Nestlé-Mineralwasser: Die französische Regierung wusste alles
Die französische Regierung wusste, dass Nestlé seit mehreren Jahren bei der Behandlung seiner Mineralwässer Perrier und Hépar betrogen hat: Das ergaben laut «Le Figaro» die Abklärungen des Untersuchungsausschusses des Senats zur Nestlé-Mineralwasser-Affäre. So war den Behörden offenbar bekannt, dass es in einigen Quellen bakteriologische und sogar virologische Verunreinigungen gab, sagte der zuständige Senator Alexandre Ouizille.
Der Untersuchungsausschuss wollte eigentlich auch den zurückgetretenen Generalsekretär des Élysées, Alexis Kohler, zur Sache anhören. Doch dieser lehnte unter Berufung auf die Gewaltenteilung zwischen Senat und Regierung ab. Anstelle von Kohlers Anhörung präsentierte der Ausschuss 74 Seiten Dokumente, die den regen Austausch zwischen Nestlé und der Regierung belegen: Nestlé konnte im Elysée ungehindert lobbyieren. «Der Präsident der Republik (Emmanuel Macron, die Red.) öffnete dem Schweizer Konzern die Türen einiger Ministerien», sagte Alexandre Ouizille. Er habe gewusst, dass dies zu einer Verzerrung des Wettbewerbs mit anderen Mineralwasserherstellern führte.
Der Austausch und die Treffen zwischen Nestlé und den Behörden fanden von 2022 bis Ende 2024 statt. 2022 soll gemäss den Dokumenten, die dem Ausschuss vorliegen, ein Treffen zwischen Alexis Kohler und dem damaligen Nestlé-Chef Mark Schneider stattgefunden haben. Am 10. Oktober 2024, als der Antrag für einen Untersuchungsausschuss im Senat bereits vorlag, empfing der Generalsekretär des Élysées den neuen Generaldirektor von Nestlé, Laurent Freixe, in Begleitung von Muriel Lienau, der Präsidentin von Nestlé-Waters. Am 14. Oktober 2024 rief Nicolas Bouvier, ein Lobbyist von Nestlé-Waters, das Sekretariat von Alexis Kohler an, nachdem dieser Laurent Freixe zugesichert hatte, dass er die richtigen Kontakte in den Ministerien vermitteln würde.
Nestlé-Chef «bedauert»
Als der Nestlé-Chef Laurent Freixe vor dem Untersuchungsausschuss angehört wurde, sagte er: «Im Namen des Nestlé-Konzerns möchte ich nochmals mein tiefstes Bedauern über diese Situation in der Vergangenheit zum Ausdruck bringen, die nicht im Einklang mit den Werten unseres Konzerns stand.» Nestlé-Waters habe alles getan, um den beanstandeten Praktiken
ein Ende zu setzen.
Nestlé hat bei einem Teil seiner Mineralwässer (Perrier, Hépar, Contrex, Vittel) das Quellwasser verbotenerweise gefiltert, wenn es verunreinigt war, und es dann trotzdem als natürliches Mineralwasser verkauft. Wegen solcher Praktiken bei der Vittel-Quelle in den Vogesen schloss Nestlé-Waters im September 2024 einen Vergleich. Damit vermied das Unternehmen ein Gerichtsverfahren und zahlte zwei Millionen Euro Busse.
Ethos kündet Widerstand an
Für die Aktionärsvereinigung Ethos ist das der Grund, dass sie an der kommenden Generalversammlung vom 16. April 2025 dem Verwaltungsrat keine Entlastung erteilen will. «Nestlé liefert seinen Aktionärinnen und Aktionären weder im Jahresbericht noch in der Jahresrechnung Informationen zu diesem Vorfall», erklärt Vincent Kaufmann, Direktor der Ethos Stiftung.
Ethos empfiehlt den Nestlé-Aktionärinnen und -Aktionären ausserdem, die für 2026 vorgesehenen 70 Millionen Franken Honorar für die Geschäftsleitung abzulehnen. Wie im Vorjahr will sie auch den Nachhaltigkeitsbericht 2024 nicht genehmigen. Der Grund: Die jüngsten Skandale um gefiltertes Wasser und Buitoni-Pizzas würden darin mit keinem Wort erwähnt.
Nestlé muss möglicherweise Perrier-Quelle schliessen
Hydrogeologen raten davon ab, dass Nestlé seine Perrier-Quellen in Vergèze im Département Gard weiter nutzt, wie «Le Figaro» gemeldet hat. Nestlé-Waters behauptet, dass das Unternehmen den Betrieb umgestalten wolle, um «die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und gleichzeitig die Lebensmittelsicherheit ihrer Produkte zu wahren». Bis 2021 hatte Nestlé das Wasser unerlaubterweise behandelt. Die regionalen Gesundheitsbehörden müssen über den Weiterbetrieb der Anlage in Vergèze entscheiden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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