24 Migros Gemischtwarenladen

Wer blickt da noch durch? Die Migros und ein kleiner Teil ihrer Tochterunternehmen. © SRF

So wird die Migros ihre Probleme auch nicht los

Marco Diener /  Über eine halbe Stunde stand Migros-Präsidentin Ursula Nold im Fernsehen Red und Antwort. Sie machte einen zaghaften Eindruck.

«Zerlegen Sie das Migros-Erbe, Frau Nold?» So forsch hatte das Fernsehen SRF das Gespräch mit der Migros-Präsidentin Ursula Nold in der Wirtschaftssendung Eco-Talk angekündigt. Was folgte, war eine Enttäuschung. Moderator Reto Lipp schmeichelte ihr zunächst fünf Minuten lang. Bezeichnete sie als «Madame Migros», wies auf ihre Erwähnung auf der Forbes-Liste hin, beleuchtete ihre «erstaunliche Karriere».

Anschliessend stellte Lipp die drängendsten Fragen: zum Hotelplan-Verkauf, zu den Entlassungen, zum Mibelle-Verkauf, zu den vielen Markenartikeln im Sortiment, zu den Mc-Kinsey-Beratern, zur komplizierten Genossenschaftsstruktur, zur Supermarkt-AG, zur Konkurrenz von Lidl und Aldi sowie zur Expansion in den Gesundheitsbereich.

Nold redete eine halbe Stunde – und sagte kaum etwas

Aber Lipp liess die nötige Hartnäckigkeit vermissen. Ursula Nold konnte eine halbe Stunde lang reden. Aber gesagt hat sie kaum etwas. Jedenfalls nicht Neues. Und auch nichts, das darauf hinweist, dass die Migros ihre Probleme löst.

Dabei gäbe es einiges zu sagen. Zum Beispiel: Welchen Sinn die neu gegründete Supermarkt-AG hat, wenn die zehn regionalen Genossenschaften dann doch erhalten bleiben. Wie schlecht die komplizierte Migros-Genossenschaftsstruktur funktioniert, zeigte sich gerade in den letzten Wochen wieder.

Faits accomplis der Migros Aare

Die Migros möchte nämlich unter anderem den Heimelektronik-Anbieter M-Electronics verkaufen, vielleicht auch den Baumarkt Do it + Garden. Und während die Leute vom Migros-Genossenschafts-Bund in Zürich über die Zukunftspläne brüten, schafft die Migros Aare ein fait accompli nach dem anderen.

Die M-Electronics-Filiale in Bern-Brünnen hat sie bereits geschlossen. Die Filialen in Brügg BE, Münsingen BE, Oftringen AG, Olten SO und Worb BE stehen kurz vor der Schliessung. Die Do-it-+-Garden-Filiale in Brügg ist schon seit Mitte April zu. Burgdorf BE, Bremgarten AG und Olten werden bald folgen. Dabei hatte doch Migros-Chef Mario Irminger betont, er strebe «eine gesamthafte Lösung» an, das Ziel sei «ganz klar ein Verkauf und eine Weiterführung».

Und eine kleine Pointe dazu: Die Coop-Tochter Interdiscount hat schon Lehrlinge von der Migros-Tochter M-Electronics übernommen.

Coop löste das Problem 2001

Wie auch immer: Die ziemlich selbständigen regionalen Genossenschaften sind ein Problem. Das hat Coop schon vor über 20 Jahren erkannt. Der Migros-Konkurrent fusionierte auf Anfang 2001 alle 14 regionalen Genossenschaften und Coop Schweiz zu einer einzigen Genossenschaft: der Coop-Gruppe-Genossenschaft.

24 Migros Umbau
Reicht Kosmetik bei der Migros? Eher bräuchte es einen radikalen Umbau?

Die Migros leistet sich hingegen weiterhin zehn regionale Genossenschaften mitsamt der ganzen Bürokratie. Und auch zehn Betriebszentralen, aus denen die jeweiligen Genossenschaften ihre Filialen beliefern. Die Migros ist sogar daran, die bestehenden Strukturen zu zementieren. In Schönbühl plant sie einen massiven Ausbau ihrer Betriebszentrale.

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Die Betriebszentrale der Migros Aare in Schönbühl BE soll massiv vergrössert werden.

Schlecht verteilt

Dabei sind die Betriebszentralen schlecht über die Schweiz verteilt: Rund um Ecublens VD hat es in weniger als 80 Kilometern Entfernung drei weitere Betriebszentralen. Carouge GE, Martigny VS und Marin NE. Zwischen Marin und Schönbühl liegen sogar weniger als 50 Kilometer.

Auf den ersten Blick sieht das zwar danach aus, als ob die Migros damit lange Fahrten vermeiden könnte. Doch das ist nicht der Fall. Von Schönbühl aus beliefert sie Filialen, die vor den Toren Zürichs liegen. Dabei gäbe es in Zürich eigentlich auch eine Betriebszentrale. Und von Schönbühl aus geht auch Ware in Filialen, die in unmittelbarer Nähe von Basel liegen. Die Betriebszentrale in Birsfelden läge viel näher (siehe Karte).

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Die Migros leistet sich zehn Betriebszentralen – von Carouge im Westen bis Gossau im Osten. Trotzdem sind die Wege lang.

«Die wirklichen Probleme geht man nicht an»

Sinnvoll wären wohl fünf Betriebszentralen: Ecublens, Schönbühl, Zürich, Gossau SG und S. Antonino TI. Die Logistik wäre einfacher, die Kosten niedriger und die Wege nicht länger. «Aber nein», sagt ein Insider, der viele Jahre im Migros-Kader arbeitete, gegenüber Infosperber, «die wirklichen Probleme geht man nicht an. Das ist seit Jahrzehnten so.»

Im Eco-Talk verwies Ursula Nold ständig auf «das Erbe von Gottlieb und Adele Duttweiler». Sie bezeichnete sie sogar als ihre «Vorbilder». Aber sie und die Migros-Spitze handeln nicht so, wie wenn ihnen das Erbe der Duttweilers wichtig wäre. Zum Beispiel mit Nolds Lohn, der 441’000 Franken beträgt – für ein 50-Prozent-Pensum.

Die Migros zerstört die Eigenmarken

Aber die Migros-Spitze handelt auch nicht im Sinne Duttweilers, wenn sie immer wieder neue Markenartikel in die Regale stellen lässt. Dabei ist die Migros mit ihren originellen Eigenmarken gross geworden: Ohä, Café Hag, Eimalzin oder Mivella. Im Eco-Talk darauf angesprochen, sagte Ursula Nold lapidar, die Kundschaft wünsche das.

Dabei zerstört die Migros mit den Markenartikeln den guten Ruf ihrer Eigenmarkenprodukte. Wenn plötzlich Lindt-Schokolade in den Regalen liegt, dann fragt sich die Kundschaft, was denn mit der Frey-Schokolade nicht mehr gut sei. Oder wenn die Migros auf einmal Persil verkauft, liegt die Frage nahe, ob Total nicht sauber genug wäscht.

An Duttis Ideen vorbei

Aber auch sonst geschäftet die Migros-Führung an den Ideen Duttweilers – und offenbar auch an den Wünschen der Kundschaft – vorbei. Sie wollte das Alkohol-Verkaufsverbot, das seit Duttweilers Zeiten gilt, abschaffen. Ursula Nold setzte sich für die Abschaffung ein. Die regionalen Genossenschaften waren mehrheitlich ebenfalls für die Abschaffung, einige beschlossen Stimmfreigabe, keine war dagegen. Doch die Kundschaft lehnte die Aufhebung des Alkoholverbots in der Urabstimmung von 2022 ab – mit 75 Prozent der Stimmen.

Trotz der vernichtenden Niederlage sah Nold anschliessend «keine Niederlage des Managements».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Detailhändler sprechen ständig von Nachhaltigkeit und Regionalität. Aber sie bewerben Lebensmittel vom anderen Ende der Welt.

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2 Meinungen

  • am 25.04.2024 um 19:24 Uhr
    Permalink

    Ich habe versucht das Interview mitzuverfolgen. Nach 15 Minuten riss mir der Geduldsfaden. Das Total Wischi-Waschi von Ursula Nold ging mir richtig auf den Keks. So eine Anhäufung nichtssagender Floskeln sind normalerweise das Markenzeichen gewiefter Politiker. Auch in ihrer Argumentation kann Frau Nold offenbar keine Eigemarke mehr produzieren.

  • am 25.04.2024 um 22:14 Uhr
    Permalink

    Die Idee mit einer Fusion der Genossenschaften war vielleicht vor 20 Jahren ok (COOP), aber Nachmachen ist heute keine gute Idee für die Migros. Das Problem ist nämlich das grundsätzlich fehlende Bewusstsein für die Idee der Genossenschaft in der Führungsetage. Statt sich auf diesen Kern zu besinnen, werden Leute als Berater geholt, die noch viel weniger Ahnung von Genossenschaft haben, das ist gefährlich.
    Besser wäre, ernsthaft bei Gottlieb Duttweiler nachzulesen! Er ging immer von den echten Notwendigkeiten der Zeit aus und hat darauf eigenständige Lösungen entwickelt. Statt dem «immer billiger» Wettbewerb nachzurennen und weiter zu rationalisieren, müssen die Mitglieder endlich mal ernst genommen werden.
    Übrigens muss eine Genossenschaft keinen Gewinn machen, sondern erstens den Mitgliedern gute Dienste erweisen und zweitens kostendeckend sein. Deshalb ist es auch ein Irrtum, den Gewinn als Massstab für den Erfolg zu nehmen. Die Mitgliederzufriedenheit ist Massgebend!

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