Zelp Methan reducing cow harness

Mit diesem futuristischen Halfter will ein Unternehmen den Methanausstoss von Kühen reduzieren. © zelp.co

Neuseelands Forschende sind Kuhrülpser-Experten

Daniela Gschweng /  Was Forschende in Neuseeland schon alles ausprobiert haben, um Methan aus der Viehhaltung zu reduzieren, geht auf keine Kuhhaut.

Von Impfungen über Kombucha bis Gentechnik haben sie schon alles Mögliche versucht, um den Methanausstoss des Viehs zu senken. Wenn sich jemand mit Kuhrülpsern auskennt, sind es die Forschenden in Neuseeland.

Das tönt amüsant, hat aber einen ernsten Hintergrund: Viehwirtschaft ist zentral für die Wirtschaft Neuseelands und eine grosse Hypothek für das Klima. In dem 5-Millionen-Einwohner-Land grasen 26 Millionen Schafe und 10 Millionen Rindviecher, hat die Nachrichtenagentur AP recherchiert. Und bis 2050 will Neuseeland den Ausstoss des potenten Klimagases Methan um 47 Prozent reduzieren.

In «Gumboot Valley» weiss man alles über Kuhrülpser

Ein Gesetzesvorhaben, das Kuhrülpser-Methan besteuern will, löste zuletzt heftige Proteste von Bauern aus. Die Landwirte sehen die neuseeländische Wirtschaft bedroht. AP hat sich bei der Massey-Universität bei Wellington umgehört, ob Technologie helfen könnte.

Der Campus Palmerston North, genannt «Gumboot Valley» (Tal der Gummistiefel) ist weltweit Spitze bei der Forschung über Kuhrülpser, was auch ausserhalb Neuseelands von grossem Interesse ist.

Auf der Welt gibt es schätzungsweise 1,5 Milliarden Rindviecher, die pro Tag je etwa 200 Liter Methan rülpsen. Da kommt einiges zusammen.

Auf der Suche nach dem magischen Mittel gegen Methanrülpser

Forschende in Palmerston North haben schon alles Mögliche ausprobiert, das den Methanausstoss von Wiederkäuern verringern soll – teilweise mit beachtlichem Erfolg. Die Methode, das ist Voraussetzung, darf den Tieren nicht schaden und die Qualität von Milch und Fleisch nicht beeinträchtigen.

Die grundlegende Ursache des Übels: Wie auch wir Menschen können Kühe und Schafe Gras nicht einfach verdauen. Deshalb fermentieren sie den Gras-Zellstoff in mehreren Mägen mit Hilfe von Bakterien. Bei diesem Gärprozess wird Methan frei. Die Mikroben, die in den Tieren leben und Methan produzieren, scheinen für die Verdauung aber nicht zwingend nötig zu sein, sagt Peter Janssen, leitender Wissenschaftler beim staatlichen Unternehmen AgResearch am Campus.

Impfung – 30 Prozent weniger Methan

Janssen forscht seit 15 Jahren an einer Anti-Methan-Impfung für Wiederkäuer. Durch die Immunisierung bilden die Tiere Antikörper, die die Aktivität der methanbildenden Bakterien reduzieren. Die Impfung habe das Potential, den Methanausstoss aus Kuhrülpsern um mindestens 30 Prozent zu reduzieren, sagt Janssen. Sie muss einmal jährlich oder möglicherweise nur einmal im Leben eines Tieres verabreicht werden. Einsatzfähig wäre sie frühestens in einigen Jahren.

Züchtung methanarmer Schafe – 15 Prozent weniger Methan

Züchtungsansätze machen sich zunutze, dass nicht alle Wiederkäuer exakt gleich viel Methan ausstossen. Studien haben aufgezeigt, dass besonders methanarme Individuen auch methanarme Nachkommen hervorbringen. Laut Janssen können Zuchtanstrengungen den Methanausstoss bei Schafen um bis zu 15 Prozent drücken. Die Forschenden suchen nach den genetischen Merkmalen, die den Methanausstoss von Schafen verringern. Ein Zuchtprogramm für Schafe, die besonders wenig Methan produzieren, wird nächstes Jahr eingeführt. Ein Zuchtprogramm für Kühe ist in Planung.

Futterzusätze – 30 bis 90 Prozent weniger Methan

Es ist auch möglich, einer Kuh direkt etwas zu verabreichen, das die methanproduzierenden Bakterien abbremst – zum Beispiel Antibiotika oder Nahrungszusätze. Inhibitoren könnten das Kuh-Methan laut Janssen um 30 bis 90 Prozent verringern.

Das niederländische Unternehmen DSM hat einen Nahrungszusatz namens Bovaer entwickelt. Dieser hemmt Enzyme, die für die Methanbildung verantwortlich sind. Nach Angabe von DSM kann das Supplement die Methanbildung bei Milchkühen um 30 Prozent und bei Fleischvieh um 45 Prozent reduzieren. Vermutlicher Einsatzbeginn: in einigen Jahren.

Genetisch getuntes Futter – 20 bis 30 Prozent weniger Methan

Der grösste Teil der Versuche konzentriert sich aufs normale Futter. Methan-Reduktionspotential: 20 bis 30 Prozent. Praktischer als die regelmässige Gabe von Nahrungszusätzen ist die Änderung von Gras und Ähnlichem, da die allermeisten neuseeländischen Schafe und Rindviecher auf der Weide grasen. Auf dem Campus in Wellington experimentieren Forschende mit genetisch manipuliertem Klee und Weidelgras.

Der gentechnisch getunte Klee enthält mehr Gerbstoffe (Tannine), die die Methanbildung bremsen. Gerbstoffe sind in Pflanzen natürlich vorhanden. Ihr herber Geschmack taucht zum Beispiel in Tee und Kaffee oder beim Wein als Barrique-Geschmack auf. Pflanzen schrecken damit Fressfeinde ab. Der manipulierte Klee reduziere die Methanproduktion um 15 bis 19 Prozent, sagt Linda Johnson, die daran forscht.  

GMO-Weidelgras – 10 Prozent weniger Methan

Demselben Prinzip folgt verändertes Weidelgras. Durch einen vergrösserten Ölanteil könne es den Methanausstoss um 10 Prozent reduzieren, sagt der verantwortliche Wissenschaftler Richard Scott. Beide Ansätze sind frühestens in einigen Jahren anwendungsreif. Allerdings hat Neuseeland strenge Gesetze für den Anbau genetisch manipulierter Pflanzen (GMO) – ein Hindernis für die Einführung von Anti-Methan-Klee und verändertem Weidelgras.

Seegras – bis zu 82 Prozent weniger Methan

Ohne GMO geht es auch – mit Seegras wird schon länger experimentiert. Einige Algenarten enthalten Bromid-Verbindungen, die die Methanbildung unterdrücken. Algen-Supplemente könnten den Methanausstoss von Kühen um bis zu 67 Prozent reduzieren, sagt ein Wissenschaftler, von dem Infosperber berichtete.

Ein kanadischer Forscher, den n-tv befragt hat, kommt sogar auf über 80 Prozent. Über eine ähnliche Quote berichtete auch der «Guardian» im vergangenen Jahr. Unklar ist allerdings, wo so viel Seegras angebaut werden soll und wie man es Wiederkäuern schmackhaft machen kann. Diese mögen die salzige Masse aus dem Meer in grösseren Mengen eher nicht.

Andere weltweit untersuchte Nahrungszusätze sind kulinarisch interessanter für Kühe. Zum Beispiel das Anreichern der Kuhdiät mit Knoblauch und Gewürzmischungen.  

Kuhdiät mit Kombucha – Erfolgsfaktor noch unbekannt

Ein neuseeländisches Unternehmen namens Fonterra experimentiert mit einer Kombucha-Mischung. Kombucha oder Teepilz ist eine seit Jahrhunderten verwendete symbiotische Kultur aus verschiedenen Organismen. Diese vergären Tee zu einem limonadenartigen Getränk, in diesem Fall zu Limonade für die Kuh. Methaneinsparung: noch nicht abschätzbar.

Katalysator für die Kuh – 60 Prozent weniger Methan

Ganz ohne Einfluss auf Fleisch und Milch wäre es, das Methan in der Ausatemluft der Wiederkäuer anzugehen. Auch diesen Ansatz gibt es – in Form eines Halfters, das die Nase des Rindviehs abdeckt (unser Titelbild).

Das Klima-Halfter ist nicht gerade eine Gasmaske für die Kuh, eher eine Art Katalysator. Das Wearable für das Rind wird von der britischen Firma Zelp entwickelt, mit Unterstützung des Fleischgiganten Cargill. Es enthält eine Solarzelle und einen thermoelektrischen Generator, der Methan zu CO2 reduziert. CO2 ist zwar ebenfalls ein Klimagas, aber kurzfristig viel weniger schädlich.

Laut Zelp gewöhnen sich die Kühe schnell an das futuristische Halfter. Der Methananteil in der Ausatemluft der Kuh soll damit um 60 Prozent gesenkt werden. Eine andere Quelle spricht sogar von fast 90 Prozent. Ein zusätzlicher Vorteil sei die fortlaufende Gewinnung von Daten über das Tier. Bis die Technologie marktreif ist, können ebenfalls noch Jahre vergehen.

Praktisch bleibt bisher nur Effizienzsteigerung

Der Fortschritt dieser Technologien wird weltweit beobachtet. Tierhaltung trägt 15 Prozent zum weltweiten Klimafussabdruck bei. Nicht nur durch die Verdauung von Wiederkäuern, auch durch Entwaldung, Futtermittelproduktion und -transport, Gülle und Mist. Gleichzeitig ist sie einer der grössten Hebel, um die Klimabelastung weltweit schnell zu reduzieren.

In der Praxis, beobachtet die AP, griffen die neuseeländischen Bauern bislang auf konservative Methoden zurück. Er tue etwas für das Weltklima, indem er die Effizienz steigere, sagt der Farmer Aidan Bichan, der einen Bauernhof in Neuseeland betreibt. Die Methanmenge pro Liter Milch lasse sich auch verringern, indem die Kühe das Futter besser ausnutzen und die Produktivität pro Kuh gesteigert werde.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 5.12.2022 um 12:43 Uhr
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    Das ist ja sehr spannend, Leiden ja auch viele Menschen an Blähungen und Verdauungsproblemen. Ich würde einen Freilauf-Stall bauen, gross mit Glasdach-Anteil für Sonne. Die Luft würde ich durch ein Klimagerät saugen, welches als Methanabscheider das wertvolle Gas zum Brennstoff macht, um zu heizen und um damit die landwirtschaftlichen Geräte zu betreiben. Solarzellen liefern den Strom für den Methanabscheider, welcher im Winter auch als Wärmepumpe dienen kann um das Wohnhaus mit Stallwärme zu versorgen. Wieviele Gesetze würden sowas verbieten? Wieviele Zwangsabgaben würden sowas unrentabel machen? Methan als Treibstoff wäre sehr umweltfreundlich. Das Grundproblem warum es Hindernisse gibt, liegt im System, ist also Systemimanennt.

  • am 5.12.2022 um 12:44 Uhr
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    Ich glaube nicht das die Viehwirtschaft der grösste Hebel für den Umweltschutz wäre. Da kommen andere Industrieen eher ins Blickfeld. In den USA ist alles was mit dem Militär zu tun hat für 25% der Umweltverschmutzung verantwortlich. Energieaufwendige Industrieprozesse dürften auch eher die grösseren Hebel darstellen, allerdings würde da der Lobbyismus und bestehende Verträge schon dafür sorgen das Gesetze für den Klima- und Umweltschutz nicht beschlossen werden können.

  • am 5.12.2022 um 14:35 Uhr
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    Bisschen absurd, ein Nutztier dahingehend zu vergewaltigen, dass seine Verdauung immer unnatürlicher wird, nur weil wir den Preis für Viehhaltung nicht zahlen wollen. Ein altes Mantra, aber vielleicht hilft ja weniger Fleisch zu höheren Kosten. Rotes Fleisch wie Rindfleisch braucht unser Körper nur in kleinen Mengen. Die Milchviehhaltung lässt sich leider nicht so einfach reduzieren, dazu müssten wir wieder in die Vorkriegszeit, wo Butter, SIrgendwo in einem Vortrag von Susanne Schwärzler, die sich gegen Enthornung einsetzt, war die Rede davon, dass eiweißarmes und mineralisches Futter das Methan reduziere: https://www.youtube.com/watch?v=3nANXnKjRwc
    Interessant wäre, wie überhaupt der globale Methankreislauf funktioniert; irgendwo muss es ja hin und kommt sicher auch aus anderen Quellen.

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 6.12.2022 um 09:11 Uhr
      Permalink

      Sehr geehrter Herr Schön,
      grob gesagt, kommt etwa ein Viertel des global emittierten Methans aus der Öl- und Gasindustrie und etwa ein Drittel aus der Landwirtschaft.
      Eine Aufstellung (Stand 2020) findet sich zum Beispiel hier: https://www.globalmethane.org/documents/gmi-mitigation-factsheet.pdf
      Die Methoden werden ständig besser, so dass in Zukunft vermutlich auch kleinere Gasquellen erfasst werden können.
      Infosperber hat in den letzten Jahren mehrere Artikel zur globalen Methanbelastung publiziert (Auf dem Desktop oben rechts auf die Lupe klicken und unser Archiv nach «Methan» durchsuchen – Schauen Sie mal rein!)

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