Schweizer Pharmafirmen müssen mit ungewissen Zeiten rechnen
Die Schweizer Wirtschaft kann von der Wahl Donald Trumps unter ungünstigen Umständen empfindlich getroffen werden. Schliesslich ist der Mann dafür bekannt, Handelsungleichgewichten kritisch gegenüberzustehen und hat angekündigt, manche Importe mit hohen Zöllen zu belegen.
Und die Schweiz erzielt im Handel mit den USA deutliche Überschüsse, mit 25 Milliarden vor allem auch im Geschäft mit pharmazeutischen Erzeugnissen. Sowohl Novartis als auch Roche erzielen knapp die Hälfte ihrer Umsätze in den USA. Der amerikanische Markt ist für die Anbieter von pharmazeutischen und medizintechnischen Produkten bisher ein Paradies, weil sie dort hohe Preise verlangen und exorbitante Margen erzielen können.
Hohe Schweizer Überschüsse im Pharma-Handel mit den USA
Ein künstliches Kniegelenk kostet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten etwa das Vierfache dessen, was in Spanien dafür berechnet wird. Viele Medikamente sind in den USA mehr als doppelt so teuer wie in der Schweiz. So kommt es, dass ein grosser Anteil an den Gewinnen der Pharmaunternehmen im amerikanischen Markt erwirtschaftet wird. Nicht selten rechnen die Firmen die Gewinne in Staaten mit niedrigen Steuersätzen ab.
Die Frage ist nur, wie lange das angesichts ausufernder Budgetdefizite und exorbitant steigender Kosten im Gesundheitswesen noch gutgeht. Bisher konnten die genannten Firmen die vorteilhafte Konstellation mit ungewöhnlich hohen Aufwendungen für das Lobbying sichern. Allerdings möchte Donald Trump nun den Aktivisten Robert Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister machen. Also einen Mann, der in den vergangenen Jahren für seine umstrittenen Ansichten bekannt geworden ist.
Der Sohn des ehemaligen Justizministers Robert F. Kennedy und Neffe von Präsident John F. Kennedy hatte sich im Wahlkampf um die Präsidentschaft zunächst als dritter Kandidat versucht und sich schliesslich Trumps Kampagne angeschlossen. Er ist spätestens seit der Pandemie als prominenter Impfstoffskeptiker bekannt. Das könnte sich auf die Impfstoffentwicklung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in entsprechende Massnahmen auswirken.
Kennedy will die FDA neu aufstellen
In diesem Rahmen hatte er angekündigt, die FDA, also die Behörde zur Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelsicherheit, zu restrukturieren. Nicht nur die Zulassung und die Regulierung der Verwendung von Arzneimitteln könnte stark verändert werden, sondern Kennedy will auch die seiner Meinung nach bestehenden Interessenkonflikte zwischen Zulassungsbehörden und Pharmaunternehmen beseitigen, stärkeren Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen und alternativen Therapien wie Psychedelika, Stammzellen und Nutraceuticals mehr Freiraum geben.
Er hat die Absicht, den Wettbewerb in der Branche zu verstärken, hart gegen Arzneimittelwerbung vorzugehen, den Haftungsschutz zu begrenzen und den Schwerpunkt unter anderem auf die Bekämpfung chronischer Krankheiten zu verschieben. Solche Ankündigungen sind das eine, die Umsetzung sind das andere – zumal angesichts seines umstrittenen Rufs noch nicht endgültig klar ist, ob Kennedy den Posten tatsächlich erhalten wird und wie stark seine Stellung in Donald Trumps künftiger Regierung sein wird.
Sicher scheint dagegen zu sein, dass die Branche die Entwicklung mit Argusaugen beobachten und pragmatisch darauf regieren wird, wie sie das in der Vergangenheit regelmässig tat. Wie die deutschen Automobilhersteller, haben die grossen Schweizer Pharmafirmen den Vorteil, in den USA selbst Forschungs- und Produktionsstätten zu unterhalten, so dass sie auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Jeder vierte Angestellte von Roche hat den Arbeitsplatz in den USA, bei Novartis ist es jeder sechste. Auf der anderen Seite unterhalten Pharmakonzerne wie Johnson & Johnson oder Bristol-Myers Squibb beachtliche Produktionsstätten in der Schweiz – und tragen zum Handelsungleichgewicht bei.
Der Druck auf die Branche nimmt zu
Grundsätzlich machen Fachleute allerdings klar, dass der wirtschaftliche Druck auf die Branche zunimmt, weil die Gesundheitskosten vor allem auch in den USA immer stärker aus dem Ruder laufen. Wen wird da überraschen, dass sich auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Tendenz verstärkt, die Freiheit bei der Festlegung von Medikamentenpreisen einzuschränken und darüber zu verhandeln. Es könne doch nicht sein, dass amerikanische Bürger die Entwicklung von Medikamenten subventionierten, von denen dann der Rest der Welt profitiere, heisst es immer öfter.
Insgesamt wird sich die Schweizer Pharmabranche wohl auf stärkeren Preisdruck und unter Umständen sinkende Margen einstellen müssen. Mit entsprechenden Konsequenzen für Schweizer Kantone, in denen sie stark vertreten ist – dort werden die Steuereinnahmen möglicherweise nicht mehr so üppig sprudeln wie in der Vergangenheit.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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