Kroatien, Tschechien und Polen haben die Schweiz überholt
«Leider fällt die Bilanz nicht gut aus», spricht Markus Reubi in einem auf der EDA-Webseite publizierten Interview Klartext zum Stand der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Reubi ist Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und gehört zur Delegation der Schweiz am zweitägigen Treffen am UNO-Hauptsitz in New York, an der acht Jahre nach der Verabschiedung der Agenda Zwischenbilanz gezogen wird. Christian Frutiger, Chef der Abteilung thematische Zusammenarbeit in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, nennt die Situation im selbigen Interview als «wirklich besorgniserregend».
Die Welt ist nur bei 12 Prozent der insgesamt 169 Unterziele der Agenda 2030 auf Kurs, bei einem Drittel gibt es keine Fortschritte, teilweise sogar Rückschritte. Und gibt es Fortschritte, dann meist zu wenig schnell.
Wie schneidet die Schweiz ab? Die Antwort dazu blieb vage: «Die Richtung stimmt, das Tempo nicht». Genaue Auskunft liefert der jährlich publizierte «Sustainable Development Report» für mehr als 160 Länder, darunter die Schweiz. Sie schneidet immerhin besser ab als der Durchschnitt der Welt. Bei mehr als der Hälfte der Ziele erhält sie gute Noten – wie beispielsweise für Armutsbekämpfung, Gesundheit und Wohlbefinden, Bildung, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtung oder Industrie, Innovation und Infrastruktur. Sie hat aber – auch das ist dem Report zu entnehmen – noch viel «Luft nach oben». Im Länder-Ranking ist sie seit dem Vorjahr sogar zurückgefallen. Brachte sie es 2022 auf Rang 8, so ist sie neu auf Rang 15 abgerutscht. Negativ vermerkt wird eine zunehmende Ungleichheit der Einkommen und die wachsende Kluft zwischen den reichsten zehn und den untersten 40 Prozent der Einkommensbezüger.
Die zentraleuropäischen EU-Staaten Tschechien, Polen, Estland, Kroatien, Slowenien und Lettland, aber auch Grossbritannien haben die Schweiz überholt. Sie erzielten zuletzt Fortschritte, während die Schweiz in vielen Bereichen stagniert.
Die Schweiz bremst die Entwicklung anderer Länder
Negativ bewertet wird die Schweiz insbesondere wegen den «Spillover Effekten», die sie durch ihre Handels-, Steuer- und Finanzmarktpolitik auslöst. Zielhafen für Steuerflüchtlinge und für Gewinnverlagerungen multinationaler Konzerne, fehlende Transparenz in Finanzmarkt-Angelegenheiten, Stickstoff- und Schwefeldioxid-Emissionen bei den Importen, Mängel bei der Biodiversität werden als Schwächen der Schweiz erwähnt, die über ihre Grenzen hinaus andere Länder belasten oder sie gar daran hindern, sich nachhaltig zu entwickeln.
Nur neun Länder fallen anderen Ländern noch stärker zur Last als die Schweiz – angeführt von Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von den europäischen Ländern stehen Island, Luxemburg, die Niederlande, Belgien und Zypern noch schlechter da als die Schweiz.
Dass es auch besser ginge, zeigen die Top-Länder Finnland, Schweden und Dänemark. Wie in den Vorjahren erzielen sie auch jetzt die Bestresultate bei der Umsetzung der Agenda-Ziele. Sie haben auch die «Spillover Effekte» vergleichsweise gut im Griff. Der Reichtum eines Landes steht offenbar nicht automatisch im Widerspruch zu einer nachhaltigen Entwicklung. Es spielt eine Rolle, wie die Politik den Rahmen setzt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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