Seilbahnen Schweiz Rekordwinter Skier Days Ersteintritte Oberengadin St. Moritz

Teurer Spass: Ski fahren in der Schweiz. © Engadin St. Moritz Tourismus

Die Träumer im Seilbahnen-Verband

Marco Diener /  Die Zahl der Skifahrer nimmt seit Jahrzehnten stark ab. Trotzdem redet der Seilbahn-Verband die miesen Zahlen schön.

Der Winter ist vorüber, und der Seilbahnen-Verband zieht Bilanz: Sie fällt erstaunlich positiv aus: «Die Wintersaison 2022/23 blieb bei den Schweizer Seilbahnbetrieben zwar hinter den Rekorden des vergangenen Winters zurück, sie liegt aber im Durchschnitt der letzten fünf Jahre.» So schrieb es der Verband diese Woche in einer Medienmitteilung.

Alles halb so schlimm – könnte man meinen. Die Gästezahl liege zwar zwölf Prozent unter derjenigen des Winters 2021/22. Doch das sei «der Rekordwinter» gewesen.

Rekordwinter? Natürlich nicht! Auch wenn man beim Seilbahnen-Verband von Rekorden träumt — die Situation ist für die Bergbahnen dramatisch. Das zeigen die Zahlen, die Infosperber vorliegen:

  • Der «Rekordwinter»: Der angebliche Rekordwinter war kein Rekordwinter. Die Bergbahnen verzeichneten 25,4 Millionen so genannte Skier Days (siehe Kasten unten). In den 90er-Jahren kamen die Bergbahnen regelmässig auf deutlich über 30 Millionen Skier Days, obwohl es damals noch kaum künstlich beschneite Pisten gab. In den 80er-Jahren waren die Zahlen wahrscheinlich noch höher. Aber diese sind heute nicht mehr verfügbar. Selbst im neuen Jahrtausend lagen die Zahlen oft höher.
  • Der vergangene Winter: Im Winter 2022/2023 zählten die Bergbahnen 22,4 Millionen Skier Days. In den letzten 20 Jahren waren nur vier Winter schlechter: 2015/16 und 2016/17 sowie die beiden Coronawinter.
  • Der Fünf-Jahres-Durchschnitt: Die 22,4 Millionen Skier Days liegen sogar noch unter dem Fünf-Jahres-Schnitt. Und in diesem Fünf-Jahres-Schnitt sind die katastrophalen Corona-Winter eingerechnet.

Skier Days

Die Schweizer Bergbahnen messen ihre Frequenzen in so genannten Skier Days oder Ersteintritten. Das ist die Summe aller Skifahrer, die in einer Saison die Bergbahnen benutzen. Wer innerhalb einer Saison mehrmals Ski fahren geht, wird mehrfach gezählt.

Infosperber fragte beim Seilbahnen-Verband nach. Die Antwort: Im angeblichen Rekordwinter hätten die Bahnen «die höchste Frequentierung in neun Jahren zählen» können. «Daher bezeichnen wir die Wintersaison 2021/22 als Rekordwinter». Eine eigenartige Sichtweise.

«Desinteresse am Wintersport»

Die Träumerei von Rekorden und das Schönreden schlechter Zahlen scheint beim Seilbahnen-Verband eine neue Taktik zu sein. Noch vor zehn Jahren wurde in der Saisonbilanz tüchtig geschimpft. Damals klagte der Verband über «das Desinteresse der schweizerischen Klientel am Wintersport».

Das Wetter ist schuld

Betreffend den letzten Winter ist für den Seilbahnen-Verband klar: «Die gesamte Wintersaison war für die Berggebiete aufgrund geringer Naturschneemengen und seltener Schönwetterperioden eine grosse Herausforderung. Dank technischer Beschneiung und dem Engagement der Mitarbeitenden konnten grössere Rückgänge verhindert werden.» Mit anderen Worten: Die Seilbahnen können nichts dafür – das Wetter ist schuld.

Teure Investitionen

Können die Bergbahnen wirklich nichts dafür? Sie bauen die Transportkapazitäten noch immer aus. Sie beschneien inzwischen 54 Prozent der Pistenfläche künstlich. Wobei allein die Investitionen für einen Kilometer mehr als eine Million Franken kosten. Jedes Skigebiet, das etwas auf sich hält, baut einen Snowpark mit Halfpipe. Sessellifte werden mit beheizbaren Sitzflächen ausgestattet. In Laax GR hat Porsche die Sessel für einen Lift entworfen.

Über der Teuerung

Das alles führt zu Preissteigerungen, die weit über der Teuerung liegen. Die Bergbahnen versuchen zwar, die Preiserhöhungen mit «dynamischen» Preisen zu vertuschen. Sie gewähren angeblich Rabatt, wenn die Kunden früh buchen, wenn sie das online tun, wenn das Wetter schlecht und der Buchungsstand niedrig ist.

Preise kennen nur eine Richtung

Trotzdem wird immer klarer, dass die «dynamischen» Preise vor allem eine Richtung kennen: nach oben. Der Seilbahnen-Verband schrieb 2020 in einer Studie denn auch: «Dynamische Preismodelle machen Preiserhöhungen diskreter möglich.» Und es folgte der Tipp: «Maximalpreis so hoch ansetzen, dass auch mit z. B. 10 Prozent Ermässigung» genügend erwirtschaftet werde. Den Gästen könne so «das Gefühl vermittelt werden, dass sie auch bei nur wenigen Tagen Vorausbuchung noch einen Rabatt bekommen».

Über 100 Franken

Die Konsumentenzeitschrift Saldo verfolgte die Preisentwicklung für Kurzentschlossene über die Festtage 2021/22. In Andermatt UR/Sedrun GR kostete eine Tageskarte 93 Franken. In Flims/Laax GR 97 Franken. Im Oberengadin GR bis zu 107 Franken. Und in Zermatt VS inklusive Bahnen in Cervinia (I) und Zubringerzug ab Täsch VS sogar 121 Franken. Das ist deutlich mehr als vor Einführung der «dynamischen» Preise.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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5 Meinungen

  • am 11.05.2023 um 14:41 Uhr
    Permalink

    Am 3.1.2018 schrieb ich in der Südostschweiz über den dauerhochsubventionierten Privatverein «Graubünden Ferien» (GRF):
    Das, was ich seit x-Jahren bei GRF quasi als manisch-depressiv diagnostiziere: JAMMEREIEN, um die Subventionen am Laufen zu halten, JUBELMELDUNGEN, damit den Spendern der quasi «bedingungslosen Sozialhilfe» an die «stolzen Unternehmer» die Vergeudung nicht soweit bewusst wird, dass sie denen nicht nur den Geld-Hahn zudrehen, sondern endlich politisch den Turnaround zur Nachhaltigkeit durchsetzen.

  • am 11.05.2023 um 15:36 Uhr
    Permalink

    Danke für den erhellenden Artikel. Bezug nehme ich konkret zum dynamischen Pricing. Diese Preisbildung stammt wohl aus der Luftffahrt. Da finden sich Gesellschaften die sind absolute Meister in der Preisgestaltung. Die Auffälligste ist wohl die Ryanair. Bei den Bergbahnen ist so, dass die Funktionswiese und der Nutzen des „dynamic pricing“ – sowohl für Kunden wie für die Bergbahnen – überhaupt nicht begriffen werden. Das Wesen und Wirken dieser Art der Preisfestsetzung steckt bei dieser Branche tief in den Kinderschuhen. Schade! Verpasste Chancen, auch hinsichtlich Kundenzufriedenheit. Insofern stimmt wohl die Feststellung, dass die Bergbahnen über diese „Neuerung“ einfach nur die Preise erhöhen wollen. Dabei könnten höhere Einnahmen mit geschickter Preisgestaltung erreicht werden.
    (ehemaliger Airline CEO und Fusions-CEO zweier Bergbahnen in der Ostschweiz)

  • am 11.05.2023 um 18:17 Uhr
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    Warum kann dann der Ansturm in den Bergregionen kaum noch bewältigt werden? Es werden immer leistungsfähigere Anlagen gebaut und trotzdem stauen sich teilweise die Leute.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 11.05.2023 um 20:27 Uhr
      Permalink

      Der Ansturm ist bei weitem nicht mehr so gross wie in den 70er-, 80er- oder 90er-Jahren. Damals stand man an vielen Skiliften eine halbe Stunde an. Das kommt kaum mehr vor.
      Die Bahnen werden in der Tat leistungsfähiger. Die planierten und täglich präparierten Pisten führen allerdings dazu, dass die Skifahrer viel schneller wieder unten sind. Damit wird ein Teil der erhöhten Leistungsfähigkeit gleich wieder «verbraucht».

    • am 12.05.2023 um 12:21 Uhr
      Permalink

      Falls es bei einzelnen Ski-Stationen zu Staus kommt, wäre eine Erklärung, dass die Anzahl der Stationen abnahm (durch Klima und Mehraufwand Schneekanonen).
      Klima: Wasserkraftwerke und Skifahren nehmen automatisch ab. «Alternativen» (Skifahren in Hallen oder auf Gras bzw. Plastik: https://www.mdr.de/wissen/faszination-technik/skifahren-ohne-winter-synthetischer-schnee-sachsen-100.html ) scheinen umweltbelastend und unattraktiv.
      Südostschweiz 5.1.2023 titelt: «Grüner Winter zwingt Bündner Skigebiete zum Umdenken / Die Skigebiete sind aufgrund des Schneemangels so gefordert wie schon lange nicht mehr. Sie kämpfen derzeit darum, den Gästen spannende alternative Aktivitäten anbieten zu können.» Ich kommentierte dort, dass ich diese «Alternativen» haaresträubend finde und stattdessen als Essential mein Modell «Gesundheitstourismus auch für Einheimische» vorschlage. Systemwechsel.

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