Statt Tierbeiträge gibt’s Beiträge pro Kuh
Wo Tiere sind, fällt Mist und Gülle an. Dabei entsteht auch das Treibhausgas Ammoniak, und von diesem Gas hat es nach Ansicht der Bundesbehörden in der Schweiz viel zu viel. Die Abschaffung der Tierbeiträge in der Agrarpolitik wurde nicht zuletzt damit begründet, dass damit weniger Anreize entstehen Tiere zu halten, und weniger Tiere auch weniger Emissionen verursachen. Diese Rechnung stimmt allerdings nur bedingt: Bei gleichbleibendem Konsum von Fleisch und Milch fällt das Ammoniak nämlich einfach im Ausland an; die Umweltbelastung wird also nur verlagert. Viel sinnvoller wäre es deshalb nicht die Anzahl Tiere, sondern die Ammoniak-Emissionen pro Tier zu reduzieren. Bei der Schweinemast gibt es das bereits: Dort kann mit einer eiweissreduzierten Fütterung gleich viel Fleisch mit weniger Ammoniakemissionen produziert werden. Dieses Prinzip wollte eine Arbeitsgruppe auch bei den Kühen anwenden. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) bewilligte in der Zentralschweiz und in Graubünden ein entsprechendes Pilotprojekt unter dem Titel «optimierte Milchviehfütterung».
Weg mit den Tierbeiträgen – her mit den Beiträgen pro Kuh
Die Idee an sich war gut – die Umsetzung war es weniger. Die Beiträge für die Ammoniak-Reduktion sind nämlich so hoch, dass sie förmlich Anreize schaffen, möglichst viele Kühe zu halten. Wie so oft liegt der Teufel im Detail. Es fängt schon bei der Basis für die Berechnung an: Als Indikator für die Ammoniak-Emissionen einer Kuh dient der Harnstoffwert in der Milch. Damit es zu einer Auszahlung kommt, muss der Harnstoffwert tiefer sein als der Durchschnittswert im Jahr 2012. Wer damals schon tiefe Werte (= wenig Ammoniak) hatte, konnte folglich am Projekt gar nicht erst teilnehmen. Nur wer im 2012 hohe Werte hatte, konnte profitieren und erhielt für jedes Milligramm Harnstoff weniger im Milchtank 75 Franken pro Milchkuh und Jahr.
Der Harnstoffwert wurde gewählt, weil er einen Proteinüberschuss im Pansen anzeigt. Allerdings lässt sich der Harnstoffwert mit der Zufütterung von viel Getreide oder (überwiegend importiertem) Luzerne-Heu relativ einfach und schnell senken. Die Werte verändern sich innerhalb von 24 Stunden. Damit besteht die Gefahr, dass die Werte gezielt auf den Zeitpunkt der Harnstoffmessung hin gesenkt werden. Bei lediglich zwei Messungen pro Monat besteht ziemlich viel Spielraum für hohe Werte in der übrigen Zeit.
Projektstart war 2013. Damals bekamen 130 Bauern durchschnittlich 250 Fr. pro Kuh im Stall ausbezahlt. Ein Tierhalter schaffte es die Werte so stark zu verändern, dass er auf 525 Franken pro Kuh kam. Theoretisch können sogar bis zu 1875 Fr. pro Kuh kassiert werden. Zum Vergleich: Der inzwischen abgeschaffte Tierbeitrag – dem wie erwähnt Anreize für das Halten von möglichst vielen Tieren nachgesagt wurden – lag bei 420 Franken pro Kuh.
Vom Pilotprojekt haben ein paar grosse Milchviehbetriebe tüchtig profitiert: Im Kanton Zug erhielten einzelne Bauern letztes Jahr 67’000 Fr. zusätzlich zu ihren sonstigen Direktzahlungen. Für sie lohnte es sich, möglichst viele Kühe zu halten. Dieses Jahr dürften die Beitragszahlungen des Bundes wohl noch höher ausfallen. Denn unter den Bauern hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man mit relativ einfachen Futterumstellungen viel Geld verdienen kann. Die Mutterkuhhalter gehen dagegen leer aus. Sie können am Pilotprojekt nicht teilnehmen, weil bei ihren Kühen kein Harnstoff gemessen wird.
25 Tonnen Stickstoff gespart, 900’000 Franken bezahlt
Eva Wyss vom Bundesamt für Landwirtschaft, BLW, verteidigt die hohen Auszahlungssummen: «Bedingt durch die hohen Tierzahlen ist die erbrachte Leistung zur Reduktion der Emissionen natürlich auch höher zu werten.» Dass diese Ammoniak-Reduktion wesentlich mehr kostet als z.B. der Einsatz eines Schleppschlauchs beim Ausbringen der Gülle begründet Wyss mit dem Pilotcharakter.
Mit den Massnahmen des Projekts wurden letztes Jahr in der Zentralschweiz rein rechnerisch rund 25,7 Tonnen Stickstoff eingespart, was die Steuerzahler 900’000 Franken gekostet hat. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Ammoniak-Emissionen im gleichen Ausmass gesunken sind. Denn ob und wie viel Ammoniak entsteht hängt nicht allein von der Fütterung ab, wie Annelies Bracher von der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope erklärt: «Genauso entscheidend ist, was mit dem Mist und Harn passiert, wie die Gülle ausgebracht wird, wie der Stall beschaffen ist, wie häufig der Laufhof gereinigt wird und vieles mehr.» Bracher konnte in einer umfangreichen Studie, die sie zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) gemacht hat, zeigen, dass die Ammoniak-Emissionen auf der Weide stets deutlich tiefer sind als im Stall. Die Wissenschaftlerin schloss daraus, dass «der Milchharnstoff während der Sommerfütterung nur beschränkt etwas über die absoluten Ammoniak-Emissionen aussagt». Sie empfiehlt den Milch-Harnstoffwert lediglich als Management-Hilfe zu verwenden. Zumal bekannt ist, dass die Harnstoffwerte auch abhängig sind von der Rasse und Milchleistung einer Kuh.
Das Wetter spielt eine grosse Rolle
Der Harnstoffwert sagt eben nicht alles: Wer Kühe auf die Weide schickt, produziert zwar ebenfalls tiefere Ammoniakemissionen, hat aber möglicherweise höhere Harnstoffwerte, da sich der Eiweissgehalt im Gras laufend ändert. Doktor Peter Kunz vom HAFL: «Wenn Kühe auf eine frische Weide gehen, schnellen die Harnstoffwerte umgehend in die Höhe. Das gleiche Problem gibt es bei der Fütterung einer feuchten Grassilage.» Der Landwirt kann das nur teilweise beeinflussen, da dabei auch noch das Wetter mitspielen muss. Füttert er dagegen eine Totalmischration mit Getreide und lässt seine Kühe nur noch zur Siesta auf die Weide, sieht es anders aus. Kunz: «Mit Kraftfuttergaben kann ein Landwirt den Harnstoffgehalt in der Milch relativ einfach senken. Man muss sich aber fragen, ob das ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist.» Wobei der erste Teil der Frage im Pilotprojekt beantwortet wird: Die Kraftfuttergaben rechnen sich. Es lohnt sich unter Umständen sogar, mehr Tiere zu halten. Das ist aber das Gegenteil dessen was mit der neuen Agrarpolitik erreicht werden sollte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Eveline Dudda ist Agrarjournalistin und Chefredaktorin von «Freude am Garten», www.dudda.ch
Ersetzt doch mal diese studierten Bundesbeamten durch Menschen die wirklich etwas für unsere Umwelt tun und nicht nur an ihr Einkommen denken.
"Bei gleichbleibendem Konsum von Fleisch und Milch fällt das Ammoniak nämlich einfach im Ausland an.» Und niemand kommt auf die Idee, pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milch zu fördern. Solange diese Produkte von klein auf (Primarschule) bishin zu öffentlichen Räumen, Festivals und staatlichen Fernsehen ständig mit Steuergeldern beworben werden, wird sich wohl an der Nachfrage wenig ändern. Deshalb: Subventionieren wir besser Tofu, Pflanzenmilch etc. und halten wir HauswirtschaftlehrerInnen z.B. dazu an, den SchülerInnen möglichst wenig Fleischkonsum zu empfehlen.
Was das Ausmass vom Fleischkonsum angeht bin ich mit Ihnen völlig einig. Was die Subventionierung von Tofu angeht, nicht: Die Schweiz ist ein Grasland. Auf 70% der landwirtschaftlichen Nutzfläche lässt sich klimatisch bedingt nichts anderes als Gras produzieren. Es macht Sinn dieses Gras mit Wiederkäuern für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen. Von den 1 Mio. Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in der Schweiz sind nur rund 270’000 Hektar überhaupt ackerbaulich nutzbar, davon sind klimatisch bedingt keine 10% für den Anbau von Soja geeignet.
In der Schweiz besteht eine «standortgerechte Ernährung“ ganz sicher nicht aus Tofu und Mandelmilch, sondern es müsste eine Gemischtkost sein, in der Wiederkäuerfleisch und Milch einen gewissen Stellenwert hat. Solange Schweine noch Gastroabfälle fressen durften hat auch ein Anteil Schweinefleisch Sinn gemacht.
Vergleicht man die Standortbedingungen der Schweiz mit dem was Schweizer Konsumenten nachfragen dann ist das Missverhältnis augenfällig: Die Nachfrage nach Geflügelfleisch ist explodiert (das Futter besteht praktisch nur aus Getreide, Geflügel ist Nahrungskonkurrenz zum Menschen) und nach wie vor am meisten konsumiert wird Schweinefleisch (wobei Schweine wenigstens teilweise Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie fressen). Hier müsste man den Hebel ansetzen, wenn man eine standortgerechte Ernährung im Auge hat. Reiner Veganismus passt vielleicht in die Karibik oder zu den Tropen, aber nicht zur Schweiz.
Eveline Dudda