Lienau

Ausflüchte statt Auskünfte: Nestlé-Managerin Muriel Liénau vor dem Untersuchungsausschuss des französischen Senats. © Public Sénat auf youtube.com

Senatoren sind erbost – nun wollen sie gegen Nestlé klagen

Marco Diener /  Die Befragung zweier Nestlé-Managerinnen im französischen Senat verlief ergebnislos. Die beiden warben, statt zu antworten.

Die Meinungen im Untersuchungsausschuss des französischen Senats sind gemacht. Das Verhalten von Muriel Liénau, Chefin von Nestlé-Waters, und von Sophie Dubois, Chefin von Nestlé Frankreich, sei «skandalös», ja «menschenverachtend».

Wasser filtriert

Die beiden hatten vor dem Ausschuss antraben müssen, weil der Konzern in diverse Mineralwasser-Skandale verwickelt ist. So war Wasser der Marke Perrier mit Fäkalbakterien verunreinigt. Zudem war herausgekommen, dass Nestlé seine Wässer während Jahrzehnten gereinigt hatte: mit Aktivkohlefiltern, Mikrofiltration und UV-Licht. Das ist bei Wasser, das als natürliches Mineralwasser bezeichnet wird, verboten.

Werbung statt Auskunft

Die beiden Managerinnen beschränkten sich bei ihren Aussagen vor dem Ausschuss weitgehend darauf, Werbung für die Nestlé-Wässer zu machen. Sie hoben die «geschmacklichen Qualitäten», den «einzigartigen Geschmack» und den «erfrischenden Charakter» hervor.

Zum Betrug sagten sie nichts Aufschlussreiches. Über eine Stunde lang wurde Muriel Liénau gefragt, warum Nestlé in den Werken in den Vogesen (Vittel, Hépar und Contrex) sowie im Gard (Perrier) Filter installiert hätten, obwohl das verboten ist. Sie sagte bloss, es sei darum gegangen «die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten», es sei «eine aus der Vergangenheit geerbte Situation» deren Ursprung sie nicht kenne.

Der Skandal betrifft übrigens auch die Schweiz. Denn Anfang letzten Jahres kam heraus, dass Nestlé auch in seinem Werk in Henniez VD während Jahren Filter eingesetzt hat. Sicher Aktivkohlefilter, allenfalls auch UV-Filter.

Laufende Untersuchungen …

Als Liénau gefragt wurde, von welchen Angestellten sie auf den Betrug aufmerksam gemacht worden sei, sagte sie zunächst, sie kenne die Leute nicht. Als herauskam, dass sie die Angestellten sehr wohl kennt, verweigerte sie die Auskunft mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen der Pariser Gesundheitsbehörden.

«Sie sind verpflichtet»

Der Präsident des Ausschusses, Laurent Burgoa, machte klar: «Ich muss Sie daran erinnern, dass Sie verpflichtet sind, unsere Fragen zu beantworten.» So ist es nämlich in einem Gesetz aus dem Jahr 1958 festgeschrieben. Bei Widerhandlung drohen bis zu zwei Jahre Haft. Doch das beeindruckte Liénau nicht.

Vielmehr behauptete sie, das Nestlé-Wasser sei «an der Quelle stets rein» gewesen. Das steht allerdings in krassem Widerspruch zu den Gutachten der Gesundheitsbehörden. Sie sprechen von mikrobiologischen Verunreinigungen und davon, dass das Wasser «gesundheitlich nicht unbedenklich» sei.

«Ja oder nein?»

Die Senatorin Antoinette Guhl wollte wissen: «Ist das Wasser, das Sie heute verkaufen, natürliches Mineralwasser? Ja oder nein?» Muriel Liénau wich aus: «Wir haben eine befristete Bewilligung des Präfekten des Departements Gard, der alle Behandlungsmethoden, die wir heute anwenden, kennt.»

Newsletter Balken gelb

Klar ist: Nestlé verwendet im Perrier-Werk noch immer so genannte 0,2-Mikron-Filter. Damit verstösst der Konzern gegen EU-Vorschriften. Natürliches Mineralwasser muss nämlich an der Quelle rein sein. Denn die Filter sind nicht in der Lage, sämtliche Viren und Bakterien zu eliminieren.

«Keine Antwort ist auch eine Antwort»

Während der Befragung traf aus Belgien die Meldung ein, dass Nestlé auch dort Wasser auf verbotene Art und Weise behandle. Deshalb fragte Senator Alexandre Ouizille: «Setzen sie die 0,2-Mikron-Filter auch in anderen Werken in Europa ein?» Muriel Liénau wich wieder aus: «Wir verwenden diejenigen Filter, die von den entsprechenden Ländern zugelassen sind.» Ouizille zog das Fazit: «Keine Antwort ist auch eine Antwort.»

«Ich gebe Ihnen eine letzte Chance»

Die Senatoren versuchten hartnäckig, klare Antworten zu erhalten – aber ohne Erfolg. Deshalb gab Laurent Burgoa der Direktorin von Nestlé-Waters eine letzte Chance. Er bat sie nochmals, die Namen der Angestellten, die auf die verbotenen Filter aufmerksam gemacht hätten, schriftlich zu nennen. Er würde diese unter Wahrung des Ausschussgeheimnisses anhören und dabei ihre Anonymität wahren. «Ich gebe Ihnen», so Burgoa, «eine letzte Chance.»

Liénau weigerte sich abermals. Und Burgoa sagte: «Sehr gut, wir werden unsere Schlüsse daraus ziehen.» Die Senatoren haben sich vorbehalten, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Dann droht Liénau eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20130723um20_45_43

Schadstoffe in Lebensmitteln

Essen und trinken können krank machen, wenn Nahrungsmittel zu stark belastet sind.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

6 Meinungen

  • am 28.03.2025 um 10:36 Uhr
    Permalink

    technikplushygiene.info 07.05.2024: «Aktivkohlefilter: Nährboden für Mikroorganismen…Die Verbraucherzentrale Bayern warnt jedoch davor, dass Aktivkohle einen optimalen Nährboden für Keime bietet und die angereicherten Stoffe geballt ins Wasser übergehen können, wenn die Filter voll sind. »
    Höchst aufschlussreiche Aussagen im Artikel: «Ausflüchte statt Auskünfte: Nestlé-Managerin Muriel Liénau vor dem Untersuchungsausschuss des französischen Senats…. Zudem war herausgekommen, dass Nestlé seine Wässer während Jahrzehnten gereinigt hatte: mit Aktivkohlefiltern, Mikrofiltration und UV-Licht..»

    Möglich, es in der Nestlé-Chefetage schon längst bekannt ist, dass kostensparendes Wasserfiltern zu gesundheitlichen Schäden führen könnte und es einen Deal geben wird, der wohl von Nestlé diktiert werden möchte. Darum war wohl die Nestlé-Managerin Muriel Liénau vor dem Untersuchungsausschuss nicht sehr kooperativ, wohl erst wenn der Senat zum Bittsteller wird.
    Gunther Kropp, Basel

    • am 29.03.2025 um 03:53 Uhr
      Permalink

      Aktivkohlefolter eingesetzt im industriellen Massstab führen ganz sicher nicht zu gesundheitlichen Schäden. Sie verwechseln dies mit Tischfiltern. Es geht in diesem Artikel nicht darum, dass das Filtern schlecht für die Wasserqualität des Mineralwassers ist, sondern darum, dass Nestlé die Verbraucher täuscht, wenn sie mit «natürlichem Mineralwasser» wirbt.

      • am 29.03.2025 um 19:08 Uhr
        Permalink

        Im Artikel ist auch die Mitteilung: «..,weil der Konzern in diverse Mineralwasser-Skandale verwickelt ist. So war Wasser der Marke Perrier mit Fäkalbakterien verunreinigt.» Könnte wohl auch die Möglichkeit bestehen, dass die Nestlé-Mineralwasser-Filtersysteme «Fäkalbakterien» nicht vernichten können, weil aus Kostengründen einfache Filtersysteme verwendet werden und der französische Senat-Untersuchungsausschuss könnte das noch nicht erkannt haben.

  • am 28.03.2025 um 20:36 Uhr
    Permalink

    Nestlé-Produkte jeglicher Art versuche ich seit Langem zu vermeiden.
    Finde ich keine Alternative, verzichte ich mehrheitlich.
    Diese Artikel bestärkt mich. Merci!
    PS
    Meine liebe Gattin ist Weltmeisterin darin, oft gut versteckte Hinweise auf die Herkunft von Produkten zu finden.

  • am 29.03.2025 um 07:45 Uhr
    Permalink

    >»Denn Anfang letzten Jahres kam heraus, dass Nestlé auch in seinem Werk in Henniez VD während Jahren Filter eingesetzt hat.»

    Wenn da unsere teuren Amtsschimmel etwas Wirksames unternehmen würden…

  • am 29.03.2025 um 15:19 Uhr
    Permalink

    Klar, wenn Aktivkohle-Filter verwendet werden, um grobe Verunreinigungen zu entfernen, muss man anschließend die immer darin vorhandenen Bakterien mittels UV-Licht abtöten:
    _Richtig_ schmackhaft – oder?

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...