Big Five profitieren vom Oligopol auf Agrarrohstoffe
Im August 2024 genehmigte die Europäische Kommission den Zusammenschluss der international agierenden Agrarhändler Viterra und Bunge, ohne vorher zu prüfen, wie sich diese Fusion auf die globalen Agrarmärkte auswirken wird.
Die niederländische Organisation SOMO erforscht, wie sich die Macht fusionierender multinationaler Konzerne auf Märkte und Versorgung mit Lebensmitteln weltweit auswirkt. In ihrem Report «Hungry for profits» von Januar 2024 begründet sie, warum die Europäische Kommission bei einer Fusion dieser Art hätte intervenieren müssen.
Konkret untersuchten die Autoren die fünf Unternehmen, die in der globalen Lebensmittelversorgung marktbeherrschend sind: ADM, Bunge, COFCO, Cargill und Louis Dreyfuss Company. Die «Big Five» (nachfolgend: ABCCD) kontrollieren zusammen 70 bis 90 Prozent des weltweiten Handels mit Getreide. Die Konzern-Gruppe besitzt das Monopol auf Grundnahrungsmittel wie Getreide, Mais, Soja und Zucker, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Das versetzt sie in die Lage, Preise zu diktieren und Kosten zu beeinflussen. Darüber hinaus übt sie ein hohes Mass an Kontrolle aus über die wichtigsten Exportmärkte für Soja nach Brasilien, USA, Paraguay und Argentinien.
Im Jahr 2022 verdreifachten sich die Gewinne der ABCCD-Gruppe gegenüber dem Zeitraum 2016 bis 2020. Auch 2023 fuhren die Unternehmen hohe Profite ein. Damit kurbelten sie die weltweite Inflation weiter an. Dank eines riesigen Netzwerks von vertraglich gebundenen landwirtschaftlichen Lieferanten sowie Dienstleistern in den Bereichen Lagerung, Verarbeitung und Transport können sie ihre mächtige Position in der Lebensmittelversorgungskette dauerhaft durchsetzen. Mit dem Beitritt der Firma COFCO International weitet die Gruppe ihren Einflussbereich zusätzlich nach Asien aus.
Geballte Marktmacht mit Preisdiktat
Das von den Megakonzernen geschaffene Oligopol versetzt sie in die Lage, die globalen Lebensmittelwertschöpfungsketten über Jahrzehnte zu kontrollieren. Das verleiht ihnen enorme Verhandlungsmacht. Das Monopol sichert ihnen gigantische Gewinne, ohne gängige Umweltstandards einhalten zu müssen. Über Joint Ventures und gemeinsame Investitionen arbeiten die Globalisten eng zusammen. Vom Rohstoffproduzenten bis hin zum Kunden sind sie «stark vertikal integriert», das heisst, sie üben Macht und Kontrolle von der Vorstandsetage bis hinunter zum einzelnen Kunden aus. Viele kleinere Landwirtschaftsbetriebe oder Händler haben keine andere Wahl, als zu akzeptieren, was ihnen marktmächtige Konzerne vorschreiben. Zudem schränken die Monopole die Vielfalt an Innovationen und alternative Landwirtschaftsmodelle ein.
Big Agro trifft Big Data
Die ABCCD-Gruppe versorgt die Landwirte auch mit Krediten, Saatgut, Düngemitteln und Pestiziden. Sie lagern, verarbeiten und transportieren Lebensmittelrohstoffe. Weil sie am ganzen Produktionsprozess beteiligt sind, haben sie Zugang zu wertvollen Marktdaten. So sammeln sie grosse Mengen an Daten über Ernten, Preise und die politischen Entwicklungen in aller Welt. Diese Informationen können sie nutzen, um die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Verarbeitung zu beeinflussen und zu kontrollieren. In Zeiten von Lebensmittelkrisen, wenn der Agrarrohstoffmarkt volatil und unruhig ist, sind Einblicke in das künftige Angebot an relevanten Agrarrohstoffen von entscheidender Bedeutung. Das verschafft ihnen einen enormen Vorteil gegenüber anderen – kleineren – Lebensmittelunternehmen.
EU könnte die Oligopolmacht effizienter eindämmen
«Wir haben keine Nahrungsmittelkrise, sondern eine Preiskrise», erklärt Martin Schirdewan, Mitglied des Europaparlaments für Die Linke. Die Lebensmittelkonzerne würden ihre Monopolmacht schamlos ausnützen, um die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Der EU-Abgeordnete fordert, skrupellose Konzerne zu zerschlagen, Megafusionen zu stoppen und ihre gigantischen Profite zu besteuern.
Seit 1990 überprüften die EU-Wettbewerbsbehörden insgesamt 60 Fälle von Fusionen und Übernahmen durch die ABCCD. Alle bis auf eine wurden widerspruchslos und ohne Auflagen genehmigt. Infolge dessen konzentriert sich der Markt für den Handel mit Agrarrohstoffen nun bei immer weniger Unternehmen.
Dabei könnte die Europäische Kommission den Trend zu einer immer stärkeren Monopolisierung stoppen oder zumindest darauf Einfluss nehmen. Dafür müsste sie allerdings die verschiedenen Märkte untersuchen, in denen die ABCCD-Unternehmen tätig sind, einschliesslich ihrer Einflussnahme auf allen Produktions- und Marktebenen sowie der Joint Ventures und anderer Kooperationen.
Die Untersuchung könnte sich auch auf die Marktmacht konzentrieren, die ABCCD gegenüber den Lieferanten ausübt, um deren Gewinnspannen zu drücken. Kurzfristig könnten die Regierungen auch eine Steuer auf unerwartete Gewinne bei den grossen Agrarrohstoffhändlern einführen, verbunden mit Gesetzen gegen Preiswucher, um übermässige Preiserhöhungen in Notzeiten zu verhindern. Übermässige Gewinne sind ein deutliches Zeichen, dass der Wettbewerb nicht spielt.
Konzentrierte Konzernmacht zerstört Natur irreversibel
Die Agrarrohstoffhändler ABCCD hinterlassen einen gigantischen sozialen und ökologischen Fussabdruck. Damit verhindern sie, dass sich Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ökologisch ausrichten und gegenüber sich ändernden Umweltbedingungen resilienter werden.
So sind rund 90 Prozent der weltweiten Entwaldung, etwa am Amazonas oder der brasilianischen Cerrado-Region, auf die Ausweitung der dortigen Soja-, Kakao-, Palmöl-Plantagen sowie auf Rinderzucht zurückzuführen – unter der massgeblichen Beteiligung der ABCCD-Unternehmen.
Laut dem Entwaldungsreport «Mighty Earth’s Soy & Cattle Deforestation Tracker» war die ABCCD-Gruppe zwischen 2019 und 2021 für das Abholzen von mindestens 161’000 Hektar Wald verantwortlich. Ihre Soja- und Rinderlieferketten vernichteten Wald in einer Grösse von über 225’000 Fussballfeldern. Das bedeutet nicht nur einen riesigen Verlust an biologischer Vielfalt, sondern bedroht auch die Existenz von Hunderttausenden von Menschen, die von und in den Wäldern leben.
Weltweit ist die Agrarindustrie für ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich.
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Im Titel stand ursprünglich Monopol statt Oligopol.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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