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Roundup ist bei Gärtnern und Bauern beliebt. Andere fühlen sich geschädigt und klagen wegen Gesundheits- und Umweltschäden. © Pixavril/Depositphotos

Roundup: Bayer will sein Glyphosat-Risiko loswerden

Christof Leisinger /  Der Konzern wird seit Monsanto-Kauf von Pflanzenschutz-Massenklagen belastet. Zocker spekulieren auf «Konkurs-Trick» als Ausweg.

Vor knapp zehn Jahren wollte der deutsche Pharma- und Agrarkonzern Bayer mit der Übernahme des amerikanischen Konkurrenten Monsanto ganz gross werden. Dieser Schuss ging aber nach hinten los: Die Amerikaner hatten nicht nur einen umstrittenen Ruf, sondern mit dem Pflanzenschutzmittel Roundup eine richtige «Bombe» im Angebot.

Roundup enthält den Wirkstoff Glyphosat und war in der Landwirtschaft und bei Gärtnern lange Zeit sehr beliebt, weil sie damit Unkräuter in Gärten und auf Äckern einfach sowie relativ günstig beseitigen konnten. Bald aber geriet das Mittel als angebliche Ursache für Krebserkrankungen und für Umweltschäden in die Schlagzeilen. Und obwohl manche Studien den Vorwürfen widersprachen, kam es in den USA zu Massenklagen, für die Bayer Milliarden aufwenden musste.

Enorme Verluste wegen Klagen

Allein in den vergangenen fünf Jahren verbuchte der Konzern Verluste von knapp 16 Milliarden Euro. Seine Aktie hat an den Börsen in zehn Jahren knapp 90 Prozent ihres Wertes verloren. Nun aber möchte das Management das Problem um jeden Preis loswerden. In den vergangenen Tagen hat es bekanntgegeben, anlässlich der demnächst anstehenden Jahreshauptversammlung die Genehmigung für eine Kapitalerhöhung in den nächsten drei Jahren einzuholen.

Es geht ihm darum, ein Finanzpolster zu haben, um im günstigsten Fall die Beilegung aller ausstehenden Rechtsstreitigkeiten finanzieren zu können. Schon im Jahr 2020 war es gelungen, 114 000 Klagen für eine Summe von etwa 13 Milliarden Euro beizulegen oder für unzulässig erklären zu lassen. Nun sind noch Verfahren mit etwa 67 000 Klägern offen. Und das Management scheint wild entschlossen zu sein, die Rechtsstreitigkeiten in näherer Zukunft um jeden Preis zu beenden.

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Gerichtsfälle kosten Bayer Milliarden. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Bayer-Chef Bill Anderson ist dabei, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um bis im Jahr 2026 deutliche Fortschritte bei der «Eindämmung» des Problems erzielt zu haben – wie er ankündigte. Noch in diesem Jahr wird eine Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof der USA erwartet, die dann in der Sitzungsperiode 2025-2026 abgeschlossen werden könnte. Bayer hofft, dass dies ein Ende der derzeitigen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Bundesstaaten über die Kennzeichnung von Roundup herbeiführen könnte.

Im juristischen Erfolgsfall könnte Bayer Rückstellungen in Höhe von sechs Milliarden Euro für finanzielle Eventualitäten in Zusammenhang mit den ausstehenden «Glyphosatfällen» auflösen. Falls der Konzern scheitert, müsste er kostspieligere Kniffe ergreifen, für die er auf die Unterstützung der Aktionäre zurückgreifen würde.

Risiken ausgliedern und in den Konkurs schicken?

Die erste Variante wäre der so genannte «Texas-Two-Step-Trick». In diesem Rahmen würde Bayer die Verbindlichkeiten von Monsanto in ein separates Unternehmen auslagern und dieses dann einfach in den Konkurs gehen lassen. Das texanische Gesellschaftsrecht wäre in diesem Fall günstig, weil es Firmen die nötige juristische Flexibilität für solche Aufspaltungen bietet. Allerdings hängt alles von den Besonderheiten des jeweiligen Falles ab. Der Arzneimittelhersteller Johnson & Johnson zum Beispiel kämpft schon seit Jahren darum, Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit dem Verkauf von in Verruf geratenem Talkumpuder auf diese Weise zu lösen.

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Nach der Übernahme von Monsanto ging es an der Börse nur noch abwärts. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Damit bleibt ein zweiter Anlauf für einen Massenvergleich über die derzeit verbliebenen Ansprüche. Das Problem ist nur, dass auf diese Weise neue Klagen in der Zukunft nicht völlig ausgeschlossen werden können. Es bliebe also eine Ungewissheit bestehen. Vielleicht können die Anwälte von Bayer in nächster Zeit einen juristischen Kniff finden, um künftige Rechtsstreitigkeiten im Voraus zu regeln. Sonst müsste der Konzern das Risiko weiterer Rechtsstreitigkeiten in Kauf nehmen und annehmen, vorerst nur den grössten Teil, aber eben nicht alle Probleme endgültig gelöst zu haben.

Jubeln am Ende die gierigen Hedge-Funds-Manager?

Falls der fiese Trick gelingen sollte, die Monsanto-Probleme in eine eigene Firma auszugliedern und diese dann in den Konkurs zu schicken, würden die Kläger und ihre Anwälte möglicherweise leer ausgehen. Dagegen würden Hedge-Funds-Investoren jubeln, die heute das Bayer-Aktionariat weitgehend dominieren. Denn sie spekulieren darauf, dass sich der Wert des deutschen Konzerns an der Börse mindestens verdoppeln würde, wenn er das Glyphosat-Risiko loswerden könnte. Letztlich stehen also die Interessen der Roundup-Kläger gegen die der bösen Spekulanten.


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Zum Infosperber-Dossier:

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Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

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