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Reben im Weinbaugebiet bei Stellenbosch, Südafrika, Anfang September 2024. © copyright Ralph Hellener

Farmarbeiterinnen protestieren gegen europäisches Gift

Daniela Gschweng /  Gefährliche Spritzmittel, die in der EU längst verboten sind, landen in den Weinbergen Südafrikas. NGOs fordern ein Exportverbot.

Deutschland und andere europäische Länder exportieren giftige Pestizide, die in der EU zum Teil seit Jahrzehnten verboten sind, in alle Welt. Ein Teil davon geht nach Südafrika, wo sie unter anderem im Weinbau versprüht werden.

67 der Pestizide, die in Südafrika eingesetzt werden, sind in der EU verboten. Weitere 121 stuft das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) als hochgiftig ein. Durch Lebensmittelimporte gelangen Rückstände dieser schädlichen Stoffe wieder nach Europa – zum Beispiel in südafrikanischem Wein. Das grösste Gesundheitsrisiko tragen jedoch die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Farmen, die den Giften ausgesetzt sind.

Tonnenweise Gift aus Europa

In Südafrika wächst der Protest gegen das europäische Gift. Ende August demonstrierte die südafrikanische Organisation Women on Farms vor dem deutschen Konsulat in Kapstadt gemeinsam mit Angestellten von Oxfam Deutschland gegen den Einsatz hochgiftiger Pestizide in der Landwirtschaft.

Arbeitsbedingungen in Südafrika: Meistens schutzlos

Wie Oxfam berichtet, arbeiten die Frauen in den südafrikanischen Weinbergen oft ohne jeglichen Schutz, selbst während die Pestizide ausgebracht werden. Kurz nach der Anwendung müssen sie zurück auf die Felder. Die Möglichkeit, Rückstände an Händen und Kleidung abzuwaschen, gibt es kaum. Die gesundheitlichen Folgen können gravierend sein: Zahlreiche Studien bringen den Kontakt mit Pestiziden mit schweren Erkrankungen in Verbindung. Arbeiterinnen und Arbeiter, die krank werden, müssen die Gesundheitskosten meist selbst tragen.

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Protestierende Farmarbeiterinnen am 27. August auf dem Weg zum deutschen Konsulat in Kapstadt.

Zunehmender Protest und politischer Druck

Auch Marcos Orellana, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und den umweltverträglichen Umgang mit gefährlichen Stoffen, forderte im Juni strengere Massnahmen im Umgang mit Pestiziden, Kompensation für Geschädigte und Umweltmassnahmen. Unter anderem fänden sich mindestens fünf in der EU verbotene Pestizide in hohen Konzentrationen in südafrikanischen Flüssen. 

Ein grosser Teil der Pestizide in den Weinbergen Südafrikas komme aus Deutschland, schreibt Oxfam. Die Organisation stützt sich auf einen Report, den das Pesticide Action Network (PAN) im Auftrag von Women on Farms erstellt hat.

2018 und 2019: 900 Tonnen Cyanamid

Für den Report hat PAN Germany Daten aus mehreren Quellen ausgewertet, wie viele in der EU verbotenen Pestizide von 2018 bis 2021 nach Südafrika gelangten und aus welchen Ländern.

Der ältere Teil des Datensatzes umfasst die Jahre 2018 und 2019 und stammt von der Schweizer Organisation Public Eye. 2018 gingen 900 Tonnen des reproduktionstoxischen, wahrscheinlich krebserregenden, seit 2008 in der EU verbotenen Cyanamids von Deutschland nach Südafrika. Exporteur war die deutschen AlzChem AG. Der Bayer-Konzern exportierte im selben Zeitraum 190 Kilogramm Cyfluthrin.

Deutschland ist nicht der einzige EU-Staat, der solche Exporte genehmigte: Auch aus Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden und Spanien wurden 2018 und 2019 Pestizide nach Südafrika exportiert.

Auch andere Länder machen mit beim Pestizidkarussell

Syngenta ist ebenfalls in der Liste vertreten. Der Konzern mit Sitz in Basel exportierte 2019 Atrazin aus Frankreich und in beiden Jahren Paraquat aus Grossbritannien nach Südafrika. 

Exportzahlen von 2021, die aus einer kleinen Anfrage der Grünen an den deutschen Bundestag stammen, belegen:  Aus Deutschland wurden 2021 jeweils 12 Tonnen Glufosinat und 28 Tonnen des bienenschädlichen Neonicotinoids Imidacloprid sowie 75 Kilogramm Thiram aus nach Südafrika exportiert.

Aus Daten der europäischen Chemikalienagentur ECHA geht hervor, dass 2020 und 2021 Chlorothalonil, Propineb, Triflumuron and Zineb aus der EU nach Südafrika exportiert wurden. Triflumoron sei zu dieser Zeit in der EU allerdings nicht verboten gewesen, merkt der Report von PAN Germany an.

Die exportierenden Unternehmen argumentieren mit der Nachfrage aus Ländern wie Südafrika und Brasilien – dem weltweit grössten Pestizidimportland. Wenn es einen Käufer für giftige Substanzen gibt, sollte man sie demnach auch anbieten, so die Logik der Hersteller.

Frankreich umgeht ein Verbot, Deutschland hat gar keines

Die deutsche Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, sich auf EU-Ebene für ein Exportverbot einzusetzen. Geschehen sei bisher wenig, sagen Organisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Inkota-Netzwerk oder PAN Germany. Während Länder wie Frankreich und Belgien bereits nationale Exportverbote umgesetzt haben.

Aber auch da läuft es nicht rund. Frankreich hat den Export von verbotenen Pestiziden beispielsweise 2022 untersagt. Das Land sieht sich nach Recherchen von «Unearthed» aber derzeit mit Vorwürfen konfrontiert, dieses Verbot zu umgehen. Wegen einer Gesetzeslücke würden Roh- und Wirkstoffe exportiert, was kaum weniger gefährlich sei als fertige Pestizide.

Auch das Zielland selbst macht mit. Pestizide sind auch für Südafrika ein Exportartikel. Sie gehen in die Nachbarländer wie Sambia und Namibia, aber auch nach China.

Aktuelle Daten gibt es noch nicht

Wie viele verbotene Pestizide 2022 und 2023 aus der EU nach Südafrika exportiert wurden, ist noch nicht bekannt. Oxfam warte derzeit auf aktuelle Daten der EU-Chemikalienagentur ECHA, erklärt Tim Zahn, der bei Oxfam Deutschland den Bereich Menschenrechte in globalen Lieferketten vertritt, auf Nachfrage.

Die kirchliche Organisation Misereor sammelte bis Juni über 150’000 Unterschriften in Deutschland und appellierte damit an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, verbotene Pestizide aus der EU nicht mehr zu exportieren.

Susan Haffmans, Pestizidreferentin bei PAN Germany, forderte die deutsche Regierung auf, ihre Verantwortung als einer der weltweit grössten Exporteure von Pestiziden wahrzunehmen und ein rechtssicheres Exportverbot zu erlassen. Silke Bollmohr vom Inkota-Netzwerk betonte bei der Übergabe der Unterschriften, Menschenrechte müssten endlich vor Profite gestellt werden.

Für den 13. November, immerhin, plant der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit des deutschen Bundestags eine öffentliche Anhörung zum Thema.

Wenig Chancen für Importverbot in Südafrika

«Rechtssicher» ist auch das Stichwort in Südafrika. Auf anhaltenden Druck hin gibt es dort Überlegungen, den Import von Pestiziden zu untersagen, die im Exportland verbotenen sind. Umgesetzt werde davon nach seinen Informationen bisher nichts, sagt Tim Zahn. Bei seiner letzten Südafrikareise im August sei sein Eindruck gewesen, dass progressive Gesetzgebung von der südafrikanischen Regierung aktuell nicht zu erwarten sei. «Der Landwirtschaftsminister in der neuen Regierungskoalition kommt von der eher wirtschaftsliberalen Partei DA», erklärt er.


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