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Besonders in Rebbergen und im Obstbau kommt häufig Schwefel zum Einsatz © vinepair

Schwefel als Pestizid: Unterschätzte Risiken

Red. /  Nach dem Pestizid-Einsatz von Schwefel in der Landwirtschaft leiden Kinder mehr an Asthma und Lungenfunktionsschwächen.

Forscher in Kalifornien haben eine relativ homogene Schar von siebenjährigen Kindern untersucht, die im Umkreis von je 500 Metern, einem oder drei Kilometer Entfernung von landwirtschaftlichen Betrieben leben. Ihre Lungenfunktionen wurden gemessen und vorhandene Berichte über Asthmabehandlungen der Kinder konsultiert. Die Resultate wurden in «Environmental Health Perspectives» veröffentlicht.

Bis zu einem Kilometer Entfernung führte der Einsatz an elementarem Schwefel** als Pestizid in der Landwirtschaft zu Einbussen in der Lungenfunktion der Kinder. Dabei spielte keine Rolle, wie viele andere, organophosphathaltige Pflanzenschutzmittel gleichzeitig noch verwendet wurden. Je näher die Kinder während des Schwefeleinsatzes waren, desto stärker waren ihre Lungen betroffen.

Ebenfalls eine Rolle spielt der zeitliche Abstand seit dem Schwefeleinsatz. Nach einer Woche wurden im Durchschnitt zwar stärkere Symptome gemessen als nach einem Monat sowie nach einem Jahr – erstaunlicherweise war jedoch auch die Streuung der Messwerte nach einer Woche am grössten und nach einem Jahr am geringsten.
Als möglichen Grund vermuten die Forscher, dass nicht so sehr der elementare Schwefel selbst als vielmehr die daraus entstehenden Schwefelprodukte als starke Allergene wirken können – zumal bei erhöhter Feinstaubbelastung. Wie rasch diese schwefelhaltigen Verbindungen gebildet und verbreitet werden, hängt von verschiedenen weiteren Faktoren ab, unter anderem auch vom Pulverisierungsgrad und von der Applikationsmethode.

Allergene Wirkung von Schwefeloxidationsprodukten

Elementarer Schwefel ist das «älteste aller Pestizide» und wird sowohl in Europa als auch in Kalifornien in der Landwirtschaft noch mehr als andere Pestizide verwendet. In der Schweiz sind es rund 400 Tonnen jährlich.
Schwefel gilt bei der Anwendung in der Landwirtschaft allgemein nur im direkten Hautkontakt als schwach allergen.
Allerdings gilt Schwefel für die empfindlicheren Schleimhäute und Lungengewebe als entzündungsverursachend und toxisch. Doch wurde bisher offensichtlich davon ausgegangen, dass beim Pestizideinsatz in der Landwirtschaft diese Gewebe verschont bleiben und entstehende Schwefeloxidationsprodukte vernachlässigbar seien.
Im Gegensatz dazu gelten für schwefeldioxid- und sulfithaltige Substanzen als Konservierungsmittel in Lebensmitteln Grenz-, Richtwerte oder Deklarationsvorschriften. Da schon geringe Sulfitkonzentrationen allergische Beschwerden – unter anderem auch Asthma – auslösen können, ist beispielsweise für Wein in der EU eine Deklaration bereits ab 10mg/l vorgeschrieben.

Umsatz und Einsatz von Pestiziden nicht bekannt

In der Schweiz darf die Öffentlichkeit nicht wissen, wer wo in der Landwirtschaft wie viel Schwefel einsetzt. Bewilligt hat das Bundesamt für Landwirtschaft BLW den Einsatz nicht nur in Rebbergen, sondern auch für Erdbeeren, Brombeeren, Birnen, Kernobst, Steinobst und Pfirsiche.

Auch bei Bio-Produkten kommt Schwefel zum Einsatz. In der kleinräumigen Schweiz können sich vergleichweise viele Kinder in der Nähe aufhalten, während und nachdem Schwefel appliziert wurde. Das BLW konnte Infosperber innert Tagen nicht einmal angeben, wie viel Schwefel die Schweizer Landwirtschaft insgesamt braucht. Das BLW brauche für diese Auskunft zwei bis drei Wochen. Detailliertere, aufgeschlüsselte Zahlen könne das BLW «aus Datenschutzgründen» nicht liefern, erklärte Sabine Ragot vom BLW. Mit andern Worten: Im Landwirtschaftsgesetz habe das Parlament keine Transparenz vorgesehen.
Bundesrat gibt Auskunft über Gesamtmengen
Auf eine Anfrage von Nationalrätin Maya Graf, Grüne, gab der Bundesrat im Parlament am 18. September 2017 folgende Gesamtmengen bekannt:


Grössere Auflösung hier.
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Diesen Beitrag hat Corinne Duc aufgrund der Studie in «Environmental Health Perspectives» verfasst.
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**Hier stand anfänglich noch eine Klammerbemerkung, die falsch war.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Corinne Duc ist im Bereich Coaching und Beratung übers Internet tätig.

Zum Infosperber-Dossier:

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