wie nie, wie ich am Ende abstimme, finde jedoch, dass nicht zuletzt aus demokratiehygienischen Gründen die Linke wieder mal einen Abstimmungssieg zugut hat. Dies hilft demokratiepolitisch der Akzeptanz der direkten Demokratie. Ausserdem freut es mich, dass, wenn Stoehlker sich klug und zumal nonkonform äussert – er hat nun mal nicht kleines Wissen und nicht geringe Erfahrung – hier im Infosperber zu Wort kommt. Als einigermassen wohlüberlegt und exakt gezirkelt schätze ich die Stellungnahme von Altbundesrätin EWS ein. Zwar äusserte sich ein Altständerat mir gegenüber in der Richtung, es sei die Retourkutsche für den gemäss Insidern nicht freiwilligen Rücktritt der Bundesrätin. Natürlich hätte sie «es» noch gekonnt.