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Bilder aus dem Video der Tierschützer: Tote, verletzte und zerrupfte Hühner im «Micarna»-Stall. © PEA

So himmeltraurig geht es den Hühnern der Migros-Marke «Optigal»

Tobias Tscherrig /  Aktivisten veröffentlichen Aufnahmen aus einem «Optigal»-Stall. Die Migros-Eigenmarke steht nicht zum ersten Mal am Pranger.

An der Eingangstüre klebt ein Stoppschild: «Hygienezone. Zugriff unterliegt der Genehmigung». Darunter das Logo der «Micarna AG», einem Unternehmen der Migros-Gruppe, das zu den führenden Fleischverarbeitern der Schweiz gehört.

Die Aktivisten der Westschweizer Tierrechtsorganisation «Pour l’égalité animale (PEA)» lassen sich davon nicht abschrecken: Eine Hand in einem Plastikhandschuh öffnet die Türe, die zum Stall führt. Hier lebt Geflügel, das nach seiner Schlachtung als Produkt der Marke «Optigal» in den Regalen der Schweizer Migros-Filialen landet. In zahlreichen Variationen und im grossen Stil: Über neunzig Prozent aller Geflügel-Produkte der Migros kommen von «Optigal».

«Optigal»-Produkte unterliegen dem Standard der «Besonders tierfreundlichen Stallhaltung» (BTS). Das klingt zwar gut, in Wahrheit ist BTS die zweitschwächste Haltungsform in der Schweiz – nach der Standardhaltung.

Die zwei Gesichter von «Optigal»
Es ist dunkel. Gezwitscher und Gewusel empfängt die PEA-Aktivisten im Geflügelstall. Zerrupfte Küken und Junghennen, soweit das Auge reicht. 12’700 seien es, sagen die Tierrechtler. Die Hennen stehen dicht gedrängt, Körper an Körper. Es ist staubig. Die Kamera fängt ein Tier mit einer offenen Wunde ein, dann ist ein verendetes Tier zu sehen. Es liegt am Boden, mitten unter den übrigen Mast-Poulets.


Die verdeckten Videoaufnahmen von PEA.

Das Leben der «Optigal»-Hühner sieht in der Werbung ganz anders aus: Saubere Tiere mit intaktem Federkleid schlagen fröhlich mit den Flügeln. Sie können sich im Aussengehege frei bewegen, haben ausreichend Platz. «Da kann ich wirklich mit gutem Gewissen dahinter stehen und sagen, dass ist ein gutes Produkt», sagt eine Stimme im Off. «Sie haben es gut bei uns (…). Wir geben wirklich alles, damit es den Tieren gut geht und damit man auch mit gutem Gewissen rein-beissen kann.»

Den Gegensatz zwischen der Werbung und dem Video der Aktivisten erklärt Tristan Cerf, Mediensprecher der Migros Region Westschweiz, mit den Worten: «Die Aufnahmen aus dem Micarna-Werbefilm (…) entstanden im Frühjahr 2017 in einer Optigal-Hühnerfarm in der Ostschweiz unter realen Umständen. Da die Dreharbeiten tagsüber stattfanden, waren die Tiere im Wintergarten. Die von der Organisation beanstandete Anlage umfasst ebenfalls einen Wintergarten, der jedoch nachts geschlossen ist, da die Tiere im Stall schlafen.»

Diesen Wintergarten hätten die Aktivisten nicht gezeigt. Stattdessen seien die Tierrechtler nachts in den Stall eingebrochen und hätten die Tiere beim Schlafen gestört. Die so entstandenen Bilder würden nun mit den Bildern von Hühnern verglichen, die wach sind und sich tagsüber im Wintergarten aufhalten.

Kritik an Migros wird lauter
Das Bild des tierfreundlichen Labels zementiert «Optigal» auch im Internet: «Erstklassiges Fleisch gibt es nur, wenn sich das Tier wohlfühlt.» Und im Migros-Magazin vom 2. Juli 2018 steht: «Bei der Produktion von «Optigal»-Geflügel-Spezialitäten spielen nicht nur die Frische, Qualität und Hygiene eine entscheidende Rolle, sondern auch das Tierwohl.»

Mit ihrer Aktion wollen die Tierrechtler auf die Realität in Schweizer Mastbetrieben hinweisen. Sie kritisieren den BTS-Standard als irreführend und schönfärberisch. «Migros verkauft uns für dumm, wenn sie behauptet, dass die Hühner ihrer Marke «Optigal» glücklich leben. Die Migros rühmt sich, die höchsten Standards des Tierschutzes zu garantieren. Diese Kommunikation ist irreführend und täuschend».

Eine Meinung, die von der Stiftung für Konsumentenschutz geteilt wird: «Logo und Werbung von «Optigal», der Migros-Eigenmarke für Geflügelprodukte, mit Sonnenstrahlen und grüner Landschaft, lassen auf ein idyllisches Hühnerleben schliessen. In Tat und Wahrheit aber sehen die Mastpoulets während ihres ganzen Lebens weder Sonne noch Wiesen.»

Deshalb forderte die Stiftung für Konsumentenschutz von der Migros unter anderem die Anpassung des «Optigal»-Logos, «um eine Täuschung der Konsumenten zu verhindern».

Migros wehrt sich
Die Migros lässt die Kritik von PEA und Konsumentenschutz nicht auf sich sitzen. Das Tierwohl sei ihr ein wichtiges Anliegen. Alle Betriebe, die für die «Micarna» produzieren, würden regelmässig und sorgfältig vor Ort kontrolliert.

Mit dem Betrieb, den die Aktivisten besucht haben, arbeite Micarna bereits seit vielen Jahren zusammen. «Wir verstehen, dass die Bilder aufwühlen», sagt Migros-Sprecher Cerf. «Wir gehen davon aus, dass die Tiere geweckt und durch die Aufnahmen gestört wurden.» Im Übrigen stünden hinter «Optigal» bäuerliche Familienbetriebe in der Schweiz, «die einen hohen Tierwohlstandard mit BTS und einem Wintergarten für die Hühner garantieren.»

Auf den Bildern von PEA sei kein Verstoss gegen die Schweizer Tierschutzverordnung und die BTS-Richtlinien zu erkennen.

Überschätzter Schweizer Tierschutz
Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 70 Millionen Hühner geschlachtet. Die meisten leben im Durchschnitt nur 35 Tage und haben im Stall den Raum eines A4-Blattes für sich.

Obwohl das Schweizer Tierschutzgesetz als das strengste der Welt gilt, hilft es den Tieren nur bedingt. Die Schutzstandards sind zwar vielfach höher als die Mindestvorgaben in der EU. «Mit Kompromissen zugunsten wirtschaftlicher Überlegungen werde aber die Grenze des für die Tiere Zumutbaren ausgereizt», schreibt die «NZZ am Sonntag». Zu diesem Schluss kam 2013 eine Vergleichsstudie von Agrofutura im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft: «Das Tierschutzgesetz definiert nicht, was tiergerecht ist, sondern was dem Tier noch zugemutet werden kann».

Wenn die Migros bei ihrer Geflügelproduktion nur die sogenannte «besonders tierfreundliche Stallhaltung» anwendet und gleichzeitig mit dem Bild von glücklichen Hühnern wirbt, ist das zumindest fraglich. «BTS» ist kein Label, die meisten wirklichen Qualitätslabels nutzen es als Einstiegsbedingung.

Petition greift BTS an
Trotzdem wird der BTS-Standard als «besonders tierfreundlich» bezeichnet und mit Steuergeldern gefördert. Die Tierrechtsorganisation «Tier im Fokus» (TIF) hat dagegen eine Petition gestartet. «Wir fordern die Streichung der BTS-Gelder für Masthühner», sagt ihr Präsident Tobias Sennhauser. Diese Gelder würden derzeit mit der Giesskanne an die BäuerInnen verteilt.

Mit der Petition greife «Tier im Fokus» die Tierindustrie dort an, wo sie am empfindlichsten sei: beim Geld. «Es braucht eine Umverteilung der Subventionen», so Sennhauser. Derzeit fliesse die staatliche Unterstützung mehrheitlich direkt oder indirekt in die Nutztierhaltung. Die Streichung der BTS-Gelder für die Hühnermast sei für TIF ein Schritt in die richtige Richtung: weg von der Tierindustrie, hin zum Pflanzenbau.


Diese Aufnahmen stammen aus fünf verschiedenen Betrieben aus den Kantonen Waadt, Freiburg und Bern. Sie wurden zwischen September und November 2017 von TIF aufgenommen.

Ähnlich äussern sich die Grünen: Sie möchten mit der Fair-Food-Initiative Importe aus ausländischen Tierfabriken unterbinden, den Tierschutz in der Schweiz verstärken und eine transparentere Deklaration von Esswaren einführen.

Und die Migros? Sie schiebt den Ball den Behörden zu: «Die Tierhaltungsform BTS wird nicht von der Migros definiert, sondern vom Bundesamt für Landwirtschaft. Verantwortlich für die BTS-Richtlinien, die spezifischen Vorgaben und die Bezeichnung obliegt dem Bundesamt.»

Der Stiftung für Konsumentenschutz reicht das nicht. Sie fordert deshalb, dass auch die Migros, beziehungsweise ihr Fleischproduzent «Micarna», den besseren RAUS-Standard für die Hühnerhaltung einführt.

Aber so lange die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht angehoben werden, werden sich die Detailhändler kaum bewegen. Sie übernehmen die Mindestanforderung und stellen sie in der Werbung noch zusätzlich als «tierfreundlich» hin. So läuft das Geschäft, das ist die Realität.
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Weiterführende Infosperber-Artikel zur Thematik:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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8 Meinungen

  • am 16.07.2018 um 13:23 Uhr
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    Erstaunt in keiner Weise. Es ginge aber auch anders! Im Coop Münsingen kann man regionale Bio-Eier kaufen. Die wenigen Hühner sind auf der Weide mit einem grossen fahrbarer Hühnerstall. Ich fahre dort ab und zu durch, ein Traum! Solche Eier möchte ich, keine Fake-Produkte. Kosten: Direkt ab Hof 4.50 und im Coop 5.40 (für 6 Eier) Sie schmecken übrigens merklich besser, das Eigelb ist intensiver. Die Kunden kaufen sie offensichtlich rege, wie das Regal zeigt. Warum also will man die Kunden betrügen? Es wäre doch eine Win-Win-Situation!

  • am 16.07.2018 um 15:10 Uhr
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    Das das bei Migros passiert, kan ich nicht begreifen. Bis jetzt habe Migros vertraut.
    Da I-Düpfelchen sind die Bemerkungn von Migros und dass sie nicht einen Deut
    mitfühlender ist, als unsere Miniforderungen.
    Dagegen gibt es ein sicher wirkendes Mittel, nur werden die Bürger es kaum einsetzen.
    Das Mittel heist: NICHT KAUFEN und zwar alles, was nicht sicher ist.
    Gruss

  • am 16.07.2018 um 16:49 Uhr
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    Ich mache schon lange einen grossen Bogen um den Moloch Migros. Die Geldmacherei zu Lasten der Tiere passt eigentlich nicht zu «meiner Genossenschaft». Ich stimme jeweils NEIN bei der Genehmigung der Jahresrechnung und boykotiere den Oligopolisten. Der beste Tierschutz ist es, Vegetarier zu werden oder zumindest weniger Fleisch zu verzehren. Martin A. Liechti, Maur, ehemaliger Mitkämpfer von Migrosfrühling.

  • am 17.07.2018 um 17:03 Uhr
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    Migros ist seit vielen Jahren ein No-go für mich. Ihre Bio, Fair-Trade etc. Marken sind nicht ehrlich, sondern nur ein «Muss», weil sie sonst gewisse Kundensegmente verlieren. Die Löhne der Mitarbeitenden werden wo immer möglich gedrückt. Das gleiche gilt für die Bezahlung der Bauern und anderer Lieferanten, auspressen, wo es nur geht.
    Schade, denn die Ideen des Duttweiler-Ehepaars waren mal genial – aber sie werden nur noch verraten.

  • am 17.07.2018 um 22:26 Uhr
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    Die Tierhaltung ist des Bauern’s Überleben und Existenz, dies mit Liebe! Viele wissen nicht dass eine Masthalle die zB. für 15000 Hühner/ Masthühner ect. gebaut wurde. 15000Stk passen rein, es sind aber 15500-16000Stk oder mehr! Es macht mich sehr traurig, denn Stand heute, wo ist die Tierliebe geblieben! Die Natur hat ihre Gesetze und dieser Kreis schliesst sich bald!

  • am 23.07.2018 um 23:14 Uhr
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    Ich würde artikel wie diesen gerne teilen in den sozialen medien. Aber wie macht man das bei euch? Ich fragte schon mal an, doch es geht leider immer noch nicht.

  • am 24.07.2018 um 12:38 Uhr
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    Die Ausrede der Migros ist doch einfach lächerlich. Die Verletzungen haben die Tiere offensichtlich schon länger, und sicher nicht weil sie geweckt wurden. Das sind nicht die selben, die am Tag fröhlich im Vorgarten herumspazieren.

  • am 24.07.2018 um 15:51 Uhr
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    @Sterchi. Am Schluss des Artikels finden Sie die Links zum Teilen. Unter dem roten +-Zeichen sind noch mehr Möglichkeiten. Bis heute haben 1818 Leserinnen und Leser den Artikel auf Facebook geteilt.

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