Peperoni

Peperoni: Das Europäische Patentamt hat Syngentas umstrittenes Peperoni-Patent bestätigt. © Mike Mozart/flickr/CC BY 2.0

Syngenta behält das Recht, die Natur zu patentieren

Romeo Regenass, Public Eye /  Skandalöser Entscheid: Der Basler Konzern darf eine gewöhnliche Peperoni immer noch als seine Erfindung beanspruchen.

Ein breites Bündnis aus NGOs, Züchter­n und Bauernverbänden hatte gegen ein Peperoni­patent von Syngenta Einspruch eingelegt. Nun hat das Europäische Patentamt diesen abgewiesen. Damit darf der Basler Konzern Peperoni, die resistent gegen die Weisse Fliege sind, weiterhin als seine Erfindung beanspruchen. Dabei hat Syngenta die Resistenz lediglich aus einer wilden Peperoni aus Jamaika in eine kommerzialisierbare Sorte hineingekreuzt.

Die Verhandlung vom 16. Februar 2023 war eine zähe Sache: «Am frühen Nachmittag waren fast alle Patentansprüche Syngentas abgelehnt. Dann haben die Anwälte des Konzerns diese noch während der Verhandlung mehrfach umformuliert. Schliesslich hat die Einspruchsabteilung des Patentamts den juristischen Wortklaubereien stattgegeben und das umstrittene Patent bestätigt», sagt Carla Hoinkes, Expertin für Landwirtschaft und Ernährung bei Public Eye. Sie war bei der rund neunstündigen Verhandlung als Partei dabei. Ihr zufolge ist «der Entscheid der Einspruchsabteilung skandalös, steht er doch im Widerspruch zu allen politischen Entscheidungen der letzten Jahre». Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission, die wichtigen Züchterverbände Europas und zahlreiche Bauern- und Nichtregierungsorganisationen sind sich nämlich einig: Natürliche Eigenschaften und Produkte aus herkömmlicher – also gentechnikfreier – Züchtung sollen nicht patentierbar sein. Und auch der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation (EPO) hat 2017 klargestellt, dass Patente auf Pflanzen aus im «Wesentlichen biologischen» Züchtungsverfahren unzulässig sind.

Rückschlag für die Züchtung

«Dieser Entscheid ist ein grosser Rückschlag, insbesondere für kleinere und mittlere Züchtungsunternehmen», sagt Noémi Uehlinger, Züchtungsverantwortliche bei der Saatgutproduzentin Sativa Rheinau AG, die den Einspruch unterstützt hat. «Wenn natürliche Eigenschaften patentiert und monopolisiert werden, behindert dies unseren freien Zugang zum Zuchtmaterial und somit die Entwicklung neuer Sorten.» Durch diese Patente sind für Züchter*innen um die Jahrtausendwende neue Probleme entstanden. Konnten sie früher davon ausgehen, dass sie bei der Verwendung von alten Sorten oder von wilden Verwandten von Nutzpflanzen aus Genbanken frei mit dem Material züchten konnten, ist dies nun nicht mehr der Fall. Wer heute die wilde Peperoni aus der öffentlich zugänglichen niederländischen Genbank für seine Züchtung benutzt, muss damit rechnen, dass seine neue Sorte unter das umstrittene Patent von Syngenta fällt.

Grotesk lange Dauer des Verfahrens

Dass es neun Jahre dauerte, bis der Einspruch gegen das Patent überhaupt verhandelt wurde, ist ein weiterer Skandal – denn während all dieser Zeit galt Rechtsunsicherheit. Public Eye und Swissaid hatten 2014 das ein Jahr zuvor vom Europäischen Patentamt (EPA) bewilligte Patent EP2140023 gemeinsam mit 30 anderen Organisationen aus 27 Ländern angefochten. Dieses sichert Syngenta die exklusiven Rechte auf Peperoni, die gegen Weisse Fliegen resistent sind. Da die natürliche Insektenresistenz bloss durch gewöhnliche Züchtung aus einer wilden jamaikanischen in eine kommerzialisierbare Peperoni eingekreuzt wurde, handelt es sich aber eigentlich nicht um eine patentierbare Erfindung.

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Wegen der grotesk langen Verfahrensdauer profitiert der Konzern seit fast zehn Jahren vom Patent, das in der Schweiz, Spanien, den Niederlanden, Deutschland und anderen europäischen Ländern rechtskräftig ist. Dabei würde das Patent nach der heutigen Rechtslage gar nicht mehr erteilt. 2020 bestätigte die Grosse Beschwerdekammer des EPA nämlich den Beschluss des EPO-Verwaltungsrats und stellte in einem historischen Grundsatzentscheid klar, dass Pflanzen und Tiere aus konventioneller, also gentechnikfreier Züchtung nicht patentierbar seien. Damit hatte sie auf die jahrelangen Forderungen von NGOs, Züchterverbänden, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission reagiert. Absurderweise gilt dies nach Auffassung der Beschwerdekammer aber nur für Patente, die nach dem 1. Juli 2017 eingereicht wurden. So könnte das EPA in den nächsten Jahren um die 300 hängige Patente gutheissen, die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Einmal erteilt, sind sie noch Jahre gültig und kommerziell nutzbar.

Darunter auch Syngentas Peperonipatent. Dabei erfüllt dieses nach Auffassung der Einsprechenden auch andere Bedingungen zur Patentierung nicht. Eine Resistenz aus einer Pflanze in eine andere zu kreuzen, sei nicht «erfinderisch», sondern züchterisches Alltagsgeschäft, betont Carla Hoinkes. Das Kommerzialisieren einer Insektenresistenz aus einer wilden Peperoni aus Jamaika gar ein Fall von Biopiraterie.

Syngenta hingegen betont die erfinderische Leistung. Gegenüber dem Westschweizer Onlineportal Heidi.News sagte der Konzern, um «eine Erfindung im Pflanzenbereich» zu entwickeln, sei ein Team von Züchter*innen und Wissenschaftler*innen rund zehn Jahre an der Arbeit. Deshalb sei man glücklich darüber, das Patent behalten zu dürfen; das ermögliche, die jahrelange Entwicklung zu finanzieren. Für Carla Hoinkes ist dieses Argument unzulässig: «Dass der Prozess der Kreuzung und Selektion zehn Jahre oder länger dauert, ist der Normalfall und mit Sicherheit kein Kriterium für ein Patent.»

Vertragsstaaten müssen handeln

Leider geht das Problem weit über die Peperoni hinaus. Auch nach dem Erlass neuer Regeln durch den Verwaltungsrat der EPO werden Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt. Wie ein Bericht der Koalition No Patents on Seeds vom Juni 2022 zeigt, hat die Anzahl solcher Patentanträge in den letzten Jahren sogar zugenommen. Saatgutkonzerne nutzen dreist die Lücken im Patentrecht aus, um zum Beispiel Pflanzen mit zufälligen Mutationen oder bestimmte, in der Natur vorkommende Gene und ihre Eigenschaften zu patentieren. Syngenta etwa beansprucht in verschiedenen Patentanträgen Tausende von natürlich vorkommenden genetischen Variationen, die für die Züchtung von Nahrungspflanzen wie Sojabohnen und Mais benötigt werden, um deren Resistenz gegen Pflanzenschädlinge zu verbessern.

Allein im Dezember 2022 erteilte das EPA mindestens vier solche Patente auf Braugerste, Melonen, Tomaten und sogar Löwenzahn. «Deshalb müssen die Vertragsstaaten im EPO-Verwaltungsrat endlich die Regeln präzisieren, um die Tricksereien der Patentanwält*innen zu unterbinden und die Patentierung von Pflanzen und Tieren aus konventioneller Zucht endgültig zu stoppen», sagt Carla Hoinkes. Dazu braucht es klare politische Vorgaben der Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens, darunter auch die Schweiz. Rund 250’000 Mitunterzeichnende und 70 Organisationen aus 18 europäischen Ländern unterstützen diese Forderung der Koalition No Patents on Seeds in einer Petition.

Patent hemmt die Innovation

Derweil macht Syngenta weiterhin Kasse mit dem Patent, das nach dem Entscheid für weitere vier Jahre bestehen bleibt, bevor es abläuft. Wer Peperoni züchtet, darf in dieser Zeit zwar mit der natürlichen Resistenz arbeiten, aber nur für nicht kommerzielle Zwecke. Doch wer kann daran ein Interesse haben? Carla Hoinkes: «Welches Unternehmen will schon in die Entwicklung einer neuen Sorte investieren, wenn es damit rechnen muss, diese am Ende nicht vermarkten zu können, weil sie unter das Patent von Syngenta fällt?»

Dieser Beitrag ist zuerst im Public Eye Magazin Nr. 41 erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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