Politischer Wein
Vor mehr als zwei Jahren hat Ron Ganzfried aus Wabern BE die Behörden auf Weine aufmerksam gemacht, die unter anderen das Berner Warenhaus Loeb verkauft. Ganzfried, Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweiz – Palästina, hatte sich am Wein der «Golan Heights Winery» gestört. Denn auf der rückseitigen Etikette steht: «Wine of Israel».
Die Bezeichnung «Wine of Israel» ist für Wein von den Golanhöhen verboten. Denn die Golanhöhen gehören nicht zu Israel. Israel hat das Gebiet im Sechstagekrieg vom Juni 1967 erobert und hält es seit mittlerweile 56 Jahren besetzt.
Aus besetzten Gebieten
Vor drei Jahren bekräftigte der Bundesrat auf eine Interpellation des vormaligen SP-Ständerrat Carlo Sommaruga: «Die Schweiz anerkennt den Staat Israel auf der Grundlage der Grenzen vor dem Sechstagekrieg. Sie hat immer darauf hingewiesen, dass die von Israel kontrollierten oder annektierten Gebiete ausserhalb der Grenzen von 1967 (besetzte Palästinensergebiete und Golanhöhen) gemäss humanitärem Völkerrecht als besetzte Gebiet betrachtet werden.»
Der Bundesrat hielt auch unmissverständlich fest: «Nach dem Lebensmittelrecht dürfen Produkte aus den durch Israel besetzten Gebieten nicht mit der Herkunft Israel bezeichnet werden.»
Noch immer in den Regalen
Doch warum steht der Wein trotzdem noch in den Regalen? Das möchte Ron Ganzfried auch gerne wissen. Er hat den Wein dem Kantonalen Labor, das für den Vollzug der Lebensmittelgesetze verantwortlich ist, gemeldet. Er sagt: «Ich habe das Kantonale Labor seit Frühling 2021 mehrmals angerufen. Ich wurde recht eigentlich abgewimmelt.»
Gegenüber der Berner Zeitung, die den Fall publik machte, äusserte sich das Kantonale Labor in Bern nicht zum Fall – aus Datenschutzgründen, wie es hiess. Infosperber weiss jedoch: Der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin reichte den Fall an seinen Zürcher Kollegen Martin Brunner weiter. Denn importiert wird der Wein von der Firma Schmerling in Adliswil ZH. Deshalb kümmert sich das Kantonale Labor in Zürich darum.
Martin Brunner teilte dem Infosperber zwar mit: «Wie Sie sicher wissen, sind uns Auskünfte über unsere Vollzugsmassnahmen betreffend konkreten Lebensmittelbetrieben und Sachverhalten untersagt.»
Bald neue Etiketten
Aber offenbar hat der Zürcher Kantonschemiker die Firma Schmerling angewiesen, künftig nicht mehr Wein aus den Golanhöhen mit der Aufschrift «Wine of Israel» zu verkaufen. Restbestände dürfen aber noch verkauft werden.
Jedenfalls bestätigt der Importeur Schmerling: «Wir haben uns anlässlich des Kontaktes mit dem Kantonalen Labor Zürich abgesprochen und werden die Etiketten entsprechend anpassen lassen. Das wurde bereits so aufgegleist, wird aber natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen.»
Und die Website?
Trotz neuer Etiketten – das nächste Problem zeichnet sich bereits ab. Schmerling verkauft den Wein nämlich nicht nur über Läden, sondern auch direkt auf der Website israelweine.ch. Auch das ist — wie sich aus dem Mail des Zürcher Kantonschemikers Martin Brunner herauslesen lässt — nicht zulässig. Die Haltung des Bundesrats, so schreibt Brunner, gelte nämlich «nicht nur für die Kennzeichnung der Produkte selbst, sondern auch für deren Anpreisungen in Prospekten und auf Websites».
Das heisst: Der Verkauf von Weinen aus besetzten Gebieten auf der Website israelweine.ch ist nicht zulässig. Schmerling hingegen will den Wein «mit korrekter Herkunftsbezeichnung» weiterhin auf israelweine.ch verkaufen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Bern – glückliche Stadt, die keine gravierenderen Probleme kennt als dieses.