Anti WTO Jobs for Justice

Eine von vielen Demonstrationen gegen die Globalisierungspolitik der Welthandelsorganisation WTO © Jobs for Justice

Der US-Präsident verhält sich wie Links- und Rechtsextreme

Urs P. Gasche /  Trump zertrampelt die Welthandelsorganisation WTO. Früher wurden WTO-Kritiker als links- oder rechtsextrem abgestempelt.

Die einseitig verhängten Zölle vor allem der USA, aber auch der EU verstossen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Doch die WTO darf gegen «Sünder» nicht von selbst aktiv werden und vorgehen. Nur die Länder, die von einseitigen Zöllen betroffen sind, können am WTO-Sitz in Genf ein Schlichtungsverfahren beantragen. China beispielsweise kündigte die Anrufung des WTO an, nachdem Präsident Trump chinesische Importe mit zusätzlichen zehn Prozent Zöllen belegt hatte. 

In Schlichtungsverfahren sollte dann abgeklärt werden, ob und wie stark ein Land seine exportierten Produkte subventioniert. Einigen sich die Parteien nicht, kann ein WTO-Berufungsgremium mit einer qualifizierten Mehrheit entscheiden, dass ein betroffenes Land mit Gegenzöllen reagieren darf.


USA boykottieren die WTO seit 2019

Doch seit 2019 kann die WTO keine solche Entscheide mehr fällen, weil die USA sich weigern, ihre Delegierten in den WTO-Berufungsausschuss zu bestimmen. Seither fehlt dem Gremium das notwenige Quorum. Nach Angaben des WTO-Sekretariats sind bis heute 31 Streitfälle vor dem Berufungsausschuss hängig, die nicht behandelt werden können. Elf der 31 Fälle betreffen Zölle und andere Importeinschränkungen der USA und der EU.

Laut Reto Föllmi, Professor für internationale Ökonomie an der Universität St. Gallen, befindet sich die WTO in der grössten Krise seit der Gründung. «Trumps reziproke Zölle verstossen klar gegen die multinationalen Spielregeln», sagte er in der «NZZ». Zur Festsetzung «reziproker Steuern» berücksichtigen die USA einseitig nicht nur die Zölle des anderen Landes, sondern auch dortige Subventionen und Steuern.

Trumps Zollpolitik verletzt das Prinzip der Meistbegünstigung, das für die 166 WTO-Mitgliedsländer gilt: Kein Land darf nur ausgewählten Ländern tiefe Zölle verlangen und anderem hohe. «Trumps reziproke Zölle widersprechen der fundamentalen Grundarchitektur der WTO», meint denn auch Joost Pauwelyn, Professor für Handel am Genfer Graduate Institute.


WTO- und Globalisierungskritiker verunglimpft

Das deutsche Bundesministerium des Innern verbreitete im Jahr 2004 eine «Bestandesaufnahme des Extremismus in Deutschland». Darin werden Globalisierungsgegner vor allem als Rechtsextreme eingestuft. Das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnete einen Teil der Globalisierungskritiker als «linksextremistisch». Sie wollten das kapitalistische System stürzen.

Ein Teil der Globalisierungskritiker richtete sich laut Wikipedia gegen eine neoliberale Wirtschaftsordnung, die von Organisationen wie Weltbank und WTO gefördert werden. 

Andere, weder links- noch rechtsextreme Globalisierungskritiker wiesen darauf hin, dass die Globalisierung den Welthandel pervertiere, weil dieser durch Milliarden von sozialisierten Umwelt- und Sozialkosten und durch Milliarden-Subventionen für den Flug- und Schiffsverkehrs völlig verfälscht werde. Die Globalisierung sei deshalb nicht zum Vorteil aller, sondern führe zu falschen Produktionsstandorten. Siehe Infosperber vom 13. August 2023: Der neue wirtschaftliche Nationalismus hat auch grosse Vorteile.

Wer heute die praktizierte Globalisierung und die WTO in Frage stellt, wird nicht mehr als rechts- oder linksextrem abgestempelt.

Kleine Exportnationen wie die Schweiz sind allerdings auf multinationale Regeln angewiesen. Die Macht der Stärkeren wird den internationalen Warenaustausch noch willkürlicher machen. 

Derzeit sind bei der WTO weitere fünf Streitfälle hängig, an denen entweder die USA oder die EU beteiligt sind. Sie betreffen die «Überwachung der Umsetzung» von getroffenen Schlichtungen. Das WTO-Generalsekretariat dazu: «Es geht um eine multilaterale Überwachung der laufenden Bemühungen, WTO-Entscheide einzuhalten und WTO-widrige Massnahmen mit den Verpflichtungen der Mitglieder in Einklang zu bringen.» Drei dieser Streitigkeiten mit Beteiligung der USA beträfen «die Erhebung von US-Antidumpingzöllen auf Importen, die angeblich zu unfair niedrigen Preisen verkauft wurden». 

Vor 2019, als die WTO-Streitschlichtung noch funktionierte, hatten die USA und die EU jahrelang darüber gestritten, ob die Herstellung des Airbus mit mehr Milliarden subventioniert wurde als die Herstellung des Flugzeugherstellers Boeing. 2018 stufte der WTO-Berufungsausschuss, die Anschubfinanzierungen des Airbus als illegal ein. Ein Jahr später verurteilte die WTO auch die USA: Die Subventionen, darunter Steuervergünstigungen im Bundesstaat Washington und staatliche Aufträge von NASA und dem US-Verteidigungsministerium, seien rechtswidrig, da sie Airbus wirtschaftlich schädigten.

Weiterführende Informationen

  • Wer sich für die laufenden WTO-Verfahren interessiert, die China betreffen, kann sich hier informieren. 
  • Wer sich für alle Verfahren bei der WTO interessiert, kann sie hier einsehen.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 25.02.2025 um 11:26 Uhr
    Permalink

    2019 Trump
    2020 Trump
    2021 Biden
    2022 Biden
    2023 Biden
    2024 Biden
    Es fällt doch auf, dass zur Weigerung WTO Richter einzusetzen, der Name Biden nicht einmal erwähnt wird im Artikel. Dieser einseitige Fokus auf «den bösen Trump» während Demokratische Präsidenten in Essenz das gleiche tun (auch die illegalen Zölle gegen China, oder illegalen Sanktionen gegen Iran oder Kuba hat Biden nicht rückgängig gemacht), führt zu Zynismus unter ungebildeten Lesern. Denn es geht um Nuancen des Extremismus, wo Trump eine Spur extremer ist, und vor allem viel klarer in extremistischem Tonfall spricht. Aber damit die andere Seite der US Politik-Medaille aus dem Schussfeld zu nehmen, führt zu einem Eigengoal: der Zynismus hilft Trump, Lügen zu verbreiten.

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