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Vor zwei Jahren eingeführt – und schon wieder abgeschafft. «Dynamische Preise» in Sörenberg LU. © zvg

Sörenberg: Schluss mit willkürlichen Preisen

Marco Diener /  Die Bergbahnen Sörenberg kehren zurück zu fixen Skiabo-Preisen. Der Grund: verärgerte Kunden.

Vor sieben Jahren schafften die ersten Schweizer Skigebiete die fixen Preise für Skiabos ab. Stattdessen verkaufen sie die Skiabos zu so genannt «dynamischen Preisen» (siehe Kasten). Wobei die «Dynamik» nur eine Richtung kennt: nach oben. Denn auch wenn sich die Wetterprognose im letzten Moment verschlechtert oder wenn wider Erwarten wenig Schnee liegt – die Preise sinken nie.

«Dynamische Preise»

«Dynamisch» bedeutet: Die Preise hängen in der Regel vom Buchungszeitpunkt, von der Anzahl bereits verkaufter Tageskarten und Skiabos, der Saisonphase, vom Wochentag und von der Wetterprognose ab.

Konkret: Wer früh bucht – am besten für einen Werktag im Januar – und schlechtes Wetter in Kauf nimmt, zahlt am wenigsten.

Wer hingegen zögert und sich dann angesichts des Prachtwetters doch noch entschliesst, am Stephanstag Ski fahren zu gehen, zahlt am meisten.

Schon früh übten die Konsumenten-Zeitschriften «K-Tipp» und «Saldo» Kritik an der neuen Preispolitik. Ebenso die Stiftung für Konsumentenschutz. Kritikpunkte:

  • Familien sind benachteiligt, weil sie ausserhalb der Ferien nicht wochentags Ski fahren gehen können.
  • Die Kriterien für die «Preisdynamik» sind nicht transparent. Der Berechnungs-Algorithmus kann manuell übersteuert werden. Die Preisgestaltung ist deshalb willkürlich.
  • Manche Skigebiete wenden eine Preisskala an, die nach oben offen ist. Die Folge: In grossen Skigebieten kann eine Tageskarte auch mal über 100 Franken kosten.
  • Die Durchschnittspreise sind seit der Einführung der «dynamischen Preise» nicht gesunken, sondern gestiegen.

Zwar behaupten die Bergbahn-Betreiber immer wieder, mit den «dynamischen Preisen» sollten die Besucherströme besser gelenkt werden. Doch Infosperber hat letzten Herbst aufgezeigt, dass die Bergbahnbetreiber ein anderes Ziel haben. Das zeigt die Studie «Auswirkungen der neuen Preismodelle – Erkenntnisse für die Bergbahnbranche», welche die Hochschule Luzern für den Schweizer Seilbahnen-Verband erarbeitet hat.

Es geht ums Geld

Laut Studie ist das Ziel, die Zahlungsbereitschaft der Kunden abzuschöpfen, die Preise in der Hauptsaison und an den Wochenenden zu erhöhen und das Wetterrisiko abzuwälzen. Wörtlich heisst es: «Dynamische Preismodelle machen Preiserhöhungen diskreter möglich.» Kein Wunder, dass immer mehr Skigebiete mit «dynamischen Preisen» arbeiten. Mittlerweile dürften es rund die Hälfte der Skigebiete sein.

Von den Medien kommt – wenn man von den Konsumentenzeitschriften absieht – kaum Kritik. Vor vier Jahren konstatierte die NZZ: «Bis jetzt hat noch kein Skigebiet in der Schweiz, das sein Preissystem umgestellt hat, diesen Entscheid wieder rückgängig gemacht. Und es sieht auch nicht danach aus, als ob das passieren würde. Zu gut sind die bisher präsentierten Ergebnisse.»

Nach nur zwei Jahren

Doch möglicherweise dreht jetzt der Wind. Sörenberg LU führt auf den kommenden Winter wieder fixe Skiabo-Preise ein. Die Kehrtwende kommt überraschend. Denn die Bergbahnen Sörenberg haben die «dynamischen Preise» erst vor zwei Jahren eingeführt. Euphorisch hiess es damals: «Die Bergbahnen Sörenberg wagen den Aufbruch ins digitale Zeitalter und führen ein dynamisches Preismodell ein.» Und: «Für die Bergbahnen Sörenberg ist es ein wichtiger Meilenstein, um am Puls der Zeit zu bleiben und sich in der digitalen Zukunft zu etablieren.»

Die Bergbahnen Sörenberg betonten damals, dass die Kunden auch einen Nutzen hätten: «Mit dem neuen dynamischen Preismodell kann den Gästen über die ganze Saison hinweg ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis angeboten werden.» Doch viele Skifahrer und Skifahrerinnen sahen es anders.

«Schlecht akzeptiert»

Bergbahn-Verwaltungsratspräsident Theo Schnider sagt gegenüber Infosperber: «Das dynamische Preismodell wurde von unseren Gästen einfach schlecht akzeptiert.» Und weiter: «Unser Kunde bevorzugt primär eine hohe Flexibilität. Wir sind ein Skigebiet mit vielen schulpflichtigen Kindern. Da muss eine Familie kurzfristig auf viele Einflüsse wie tolles Wetter, ausgezeichnete Schneeverhältnisse, kranke Kinder reagieren können.» Kritik wegen versteckter Preisaufschläge oder intransparenter Preise habe es selten gegeben.

«Wir haben analysiert und entschieden», sagt Schnider, «die Kundenzufriedenheit hat höchste Priorität und verlangte von uns Korrekturen. Da fällt uns darum kein Zacken aus der Krone.»

Wie viel die ganze Übung gekostet hat, will Schnider nicht sagen: «Das ist nicht relevant für die Diskussion.» Klar ist aber, dass sich die Firma Pricenow den Betrieb der «dynamischen Preismodelle» gut bezahlen lässt.


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4 Meinungen

  • am 12.08.2024 um 12:12 Uhr
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    «Es geht ums Geld» – ja sowas!! Da wär› ich meiner Lebtag› nicht draufgekommen!!

  • am 12.08.2024 um 18:30 Uhr
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    Danke Sörenberg! Das sind für einmal gute Nachrichten. Ich habe Skigebiete mit dynamischen Preismodellen so weit als möglich gemieden. Leider wurde das in den letzten Jahren immer schwieriger.
    Sörenberg wird für mich nächsten Winter eine Top-Destination.

  • am 12.08.2024 um 23:23 Uhr
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    Engelberg-Titlis wird das niemals passieren, kann man leider schon länger nicht mehr als Familien Skigebiet bezeichnen. Die Preise sind unerhört wenn man kurzfristig entscheiden muss.
    Frech, wollte man mir die dynamischen Preise als Vorteil präsentieren.
    Ja, für die Bergbahnen!

  • am 13.08.2024 um 10:20 Uhr
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    Sympathischer Schritt von Sörenberg! Nicht alle können zugeben, dass sie einen Fehler gemacht haben.
    Viel mehr als bei Skigebieten stört mich aber, wenn auch im Bahnverkehr solche Casino-Billettverkäufe praktiziert werden. Die Marketingverantwortlichen nennen es vielleicht «gamification», im Effekt ist es aber nur «enshittificaition». Mit einer Lenkung der Passagierströme hat das nichts zu tun. Wenn einer zur Stosszeit fährt, dann beansprucht er knappen Platz, egal, ob er drei Wochen im Voraus gebucht hat. Und wer in einer Randzeit fährt, nimmt niemandem den Platz weg, auch wenn er sei Billett ganz spontan vor Reisebeginn gelöst hat.
    P.S.: Habe gerade kürzlich erlebt, wie jemand sein «Sparbillett» zu früh gekauft hat und dann die Reise doch nicht antreten konnte. Das gehört wohl auch zum Kalkül der «Sparbillette»: Dass ein beträchtlicher Teil davon gekauft, aber nie benutzt wird.

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