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Der «Tariff Man» will andere für den amerikanischen Konsumwahn zahlen lassen. © gints.ivuskans/Depositphotos

Trump zäumt den Gaul von hinten auf – Zölle lösen Problem nicht

Christof Leisinger /  Zockt der Rest der Welt die USA ab? Nein, sie leben über ihre Verhältnisse und wollen andere weiter dafür zahlen lassen.

Kaum im Amt, wirbelt US-Präsident Donald Trump die Welt durcheinander. Geopolitisch weckt er Zweifel an der Substanz bewährter Bündnisse. Handelspolitisch wittert er überall Nachteile für die USA.

China zum Beispiel wirft er unfaires Verhalten vor und beschuldigt das Land, Waren zu Preisen unter den Produktionskosten auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Das Dumping führe nicht nur dazu, dass China mehr in die USA exportiere als von dort einführe, sondern dass amerikanische Unternehmen geschädigt und ihre Arbeitsplätze gefährdet seien.

Handelsdefizite als Zeichen unfairer Handelsbeziehungen?

Schon seit Jahrzehnten behauptet er, alle Länder lebten auf Kosten der Amerikaner, die im Handel mit den USA Überschüsse erzielten. Diese Praxis sei unfair und sie gelte nicht nur für China, sondern auch für die Europäische Union und nicht zuletzt auch in Bezug auf die Schweiz.

Geht es nach Trump, müssen solche Staaten künftig ihre Ausfuhren in die USA verringern, ihre Importe aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten steigern oder mit hohen Zöllen rechnen. Ab April will er sogar reziproken Zölle einführen, bei denen gleiche Zollhöhen für den Waren- und Dienstleistungsverkehr beider Seiten gelten sollen.

Der US-Präsident will durch höhere Importzölle die Produktion in den USA stärken, Arbeitsplätze sichern und mit steigenden Einnahmen aus diesen Abgaben Steuern senken, das enorme US-Staatsdefizit von mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts und letztlich auch die enormen Staatsschulden verringern.

Exportüberschuss schweiz usa
Das Edelmetallgeschäft verzerrt die Statistik des Schweizer Aussenhandels in bestimmten Phasen enorm. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Zölle sind in seinen Augen ein Allheilmittel für die Lösung der strukturellen Wirtschafts- und Finanzprobleme der Amerikaner. Sie sollen in Verhandlungen mit anderen als Druckmittel und sogar dem Schutz der nationalen Sicherheit dienen. Zum Beispiel durch die Förderung des heimischen Schiffbaus oder indem die wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringert wird.

Trumps Zollpolitik ist jedoch hoch umstritten. Fachleute zweifeln grundsätzlich an ihrem Erfolg. Manche fürchten sogar, sie könne in ein volkswirtschaftliches Desaster führen. Die Skeptiker beziehen sich auf den so genannten Smoot-Hawley-Tariff-Act, der vor knapp 100 Jahren mit hohen Zöllen auf über 20 000 Importgüter zur sich anbahnenden Weltwirtschaftskrise beigetragen habe. Tatsächlich provoziert ein Land mit der Einführung von Zöllen meist Gegenmassnahmen von anderen. Letztlich droht eine Kettenreaktion, mit potenziell verheerenden Folgen für die globale Wirtschaft.

Aussenhandelsbilanz der Schweiz stark verzerrt

Allein der Blick auf die jüngsten Aussenhandelszahlen der Schweiz lässt Zweifel an Trumps grundlegender These, der Handel zwischen zwei Ländern müsse ausgeglichen sein, aufkommen. Demgemäss ist der Exportüberschuss mit den USA in den vergangenen Monaten förmlich explodiert. Und zwar aus einem einzigen Grund: Dem Gold-Handelsgeschäft.

Aus Angst vor künftigen Zöllen liessen amerikanische Anleger in grossem Stil Gold von London in Tessiner Goldraffinerien verfrachten, wo es in grössere Barren umgegossen und kurz darauf in die USA weiterverfrachtet wurde. Auf diese Weise blies das Edelmetall als durchlaufender Posten das Ungleichgewicht im Aussenhandel der Schweiz künstlich auf und bringt es möglicherweise auf Trumps Radar, obwohl es kaum Wertschöpfung in der Schweiz gab.

Ökonomen wie David Rosenberg aus Toronto stellen die gesamte Logik infrage. In seinen Augen zäumt Trump den Gaul von hinten auf: Die USA würden vom Rest der Welt nicht «abgezockt». Sondern die Amerikaner hätten in den vergangenen Jahren mit billigem Geld und hohen Staatsausgaben die Förderung des privaten Konsums ohne Rücksicht auf die zunehmenden Schuldenberge auf die Spitze getrieben.

USA: Unwucht zwischen der Spar- und Investitionsneigung

Heute hätten die Vereinigten Staaten mehr Schulden gegenüber dem Ausland als sie dort Vermögenswerte hätten. Und es gebe kaum ein anderes Land, in welchem der Anteil der verfügbaren Einkommen für Konsumausgaben so hoch und in welchem die Sparquote so niedrig sei wie in den USA. Das ist der Kern: Hohe Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz eines Landes sind meist Ausdruck einer deutlichen Unwucht zwischen der Spar- und Investitionsneigung in einer Volkswirtschaft.

«Vielleicht sollte Trump das volkswirtschaftliche Modell von der übermässigen Abhängigkeit vom Konsum zu einem Modell der Sparsamkeit ändern, dann würden die Handelsdefizite vielleicht zurückgehen oder sogar verschwinden, ohne dass die Welt in einen Handelskrieg gerät», argumentiert denn auch Rosenberg.

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Die Amerikaner haben sich im Ausland ganz schön verschuldet. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Joe Carson, der frühere Chefökonom des amerikanischen Vermögensverwalters Alliance Bernstein, schlägt in dieselbe Kerbe. Er fürchtet, Trump wolle den amerikanischen Bürgern die überfälligen Lasten für den überbordenden Konsum in der Vergangenheit nicht zumuten. Statt ihre völlig überzogenen Ansprüche zu senken und die Steuern zu erhöhen, versuche er die Bürde auf ausländische Unternehmen zu verlagern und stelle das populistisch als Strategie zur Wiederbelebung der amerikanischen Produktion dar.

Warnung vor immensen Schäden durch Zollpolitik

Mit entsprechenden Konsequenzen. So warnt die amerikanische Handelskammer in der EU vor immensen wirtschaftlichen Schäden bei einem ausufernden Handelskonflikt zwischen beiden Seiten. Der Zollstreit gefährde transatlantische Geschäfte im Wert von 9,5 Billionen Dollar – und zwar jährlich, wie die Kammer jüngst in Brüssel mitteilte. Allein der Waren- und Dienstleistungsverkehr habe sich im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von zwei Billionen Dollar summiert. Der Handel sei aber nur ein Teil des transatlantischen Austauschs. Der wahre Massstab seien Investitionen.

«Entgegen der landläufigen Meinung fliessen die meisten US-amerikanischen und europäischen Investitionen zum jeweils anderen und nicht in kostengünstigere Schwellenmärkte», heisst es im aktuellen «Transatlantic Economy Report» der Kammer, zu deren mehr als 160 Mitgliedern auch Apple, ExxonMobil und Visa gehören. Die Umsätze amerikanischer Tochtergesellschaften in Europa seien viermal so hoch wie die amerikanischen Exporte auf den Kontinent. Umgekehrt übertreffen die Umsätze europäischer Tochtergesellschaften in den Vereinigten Staaten die Exporte dorthin um das Dreifache.

Sie warnt vor beträchtlichen Wechselwirkungen auf andere Bereiche und macht auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler Trumps aufmerksam: Trump stösst sich am hohen Defizit im Warenhandel mit der Europäischen Union. Dabei werden die hohen Überschüsse der Amerikaner im Dienstleistungshandel mit der EU nicht eingerechnet.


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