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CS ab 2015 «nicht mehr überlebensfähig»: UBS-Präsident Colm Kelleher im Interview mit dem «SonntagsBlick» © «SonntagsBlick» vom 29.09.24/Screenshot

UBS-Präsident: Die Finma hat kolossal versagt

Lukas Hässig /  Im Interview mit dem «SonntagsBlick» macht Colm Kelleher erstmals klar, dass die Finma mit den CS-Chefs viel zu nachsichtig war.

Das Gespräch im «SonntagsBlick» mit Colm Kelleher ist eine Bombe. Der UBS-Chairman, also der Kapitän der übermächtigen Schweizer Grossbank, äussert zum ersten Mal höchst Brisantes. Nämlich, dass der oberste Bankenpolizist im Finanzland Schweiz, die Finma, komplett versagt hat im Fall Credit Suisse.

«Wenn ich solche Briefe der Bankenaufsicht bei Morgan Stanley oder UBS erhalten hätte, hätte ich gesagt: Leute, wir haben ein Riesenproblem», sagt Kelleher im zentralen Teil des Gesprächs. «Die Tatsache, dass die Credit Suisse diese Briefe erhielt und nichts oder zu wenig unternommen hat, ist unfassbar.»

Die Aussage beinhaltet alles, was man zum CS-Fiasko, das im Frühling vor einem Jahr die ganze Schweiz an den Rand eines feurigen Vulkans geführt hatte, wissen muss. Es waren die Finma und ihre Chefs, die den Bonus-getriebenen CS-Masters of the Universe jeden noch so grossen Trick und Missgriff durchgelassen hatten.

Diese frisierten die Bücher. Das wusste die Finma, aber es waren die USA, die damit auf den Putz hauten.

Sie gaben sich Milliarden-Boni, ohne je das dafür nötige Geld zu verdienen. Die Finma gab ihren Segen dazu.

Ihre Unterstellten schädigten das mausarme Mosambik, wuschen Drogengeld der bulgarischen Mafia, gingen mit einem vorbestraften Südkoreaner mit 10 Milliarden ins Risiko.

Die Finma reagierte zahm. Gleich wie im Greensill-Fiasko, mit dem die CS ihren Ruf bei den Reichsten unter den Kernkunden aufs Spiel setzte.

Die Finma ist nicht Schuld am grössten Firmen-Untergang aller Zeiten einer Schweizer Firma. Aber sie hätte die nötige Notlösung am Ende verhindern können. Das geht aus den Äusserungen Kellehers hervor. Der hat als VR-Präsident jener Firma, welche die CS übernommen hat, Einblick in alle E-Mails, Briefe und anderen Geheimnisse.

«Seit 2015 war es für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird», führt Kelleher gegenüber dem «SonntagsBlick» aus. «Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank. Ab Oktober 2022 bestand ihre Zukunft aus meiner Sicht nur noch in einer Notrettung.»

Dann kommt’s: «Ich verstehe also nicht, warum man acht Jahre gewartet hat, wenn ab 2015 die Warnzeichen da waren.» Als obligater Disclaimer folgt, dass es «primär die Verantwortung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung der CS» gewesen sei, «das Ruder radikal herumzureissen».

Doch das Neue – und Hochexplosive – ist die unmissverständliche Kritik des Wallstreet-Topshots, der seit zweieinhalb Jahren die UBS in letzter Instanz befehligt, an der Schweizer Aufsicht.

Während diese Briefe schrieb, bereitete sich Kelleher auf den Notfall vor. «Ich kam im März 2022 zur UBS. Das Erste, was ich tat, war, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die sich auf den Fall CS vorbereiten sollte.» Es sei nicht um das Geschäft des Jahrhunderts gegangen. «Wir waren wirklich besorgt, dass etwas passieren könnte.» «Wenn also wir uns Sorgen gemacht haben, warum dann nicht auch andere? Ein unkontrollierter Untergang der CS hätte auch die UBS viel Geld gekostet.»

Warum nicht auch andere? Die Kernfrage im Drama, gestellt von einem Angelsachsen, en passant, in einem Gespräch, bei dem es um noch viele andere Themen geht.

Gemeint ist die Finma, die sich seit der grossen UBS-Krise im 2008 von 300 auf 600 Leute verdoppelt hatte. Warum hat sie sich nicht wirklich Sorgen um die CS gemacht, und zwar rechtzeitig? Deren «Waffenarsenal» hat sich in den Jahren vor dem CS-GAU vervielfacht, mit Finig, Finfrag, Fidleg und wie die unzähligen neuen Gesetze und Regulatorien alle heissen.

«Die Finma sagt, sie hatte nicht die gesetzlichen Befugnisse, um durchzugreifen», kontern die «SonntagsBlick»-Frager. Darauf Kelleher: «Andere Aufsichtsbehörden haben mir in der Vergangenheit gesagt: Colm, wenn du das hier nicht in Ordnung bringst, kriegst du Probleme. Das ist, was Regulierungsbehörden tun.»

Nicht die Finma. Sie schrieb Briefe. Einen nach dem anderen.

Und am 19. März 2023, als die Escher-Bank nach 167 Jahren von der Bildfläche verschwand, strich die Bankenaufsicht mir-nichts-dir-nichts 17 Milliarden Dollar Wandel-Obligationen. Sonst hätte die UBS den Deal nicht wie gewünscht vollziehen können, meinte Kelleher in einem früheren Interview mit der NZZ.

Die 17 Milliarden Dollar könnten je nach Ausgang der rund um den Globus laufenden Gerichtsprozesse noch zu einer Milliarden-Forderung gegen die Schweiz führen. Am Ende müsste Bern zahlen – mit dem Ersparten seiner Bürger.

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Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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3 Meinungen

  • am 30.09.2024 um 11:38 Uhr
    Permalink

    Der Spiegel meinte am 06.02.2024, 08.13: «Die Übernahme der Credit Suisse hat der Schweizer Großbank UBS Group im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund 29 Milliarden Dollar eingetragen.» Und SRF Charlotte Jacquemart meinten am 21.03.2023, 11:48: «Die CS-Aktionäre erhalten rund 76 Rappen pro Aktie, in Form von UBS-Aktien. Demgegenüber gibt es eine spezielle Kategorie Anleihe, die sogenannten Additional-Tier-1-Anleihen (AT1). In dieser Kategorie werden im Rahmen der CS-Übernahme 16.2 Milliarden Franken abgeschrieben.» Und UBS-Präsident Colm Kelleher sagt «Ich kam im März 2022 zur UBS. Das Erste, was ich tat, war, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die sich auf den Fall CS vorbereiten sollte.» Könnte theoretisch die Möglichkeit bestehen, dass erkannt wurde, der Untergang der Credit Suisse wird ein Riesengeschäft und tat was nötig war. Das Resultat: die Finma trägt die Hauptschuld, dass die UBS-Bosse ein lukratives Geschäft machen konnten?
    Gunther Kropp, Basel

  • am 30.09.2024 um 12:03 Uhr
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    Die FINMA wird nun zum Schwarzen Schaf gemacht, und zwar von der mächtigen UBS.

    Die Zürcher Spatzen pfiffen schon oft und über Jahre von den Dächern der «Weltstadt». Sie sagten: Der Finanzplatz in Zürich ist vergiftet. Und es gibt mehr als genug Skandale. Das hätte auch der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität III in Zürich auffallen müssen, doch einen begründeten Verdacht von kriminellen Handlungen wollte oder konnte die Staatsanwaltschaft nicht formulieren oder etwas untersuchen.

    Die FINMA wird hauptsächlich durch die Beaufsichtigung mittels Abgaben sowie Steuergelder finanziert. Wenn Beaufsichtigte Abgaben zahlen, dann ist die Unabhängigkeit einer Aufsichtsbehörde bereits verloren, d. h. das Prinzip «der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht» spielt. Wer will schon auf seine üppigen Boni verzichten? Es ist einfacher, die FINMA unter Druck zu setzen und Abgaben zu entziehen und anzudrohen, dass sie entzogen werden, sollte sie gegen die Platzhirsche zu hart vorgehen.

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