Sperberauge
Extremes Schröpfen von Schweizer Konsumenten
Das Schweizer Konsumentenmagazin K-Tipp war im April in deutschen Supermärkten unterwegs. In den Regalen fanden die Journalisten die unterschiedlichsten Produkte von Schweizer Herstellern. Alle waren billiger, für manche müssen die Konsumenten in Deutschland kaum mehr als die Hälfte dessen bezahlen, was die Kunden in der Schweiz dafür ausgeben müssen – und das, obwohl die Mehrwertsteuer auf Lebensmitteln in Deutschland deutlich höher ist. Möglich macht das auch der Schweizer Steuerzahler.
- Beim deutschen Grosshändler Edeka fanden die Journalisten zum Beispiel Biskuits des Schweizer Herstellers Kambly. Die 175-Gramm-Mischung Primavera kostet dort umgerechnet 4.60 Franken. In der Schweiz zahlen die Kunden bei Coop für die gleiche Packung 8.50 Franken, bei Spar Express sogar 9.20 Franken. Damit kosten die Kambly-Biskuits in der Schweiz 85 respektive 100 Prozent mehr als in Deutschland.
- Die Produkte des Schweizer Milchverarbeiters Emmi kauft der Kunde in Deutschland viel günstiger ein. Das Griesstöpfli kostet in Deutschland umgerechnet 1 Franken, bei Coop berappt man dafür 1.50 Franken. Dasselbe Bild beim Caffè Latte Vanilla: Bei Rewe kostet er 1.70 Franken, bei Coop in der Schweiz legt man dafür 2.25 Franken hin – etwa ein Drittel mehr als in Deutschland.
- Die Toggenburger Butterbiskuits von Kägi sind ein weiteres Beispiel. Bei Coop zahlt der Kunde dafür 2.95 Franken. Damit kosten die Biskuits rund 40 Prozent mehr als in Deutschland. Auch die Kägi fret mini kosten in der Schweiz rund einen Drittel mehr als in Deutschland.
- Migros-Eigenmarken sind in Deutschland deutlich billiger. Unter dem Namen Swiss Delice verkauft Edeka Mandelplätzchen für 2.12 Franken. Herstellerin ist die Migros-Tochter Midor in Meilen ZH. In der Schweiz kosten die Plätzchen, die unter der Eigenmarke Créa d’Or verkauft werden, 3.80 Franken. Damit zahlt der Schweizer Kunde über 80 Prozent mehr als in Deutschland.
- Die Produkte der Migros-Partnerin Alnatura gibt es in Deutschland billiger zu kaufen. Etwa die Schoko-Butterkekse, für die Schweizer Kunden rund 40 Prozent mehr als die deutschen Kunden bezahlen. Obwohl die Produkte in der Schweiz hergestellt werden, begründet die Migros gegenüber dem K-Tipp den Preisunterschied unter anderem mit dem Einfuhrzoll. Die Kekse würden erst in ein Zentrallager nach Deutschland exportiert, bevor sie wieder in die Schweiz eingeführt würden.
K-Tipp konfrontierte die Hersteller mit den immensen Preisunterschieden. Emmi und Kambly antworteten, der Ladenpreis werde von den Einzelhändlern bestimmt. Kambly verwies zudem auf den starken Franken, welcher die Preisunterschiede grösser erscheinen lasse. Kägi nahm keine Stellung. Coop erklärte gegenüber dem K-Tipp, der Verkaufspreis basiere auf dem Einkaufspreis der Hersteller. Hinzu kämen die höheren Kosten für Löhne, Werbung und Infrastruktur. Spar äusserte sich überrascht: Der Ladenpreis von 4.60 Franken (Kambly-Biskuits Primavera) liege unterhalb des eigenen Einkaufspreises in der Schweiz.
Die Migros begründete den Preisunterschied bei der Eigenmarke Créa d’Or unter anderem mit höherwertigen Zutaten. Die Mandelplätzli für den Schweizer Markt enthielten 20 Prozent mehr Mandeln als jene für deutsche Kunden.
Im Rahmen des «Schoggigesetzes» unterstützt der Schweizer Steuerzahler mit aktuell 94.6 Millionen Franken pro Jahr den Export von Schokolade und Biskuits, wenn darin Schweizer Milch oder Getreide enthalten ist. Die Export-Subventionen galten lange als wichtiger Pfeiler, um Schweizer Zutaten auf Weltmarktniveau zu verbilligen. Gegenüber dem K-Tipp sagten die befragten Firmen, aufgrund der Subventionen aus dem Schoggigesetz könnten sie ihre Produkte zu tieferen Preisen ins Ausland verkaufen.
Im Dezember 2015 hat die WTO-Ministerkonferenz in Nairobi die Abschaffung aller Exportsubventionen für landwirtschaftliche Güter beschlossen. Die Schweiz muss diesen Beschluss bis spätestens 2020 umsetzen und das Schoggigesetz abschaffen beziehungsweise total revidieren. Die Nahrungsmittel-Lobby bearbeitet das Parlament, damit es die bisherigen Exportsubventionen unter anderem Label in möglichst gleich hohe Beihilfen umwandelt, die formal WTO-konform sind.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Wir können aufatmen: die anderen sind schuld.
Vielen Dank für diesen Artikel – allerdings bin ich immer wieder erstaunt, was für unnötige, sogar schädliche Industrieprodukte verglichen werden. Diese sind Gott sei Dank nicht überlebenswichtig. Solches Zeug kaufe ich äusserst selten. 🙂 und diese Empfehlung kann ich jedem geben, insbesondere wenn wenig Geld vorhanden ist und man/frau trotzdem gesund bleiben will. 🙂