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Reisbäuerin in Ghana © cc

Ghana: Auf dem Reisfeld verkümmert die Hoffnung

Kristina Lanz /  Private Unternehmen als Entwicklungshelfer – das birgt grosse Risiken. Fallstudie einer Schweizer Agrarfirma in Ghana.

Red. Die Autorin dieses Gastbeitrags arbeitet für Alliance Sud. Andere Publikumsmedien in der Schweiz haben über die hier ausgewertete Doktorarbeit nicht informiert. Die Analyse ist ernüchternd.
Die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor steht in der internationalen Entwicklungspolitik hoch im Kurs. UNO und Weltbank sind der Ansicht, private Unternehmen müssten sich stärker an der Entwicklungshilfe beteiligen. Ohne deren Ressourcen sei die UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in den ärmsten Ländern nicht umzusetzen. Auch Geberländer wie die Schweiz wollen künftig vermehrt auf die Kooperation mit privaten Unternehmen setzen.
Allerdings ist diese Form der Entwicklungshilfe mit grossen Risiken behaftet, wie das Engagement im Reisanbau des – inzwischen konkursiten – Agrarunternehmens Gadco in Ghana zeigt. Der für eine Dissertationsarbeit [1] wissenschaftlich dokumentierte Fall macht deutlich, dass man privaten Unternehmen sehr genau auf die Finger schauen muss, wenn sie sich in der Entwicklungshilfe engagieren und sie dabei von verschiedenen Entwicklungsakteuren finanzielle Unterstützung erhalten.
Konkurs nach drei Jahren
2011 gründeten ein nigerianischer und ein britischer Investmentbanker die Global Agro-Development Company (Gadco). Von Landwirtschaft hatten beide keine Ahnung, doch sie suchten nach der globalen Finanzkrise von 2008 ein neues Tätigkeitsfeld. Also beschlossen sie, in der Volta-Region in Ghana Reis anzubauen. Für dieses Vorhaben konnten sie eine ganze Reihe entwicklungsorientierter Investoren gewinnen. Unter den Partnern und Kapitalgebern war die Syngenta Foundation for Sustainable Agriculture, die Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA), die Agricultural Development Company (AgDevCo), der Acumen Fund sowie der Africa Agriculture and Trade Investment Fund (Aatif).[2]
Das Engagement von Gadco stiess international und auch in Ghana auf ein positive Echo – nicht zuletzt weil die Agrarfirma versprach, sie setze beim Reisanbau auf Nachhaltigkeit, enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und die ökonomische Stärkung der Frauen.
Trotz anfänglicher Erfolge, grosser finanzieller Unterstützung und ersten Reisernten musste Gadco drei Jahre nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit Konkurs anmelden. 2015 übernahm die Schweizer Firma RMG Concept mit Sitz in Delémont das Unternehmen. Die Schweizer Firma hatte Gadco schon zuvor mit Pestiziden und Düngemitteln beliefert. RMG Concept, die sich auf ihrer Website ebenfalls als Vorreiterin der nachhaltigen Landwirtschaft und als verlässliche Partnerin von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern anpreist, betreibt seitdem die grosse Reisplantage und das daran angegliederte Vertragslandwirtschaftsprojekt – nach wie vor unter dem Namen Gadco.
Die Chiefs profitieren, die Mehrheit geht leer aus
In Ghana werden ungefähr 80 Prozent der gesamten Landfläche von lokalen Dorfvorstehern, den Chiefs, verwaltet. Deren weitgehende Machtbefugnisse wurden zu einem grossen Teil von den englischen Kolonialherren geschaffen und sind in der Verfassung verankert. Für Gadco waren diese Chiefs von Anfang die zentralen Bezugspersonen, wie achtmonatige Recherchen vor Ort in den Jahren 2014 und 2016 im Rahmen einer Dissertation zeigten. [1]
Zusammen mit den Chiefs, die meist eine höhere Ausbildung genossen haben, erarbeiteten die Firmenvertreter von Gadco einen community-private partnership Vertrag. Der Deal: Die Gemeinschaft stellt den Investoren 2000 Hektaren Land für den Reisanbau zur Verfügung und wird dafür im Gegenzug mit 2,5 Prozent am Gewinn der Firma beteiligt. Dieser Gewinn sollte dann ausschliesslich in Entwicklungsprojekte der lokalen Dörfer fliessen.
Die Recherchen vor Ort zeigten allerdings: An der Basis war von den Gewinnen kaum etwas angekommen. Eine junge Frau sagte dazu: «Ich habe keine Ahnung wofür sie das Geld nutzen – bis heute haben wir nicht einmal gutes Trinkwasser in den Dörfern.»
Im Dorf Bakpa Adzani, das den Investoren am meisten Farmland überlassen hatte, wurde die Bevölkerung einfach übergangen. Eine ältere Witwe bestätigt: «Wir wurden nicht informiert. Wir waren gerade auf der Farm, als die Firmenvertreter kamen und sagten, sie würden nun unser Land pflügen. Wir flehten sie an, wenigstens bis nach der Ernte zu warten.»
Bei den Recherchen stellte sich heraus, dass die Chiefs eigenmächtig über Kompensationen entschieden. So erstaunt es nicht, dass hauptsächlich Clan- und Familienmitglieder der Chiefs Entschädigungszahlungen erhielten. Diese waren denn auch die Hauptprofiteure des lokalen Vertragslandwirtschaftsprojekts namens Fievie Connect.
Frauenförderung – ein leeres Versprechen
Gadco versprach auch, mit dem Reisanbau Frauen in den Dörfern wirtschaftlich zu stärken. So sollte die Hälfte aller Vertragsbauern Frauen sein. Doch 2014 und 2016 waren die meisten outgrower gutbetuchte ältere Frauen und Männer. Etliche von ihnen gingen gar nicht selber auf die Felder, sondern stellten ärmere Frauen zu geringen Löhnen an. Und Männer, die als Vertragslandwirt eingetragen waren, schickten oft ihre Frauen auf die Felder, was deren eh schon hohe Arbeitslast zusätzlich vergrösserte.

Was die Erntemaschinen zurückgelassen haben, heben die Frauen für den Eigengebrauch auf. (Bild: Divine Harrison)
Negative Auswirkungen hatten zudem mehrere Ernteausfälle, sowie die Intransparenz der auftraggebenden Gadco. Die Agrarfirma stellte immer höhere Preise für Düngemittel und Pestizide in Rechnung, entsprechend schrumpfte der erwirtschaftete Profit der VertragslandwirtInnen. 
Auch bei den Arbeitsbedingungen erfüllte Gadco die Versprechen nicht. 2014 besass von den rund 150 Angestellten nur eine Minderheit einen Arbeitsvertrag, die Löhne waren so tief, dass viele befragte Personen von der Rückkehr in die karge Subsistenzlandwirtschaft träumten. Frauen waren zudem fast ausschliesslich als Tagelöhnerinnen für das Ausbringen von Dünger angestellt und verdienten dabei umgerechnet 3 US-Dollar pro Tag.
Die Ärmsten sind die VerliererInnen
Bei der Umwandlung von privat- und gemeinsam genutztem Land in eine Reis-Monokultur haben die Ärmsten den höchsten Preis bezahlt, allen voran MigrantInnen und alleinstehende Frauen. Vor allem der Verlust grosser Flächen gemeinschaftlich genutzten Landes (den sogenannten commons), das von Regierungs- und Firmenvertretern gerne als «ungenutztes» Land bezeichnet wird, traf die Ärmsten am stärksten.
Eine Vielzahl von Fischteichen und kleinen Bächen, die nicht nur stark zur Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung beitrugen, sondern für mehrere Dörfer auch die einzigen Wasserquellen waren, wurden von Gadco zerstört ­– ebenso sämtliche Bäume und Sträucher. Die vielen über das Land verteilten Bäume wurden zuvor als Feuerholz für den Eigenbedarf genutzt und bildeten die Lebensgrundlage vieler ärmerer Frauen, die das Holz zu Kohle verarbeiteten und verkauften. Eine von ihnen berichtete: «Früher haben wir die Bäume beschnitten, um Kohle zu produzieren, aber nun haben sie (Gadco) alle Bäume gefällt und wir haben Mühe überhaupt etwas zu essen zu kaufen.»

Das Dorf Kpevikpo wurde komplett von der Reisplantage umschlossen. Gadco baute die Zugangsstrasse zum Dorf aus, damit Traktoren darauf fahren können, und direkt am Dorfeingang wurde ein Bewässerungskanal gebaut. In der Regenzeit, sowie jedes Mal, wenn Gadco die Felder bewässerte, blieben die Menschen faktisch in ihrem Dorf eingesperrt. Kinder konnten nicht zur Schule gehen, Frauen mussten in der Regenzeit durch brusthohes Wasser waten, um auf den Markt zu gehen. Eine Frau aus Kpevikpo: «Ich sehe nichts Positives an der Firma. Sie haben nur unser Land zerstört. Wir haben sie gefragt, ob sie eine kleine Brücke über den Kanal bauen können, aber sie haben sich geweigert.»
«Wir mischen uns nicht ein»
Für angerichtete Schäden fühlte sich Gadco nicht verantwortlich. Verhandlungen wurden generell über die Chiefs abgewickelt. Diese schlugen Widerstand und Proteste der Lokalbevölkerung von Fall zu Fall auch unter Einsatz von Gewalt nieder. Dabei war sich Gadco der verschiedenen Probleme durchaus bewusst. Der ehemalige Manager Adidakpo Abimbola räumte sogar ein, man leihe den Chiefs regelmässig einen Pick-Up Truck aus, wenn es Probleme mit der lokalen Bevölkerung gebe. Die Chiefs bewaffneten dann einige Jugendliche mit Stöcken und schlugen die Aufständischen in die Flucht.
Auf die Frage, ob sich Gadco bewusst sei, dass hier im Namen von nachhaltiger Entwicklung gesprochene Gelder für Profitinteressen einiger Weniger zweckentfremdet würden, meinte der neue Manager Satyendra Kumar Singh nur: «Wie die lokale Bevölkerung mit dem Geld umgeht, geht uns nichts an. Wir haben unsere Geschäftsstrukturen und sie haben ihre. Wir mischen uns nicht ein.»
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[1] PhD Dissertation in Sozialanthropologie mit dem Titel: «Institutional Change, Gender and Power Relations. Case study of a ‹best practice› large-scale land acquisition in Ghana.» Universität Bern, 2018.
[2] Verschiedene Geldgeber von Gadco werden ihrerseits von staatlichen Entwicklungsakteuren unterstützt: AgDevCo wird hauptsächlich vom englischen Department for International Development (DfID) finanziert;  AGRA erhält Gelder von DfID, dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), USAID und verschiedenen anderen Entwicklungsakteuren; Aatif ist eine Initiative des BMZ und der KfW Bankengruppe.


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Dieser Beitrag ist zuerst in der Sommerausgabe der Alliance-Sud-Zeitschrift «global» erschienen.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Dachverbands von sechs Schweizer Hilfswerken Alliance Sud.

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