Avocado-Plantage FRONT

Avocadoplantage © pixabay

Unser Avocado-Konsum bringt Marokkaner um ihre Lebensmittel

Susanne Aigner /  Für den Avocado-Anbau wird extrem viel Wasser benötigt. Dieses fehlt zur Produktion von Weizen, Gerste, Mais, Hirse und Gemüse.

Mohammed Derkaoui bewirtschaftet im Norden Marokkos eine zehn Hektar grosse Plantage mit 1’300 Avocado-Bäumen im biologischen Anbau. Das Wasser für seine Bäume entnimmt der Bauer über einen dreissig Meter tiefen Brunnen aus dem Grundwasser. Es wird über Schläuche zu den Bäumen gepumpt, wo es rund um den Stamm tröpfchenweise in die Erde sickert. Zwar verbrauche er viel kostbares Wasser, doch mit Avocados verdiene er viel mehr Geld im Vergleich zu Getreide, sagt der Bauer.

Für ein Kilo Avocados (etwa fünf Früchte) werden im Schnitt 1’000 bis 1’500 Liter Wasser benötigt – etwa acht Mal so viel wie für ein Kilogramm Kartoffeln. Besonders in trockenen Regionen mit geringen Wasserreserven ist dieser hohe Wasserbedarf für eine Exportfrucht schwer zu rechtfertigen. Denn für den Anbau wird genau das Trinkwasser verbraucht, das Menschen, Tiere und Pflanzen vor Ort zum Überleben benötigen.

Auch in gut bewässerten Regionen sei der Grundwasserspiegel durch wasserintensiven Anbau gefährdet, erklärt Wirtschaftswissenschaftler Najib Akesbi von der Universität in Rabat. Angesichts der katastrophalen Schäden an Mensch und Natur durch Avocado-Anbau, wie es gerade in Chile und Mexiko geschieht, müsse Marokko seine Agrarpolitik überdenken, warnt die marokkanische Journalistin Iman Bellamine.

Von Oktober bis Ende Dezember letzten Jahres exportierte das Land 42’000 Tonnen Avocados. Bereits im Vorjahreszeitraum lag der Export bei 40’000 Tonnen im Wert von 120 Millionen Dollar. Die diesjährige Ernte wird auf etwa 90’000 Tonnen geschätzt, wobei mindestens 80’000 Tonnen exportiert werden. Nur rund zehn Prozent davon werden am heimischen Markt verkauft. Um seinen Platz am Weltmarkt zu festigen, will das Land den Avocadoanbau nun noch weiter ausweiten. Das marokkanische Unternehmen Export Optimum plant die Produktion bis 2027 auf 100’000 Tonnen zu verdreifachen.

Avocado-Anbau verschärft Konkurrenz um Wasser

Der Anbau von Weizen, Gerste, Mais, Hirse, Reis und Gemüse ist in Marokko stark von künstlicher Bewässerung abhängig. Rund achtzig Prozent des vorhandenen Wassers wird für die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen verwendet. Von dem einen Viertel des fruchtbaren Bodens, der bewässert wird, stammen 65 Prozent der gesamten monetären Pflanzenproduktion.

Die jährliche Wasserentnahme hat in den letzten 25 Jahren massiv zugenommen – gleichzeitig nahmen die Wasserreserven ständig ab. Registrierte das Ministerium für Infrastruktur und Wasser im September 2023 noch 1,5 Milliarden Kubikmeter Wasser als Reserve, waren es im Januar 2024 nur noch 500 Millionen Kubikmeter.

Eine knapper werdende Wasserversorgung würde das Niveau der landwirtschaftlichen Produktion stark senken. Bei der Produktion und bei der Vermarktung von Exportfrüchten käme es zu grossen Einnahmeverlusten.

Verdursten und verdienen – wie importierte Technik Probleme lösen soll

In den letzten Jahren kämpfte Marokko mit extremer Trockenheit. Die Hitzewellen führten in verschiedenen Provinzen zu Waldbränden und zerstörten zehntausende Hektar Wald. Während einer sechsjährigen Dürre liessen viele Landwirte ihre Felder brach liegen. Die eigene Getreideproduktion sank um 60 Prozent und zwang das Land dazu, Getreide zu importieren.

Angesichts der Notlage forderte die Initiative Umwelt Marokko 2050 die Regierung auf, den Anbau von Wassermelonen und Avocados zu stoppen. Tatsächlich verzeichnet die Produktion von wasserintensiven und exportorientierten Kulturen wie Avocados, Gurken und Wassermelonen ein Rekordhoch.

Der Staat habe eine Strategie entwickelt, um der Wasserknappheit zu begegnen, erklärt Mustapha Laissate, Umweltforscher aus Rabat. Er will den Anbau von wasserintensiven Kulturen vor allem in Regionen regulieren, in denen Einwohner, Viehzucht und Fabriken um Wasser konkurrieren. Um die Wasserkrise in den Griff zu bekommen, plant die Regierung auf einer Fläche von etwa einer halben Million Hektar oder 60 Prozent der gesamten Ackerfläche moderne Bewässerungssysteme zu installieren. Neben Meerwasserentsalzung und Abwasseraufbereitung macht sich das Land immer stärker abhängig von importierter Wassertechnik.

Dürren und Starkregen gefährden konstante Wasserversorgung

Die Folgen des Klimawandels mit Extremwettern sind in Marokko immer deutlicher zu spüren: Einerseits grassieren lange Dürreperioden, verbunden mit Hitzewellen, andererseits gibt es extreme Regenfälle mit Überschwemmungen.

So wie im September vergangenen Jahres, als es so stark regnete wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die ausgetrockneten Stauseen der Region füllten sich rasant. In der Wüste im Südosten des Landes, normalerweise eines der trockensten Gebiete der Welt, füllten üppige Regenfälle die Grundwasserspeicher wieder auf. Landwirte meldeten wieder Ernteausfälle – diesmal aufgrund des Starkregens. Solche Regenfälle könnten den Verlauf des Wetters in der Region in den nächsten Jahren verändern, weil die Luft mehr Feuchtigkeit speichert, was zu mehr Verdunstung und mehr Stürmen führt, befürchtet Houssine Youabeb von der marokkanischen Generaldirektion für Meteorologie.

Avocado-Boom in Europa

Die Avocado ist in europäischen Küchen als Grundnahrungsmittel angekommen. Laut Eidgenössischer Zollverwaltung stieg der Import in die Schweiz von 7,3 im Jahr 2012 auf 22,5 Millionen Kilo in 2024.Mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen – Omega-3-Fettsäuren, Magnesium und Vitamine – gilt Avocado als sehr gesund. Doch ob verarbeitet oder als Frucht: Avocado aus dem Supermarkt enthält auch importiertes Wasser. Alternativen sind frische heimische Beeren – mit ähnlich gesunden Inhaltsstoffen.


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