zanderbassin

Fischzucht im Stall: In mehreren Wasserbecken werden die Zander grossgezogen © SRF

Zander aus dem Schweinestall

Billo Heinzpeter Studer /  Bauern wird ein neuer Nebenerwerb versprochen: Sie sollen nebenbei auch Edelfische züchten. Doch dazu fehlt ihnen das Know-how.

Im Kanton Luzern sind bereits zwei Schweinezüchter in die Zander-Produktion eingestiegen. In ihren Ställen haben sie Fischzucht-Anlagen gebaut, die aus mehreren Bassins bestehen. Dort drehen die Zander ein Jahr lang ihre Runden bis sie schlachtreif sind. In einem kurzen Filmbeitrag berichtete SRF in der Sendung «Schweiz aktuell» über den neuen Erwerbszweig für Landwirte. Die Fischzucht im Schweinestall mag für manche Bauern ein willkommener Nebenerwerb sein, aus Sicht des Tierschutzes wirft die Zander-Produktion jedoch Fragen auf.
Lücken in der Verhaltensforschung
Bauern sind in manchen Dingen ausgebildet, unter anderem in der Haltung und Mast von Landtieren. Für die Haltung von Wassertieren wurden sie im Lauf ihrer Ausbildung nie geschult. Der in der Schweiz obligatorische Kurs für Fischhalter ist – zumindest bis jetzt – eher eine Schnellbleiche.
Wer Tieren gerecht werden will, muss wissen, was ihrer Art eigen ist. Was wissen Bauern von den natürlichen Bedürfnissen einer bestimmten Fischart? Gar nichts – wie sollten sie auch: Sogar professionelle Fischzüchter wissen das eigentlich nicht. Denn die dafür zuständige Wissenschaft, die Verhaltensbiologie, hat über Fische bis heute wenig geforscht.
Die Fischzucht-Industrie wächst seit Jahrzehnten um bis zu neun Prozent jährlich. Doch noch immer fehlen Studien über das Verhalten von Fischen, vor allem in deren natürlichem Lebensraum. Solche Studien vermisst man sogar bei sehr häufig gezüchteten Arten wie zum Beispiel den Buntbarschen. Wie kann ein Züchter wissen, ob es seinen Fischen gut geht, wenn nicht bekannt ist, was diese Fische bräuchten, damit sie ihrer Art und ihren Bedürnfisse gemäss leben können?
Kaum Vorgaben für Fischzuchten
Die Bewilligung von Fischzuchten in der Schweiz gleicht der Fahrt auf der Autobahn mit verbundenen Augen. Das zuständige Bundesamt kümmert sich seit jeher kaum um die Fische. Selbst nach dem Skandal um die rechtswidrige Schlachtung in der Wels-Fabrik «Melander» im Jahr 2009 fühlte sich das Bundesamt nicht bemüssigt, endlich in Sachen Fischwohl tätig zu werden. Die Beamten argumentierten damals gegenüber dem Verein fair-fish, sie hätten schon alle Hände voll zu tun mit beissenden Hunden und dem Auslauf von Rindvieh. In Köpfen gezählt sind Fische aber das häufigste in der Schweiz gehaltene Tier!
Die seit 2008 geltende Tierschutzverordnung nennt für die Zucht und die Haltung von Fischen nur ein paar magere und large Vorschriften. Einzig für Forellen- und Karpfenartige enthält die Verordnung halbwegs genauere Bestimmungen. Für alle andern Arten, die in der Schweiz gezüchtet werden, gibt es keine besonderen Vorschriften – auch nicht für Zander.
Fisch ist Fisch – Irrtum!
Die einzelnen Fischarten sind in ihrer Biologie, in ihrem Verhalten und in ihren Bedürfnissen sehr verschieden. Was für eine Forelle passen mag, muss dem Zander überhaupt nicht frommen. Auf welcher Grundlage die Luzerner Schweinezüchter und die zuständigen Vollzugsbehörden eine tierschutzkonforme Zucht von Zander bewerkstelligen wollen, bleibt vollkommen schleierhaft. Der Raubfisch Zander lebt vorzugsweise in der Tiefe von ruhigen oder langsam fliessenden Gewässern. In den untiefen Rundstrombecken bei Entlebucher Bauern müssen die Zander im Schwarm auf engem Raum leben, sind einer stetigen Strömung ausgesetzt und dadurch immer in Bewegung. Ob die Fische das wollen? Das müsste erst erforscht werden. Und erst aufgrund solcher Forschung dürften Anlagen für die Fischzucht überhaupt bewilligt werden.
fair-fish erarbeitet Grundlagen
Um herauszufinden, welche Haltung einer Fischart gerecht wird, recherchiert der Verein fair-fish international nach verstreuten ethologischen Erkenntnisses über Fische und fasst sie in einer Datenbank zusammen. Auf dieser wissenschaftliche Basis entwickelt fair-fish konkrete Empfehlungen, wie Züchter das Wohl der Fische verbessern können – und macht deutlich, wo weitere Forschung nötig ist. Gleichzeitig bereitet der Verein fair-fish Schweiz eine Kampagne für Tierschutz in Fischzuchten vor und ist bereit, zusammen mit Fischzüchtern Richtlinien für artgerechte Fischhaltung zu entwickeln.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Präsident von fair-fish international, Co-Präsident von fair-fish Schweiz und Beirat von Friend of the Sea.

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8 Meinungen

  • am 15.09.2014 um 15:39 Uhr
    Permalink

    Der Anstz zu dieser Art von Diversifikation ist erfreulich. Natürlich muss da noch einiges an Verbesserungen her

  • billo
    am 16.09.2014 um 14:06 Uhr
    Permalink

    Herr Joris scheint ein Anhänger der Methode zu sein, das Pferd jeweils am Schwanz aufzuzäumen. Vernünftige Menschen mache es umgekehrt: sie erarbeiten zuerst eine Lösung für ein zu erwartendes Problem sowie einen Plan B für den Fall, dass es nicht klappt. Auch ein Bauer muss so handeln, egal, welche Diversifikation er ins Auge fasst. Von der Öffentlichkeit zu erwarten, dass sie die Augen bei der Nutztierhaltung noch mehr zudrückt, ist nun wirklich unrealistisch.

  • am 16.09.2014 um 18:03 Uhr
    Permalink

    Herr Studer,
    Die Zuchtversuche haben gezeigt, dass sich Zander sehr gut züchten lässt. Die Methode in den kreisrunden Becken hat sich bereits bewährt und wird in Raron (VS) bereits produktiv betrieben und in Leuk-Susten ist eine Anlage dazu im Bau.
    Das Verfahren und sdie notwendigen Anlagen können durchaus auch in ehemaligen Schweinemastbetrieben installiert werden. Die Standards zu Besatzdichte und Wasserhygiene sind vom BafU und vom BafL bereits geprüft und zu einem guten Teil auch homologiert worden.
    Die Tierquälerei ist in der konventionellen Schweinemast m.E. um einiges arger als bei der Zandeermast. Auch die Zuchtlachse in Chiles Fjorden, die jeweils an Weihnachten hektotonnenweise hier verquantet werden, sind wesentlich tierUNgerechter und eine oekologische Katastrophe ; die künftigen Thunfischzuchten in durch die hohe See geschleppten Riesenreusen sind im Quälpotential vergleichbar mit der Zuchtlachsquälerei.
    So viel zu meinem Pferdeschwanz

  • billo
    am 16.09.2014 um 18:31 Uhr
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    Sie argumentieren im Kreis herum, Herr Joris. Nur weil andere Zuchten schlimm sind, werden die kleinen Fischzuchten in Bauernhöfen nicht besser.
    Ihre Aussage, dass Zander sich «sehr gut züchten lassen», bezieht sich auf Zuwachs, Futterverwertung usw., aber offensichtlich nicht aufs Fischwohl – oder wissen Sie mehr als die Wissenschaft?
    Auf die «Prüfung» der Anlagen durch Bafu (das von Tierschutz in Fischzuchten nichts versteht) und vom BafL (das von Fischzucht nichts versteht und Tierschutz in der Landwirtschaft stets nur widerstrebend beachtet hat) geb ich gar nichts. Mit den «Standards», von denen Sie reden, meinen Sie wohl die Tierschutzverordnung – die enthöält aber eben gerade KEINE Bestimmungen über Besatzdichte und Wasserparameter bei Zandern!
    Warum verteidigen Sie die bäuerliche Fischmast? Partizipieren Sie etwa an den (für die investierenden Bauern doch eher fraglichen) Gewinnen?

  • billo
    am 16.09.2014 um 19:25 Uhr
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    Und was die Egli-Zuchtanlage in Raron betrifft: die wird von Leuten geleitet, die in Sachen Aquakultur hoch qualifiziert sind, keine Schnellbleiche-Fischmäster.
    (Von Zanderzucht im produktiven Stil in Raron ist mir allerdings nichts bekannt.)

  • billo
    am 17.09.2014 um 07:30 Uhr
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    Wie soll man mit einem Mann diskutieren, der unredlich argumentiert?
    Die Rede war nicht von städtischen Tierschützern versus Bauern, sondern von Fischmast im Nebenerwerb bei Bauern versus Fischhaltung bei hierfür seriös ausgebildeten Fachleuten.
    Und die laut Joris «in Raron bereits produktiv betriebene» Zucht von Zandern ist nichts weiter als ein Bauplan.
    Ich werde daher auf künftige Auslassungen dieses unzuverlässigen Diskutanten nicht mehr eingehen.

  • am 17.09.2014 um 10:42 Uhr
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    Herr Studer,
    wer hat den zu Beginn gleich disqualifizierend argumentiert. Wer hat mir denn beim zweiten Einwurf rhetorisch fragend gleich irgendwelche persönlichen materiellen Interessen unterstellt. Da darf ich dann wohl einem Winterthurer Fischverehrer wohl auch landlebenfremde Schwärmereien unterstellen.
    Ich argumentiere zudem nicht unredlich.
    Vieh- und Schweinebauern brauchen sich keine umfassende Fischzuchtkenntnisse von Grund auf zertifizieren lassen; die Grundsätze der Aufzucht und der Tierhygiene kennt er schon von seinem Beruf. Den Betrieb von Becken, die heute in +/- standardisierter Form ab Stange erhältlich sind und einiges an fischspezifischem Neuerwerb von Kenntnissen reichen durchaus.
    Zu dem was sie am BafU und am BafL bemängeln, bin ich der falsche Adressat; ich halte mich aber an deren Vorgaben wie der neue Fischzüchter im Schweinestall. Da braucht man nicht noch extra bei einem selbst ernannten Fischschützer den – zu bezahlenden? – Segen zu holen .

    Beim Zander von Raron war ich in der Tat voreilig – sie sind aber schon weiter als der Artikel in 1815.ch

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