Militärausgaben erreichen neuen Höchstwert
Red. – Heinrich Frei, der Autor dieses Beitrags, ist Mitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein. Er hat die Zahlen des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung für Infosperber zusammengefasst.
_____________________
Allein die USA gaben letztes Jahr 916 Milliarden US-Dollar fürs Militär aus, China schätzungsweise 296 Milliarden und Russland mutmasslich 109 Milliarden US-Dollar. Das geht aus dem aktuellen Jahrbuch des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung (Sipri) hervor. Zum Vergleich: Die weltweiten Rüstungsausgaben des einen Jahres 2023 sind 67-mal höher als die Beiträge, die das Welternährungsprogramm für den Zeitraum von 2021 bis 2024 erhielt.
Sipri erforscht gewaltsame Konflikte, Sicherheit und Frieden. Zentraler Forschungsschwerpunkt ist die Datenerhebung zum globalen Waffenhandel, zu staatlichen Rüstungsausgaben sowie zu Abrüstungsfragen. Das Sipri Jahrbuch 2024 gibt einen Überblick über Entwicklungen im Bereich der internationalen Sicherheit, Waffen und Technologie, Militärausgaben, Rüstungsproduktion und -handel sowie über bewaffnete Konflikte und Konfliktmanagement.
Hinsichtlich der im Westen gefürchteten russischen Bedrohung ist festzustellen, dass im Jahr 2023 die Rüstungsausgaben der Nato mit 1341 Milliarden US-Dollar etwa zwölfmal höher waren als jene Russlands.
In nur einem Jahr 200 Milliarden Dollar mehr für das Militär
Die 55. Ausgabe des Jahrbuchs zeigt auch, wie stark die weltweiten Ausgaben für das Militär in den letzten Jahren zugenommen haben:
Jahr | Ausgaben in US-Dollar |
---|---|
2005 | 1443 Milliarden |
2021 | 2164 Milliarden |
2022 | 2242 Milliarden |
2023 | 2443 Milliarden |
Weltweite Kriegsmaterialexporte von 2019 bis 2023
Zwischen 2019 und 2023 waren die USA der grösste Exporteur von Grosswaffen mit einem Anteil von 42 Prozent, gefolgt von Frankreich und Russland mit je 11 Prozent. Die Schweiz steht in dieser Liste mit einem Anteil von 0,5 Prozent an 15. Stelle.
Firmen und Länder, die Kriegsmaterial produzieren
Das Sipri hat zudem die 100 wichtigsten Rüstungs- und Militärdienstleistungsunternehmen der Welt dokumentiert (hier die ausführliche Liste). Die fünf grössten davon sind in den Vereinigten Staaten von Amerika beheimatet. Sie produzieren die ganze Palette von Waffen: Kampfjets, Panzern, Raketen, Drohnen, Helikoptern, konventionellen und nuklearen Bomben, Munition, Satelliten, Kriegsschiffe, Unterseebooten, Minen usw.
Firma | Rüstungsumsätze im Jahr 2022 in US-Dollar |
---|---|
Lockheed Martin Corp. | 59,39 Milliarden |
Raytheon Technologies | 39,57 Milliarden |
Northrop Grumman Corp. | 32,3 Milliarden |
Boeing | 29,3 Milliarden |
General Dynamics Corp.* | 28,32 Milliarden |
BAE-Systems, Grossbritannien | 26,9 Milliarden |
Norinco, China | 22,06 Milliarden |
Avio, China | 20,62 Milliarden |
Casc, China | 19,56 Milliarden |
Rostec, Russland | 16,81 Milliarden |
CETC, China | 15,08 Milliarden |
L3 Harris Technologies, USA | 12,63 Milliarden |
Leonardo, Italien | 12,45 Milliarden |
Airbus Trans European | 12,09 Milliarden |
Casic, China | 11,77 Milliarden |
CSSC, China | 10,44 Milliarden |
Thales, Frankreich | 9,42 Milliarden |
HII, USA | 8,75 Milliarden |
Leidos, USA | 8,68 Milliarden |
Amentum, USA | 6,56 Milliarden |
… | |
Rheinmetall, Deutschland | 4,55 Milliarden |
Zwanzig Firmen, die Atomwaffen herstellen
Am Jahresanfang 2024 waren laut Sipri neun Staaten im Besitz von schätzungsweise 12’121 Nuklearwaffen. 9585 erachtete das Sipri als «potenziell einsatzbereit». Etwa 2100 Atomsprengköpfe – 100 mehr als im Jahr zuvor – seien in einem Zustand «hoher operativer Alarmbereitschaft» gewesen.
Israel halte an seiner langjährigen Politik der «nuklearen Uneindeutigkeit» fest, so dass «erhebliche Unsicherheit» über die Anzahl und die Eigenschaften seiner Nuklearwaffen bestehe, so das Sipri.
Immerhin hat die Zahl der verfügbaren nuklearen Sprengköpfe seit 2005 abgenommen von circa 16’000 auf rund 12’000 – allerdings würde bereits ein Bruchteil dieses Bombenarsenals genügen, um die Erde für Menschen unbewohnbar zu machen. Ein Atomkrieg könnte auch durch einen Unfall oder eine technische Panne ausgelöst werden. Selbst ein «begrenzter» Atomkrieg mit «nur» hundert explodierten Sprengköpfen würde zu einem nuklearen Winter führen, gefolgt von weltweiten Hungersnöten.
Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) dokumentierte 2018 die zwanzig Firmen, die Atomwaffen herstellen. Sie zeigt auch, dass Schweizer Banken in den letzten Jahren auch in ausländische Rüstungskonzerne investierten, die an der Atomwaffenproduktion beteiligt sind. Laut dem Kriegsmaterialgesetz ist die «direkte und indirekte Finanzierung» von verbotenem Kriegsmaterial nicht erlaubt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen-Minen.
Dan Smith, der Direktor des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung, schrieb in seinem Jahresrückblick 2023: «Die Welt hat mit einer Vielzahl von Herausforderungen zu kämpfen, darunter mit über 50 bewaffneten Konflikten im Jahr 2023.» … «Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine nimmt kein Ende, und der israelisch-palästinensische Konflikt ist eskaliert.» … «Der Bürgerkrieg im Sudan führte zu tausenden Toten und Millionen Vertriebenen durch die Kämpfe.» … «Wenn wir die weltweite Lage des Jahres 2023 betrachten, werden wir mit einer Realität konfrontiert, die allzu viele von uns als entmutigend empfinden.»
Abermilliarden für die Rüstung, aber zu wenig Geld für Hungernde
117 Millionen Menschen sind heute weltweit auf der Flucht, schätzt ein neuer Bericht der UNO. Viele dieser Frauen, Männer und Kinder mussten infolge von Kriegen fliehen. 68,3 Millionen gelten als Binnenflüchtlinge. Sie waren gezwungen, ihre Häuser und Gemeinden zu verlassen, befinden sich aber noch innerhalb der Grenzen ihres Herkunftslandes. Diese Zahl entspricht der gesamten Bevölkerung von Grossbritannien.
Die Flüchtlinge wären auf Hilfe angewiesen, die aber allzu oft ausfällt. Das Welternährungsprogramm verfügt über viel zu wenige Mittel, um die Erdenbürger zu versorgen, die durch den Hunger und durch Kriege betroffen sind.
Jährlich sterben weltweit etwa neun Millionen Menschen an Hunger
Nach einem jahrzehntelangen Rückgang und fünf Jahren relativer Stabilität seit 2014 ist der Anteil der unterernährten Menschen weltweit seit 2020 wieder gestiegen. So waren im Jahr 2022 laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzungsweise 9,2 Prozent der Weltbevölkerung von Hunger betroffen. In absoluten Zahlen hungerten im Jahr 2022 zwischen 691 und 783 Millionen Menschen auf der Welt.
Dies betrifft nicht allein arme Länder in Afrika. Auch in den USA haben Menschen nicht genug zu essen: Laut dem «British Medical Journal» gaben 2022 dort 17,4 Prozent der Haushalte mit Kindern an, von Ernährungsunsicherheit betroffen zu sein – während die Regierung gleichzeitig Hunderte von Milliarden für die Rüstung ausgab.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Heinrich Frei ist Mitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Zum Zahlenwerk fällt mir nur ein, was Walter Benjamin zum Fortschritt bemerkte:
Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.
Für den Gesamtbetrag muss eine alte Frau aber ganz schön lange stricken…
Bei 4.000 Atomsprengköpfen ist es bedauerlich, das neben der «Krone der Schöpfung» alle unschuldigen Lebewesen mit zu Asche werden.
Ist dies Teil vom «Green Deal», damit die EU bis 2050 klimaneutral wird ? 😉
In Europa und Amerika stelle ich eine richtiggehende Kriegssehnsucht fest, im Irrglauben, Krieg sei etwas theoretisches, das man in der gemütlichen Stube in der Tagesschau geniessen kann.
Das man selber davon betroffen sein kann (z.B. Gaza), klammern die meisten aus. Es gibt Thesen, wonach nur 10% der Weltbevölkerung einen (erwünschten) Atomkrieg überleben würde und erst dann wäre wieder eine nachhaltige, klimaneutrale Lebensweise möglich.