Tongwei Vollautomatisierte Produktion von Solarmodulen

Energiekonzern Tongwei mit Sitz in Chengdu (China): Vollautomatisierte Produktion von Solarmodulen führt zu niedrigen Herstellungskosten. © Tongwei

Weltspitze bei PV-Modulen und E-Autos: Das ist Chinas Rezept

Urs P. Gasche /  Der Staat gewährte Investoren massive Starthilfen, lässt dann aber weniger effiziente Unternehmen gnadenlos pleite gehen.

Die Industriepolitik Chinas beruht – etwas vereinfacht gesagt – im Wesentlichen auf folgendem Erfolgsrezept: Der Staat wählt zukunftsgerichtete Branchen aus, stellt Unternehmen dieser Branchen günstiges Land zur Verfügung und gewährt ihnen günstige Kredite und andere Vergünstigungen. 

Dann lässt er die geförderten Unternehmen im ganzen Land gegeneinander antreten. Überkapazitäten nimmt der Staat in Kauf und baut die Anschubvorteile langsam ab.

Bald führen Überkapazitäten zu einem erbitterten Preiskampf. Die fittesten Unternehmen, die am effizientesten produzieren, überleben und setzen sich im Markt durch. Die weniger effizienten Unternehmen, die zu teuer produzieren, päppelt der Staat nicht etwa auf, sondern lässt sie Konkurs anmelden. 

So hat es China geschafft, bei Solarpanels in relativ kurzer Zeit weltweit führend zu werden. Nicht nur die allermeisten PV-Module selber, sondern auch die Technik zu ihrer Herstellung werden weitgehend in China hergestellt und exportiert.


Industriepolitik am Beispiel eines geförderten Solarunternehmens

Keith Bradsher, Büroleiter der «New York Times» in Beijing, verfolgt die Entwicklung der chinesischen Solarindustrie bereits seit 2009. In der Ausgabe vom 25. Juli 2024 illustrierte er die chinesische Industriepolitik am Beispiel des Solarunternehmens Hunan Sunzone Optoelectronics

Diese 2008 gegründete Herstellerin von Solarmodulen profitierte beim Start von allen möglichen Subventionen. Sie erhielt 22 Hektar erschlossenes Land in der Mitte von Changsha, der Hauptstadt der Provinz Hunan, fast umsonst. Eine der grössten staatlichen Banken Chinas vermittelte einen Kredit zu einem niedrigen Zinssatz. Die Provinzregierung von Hunan erklärte sich dann sogar bereit, den grössten Teil der Zinsen zu übernehmen.

Trotz der finanziellen Hilfe steht die Fabrik von Sunzone jetzt leer. Ein grosses «Sunzone»-Schild rostet dahin. Die einzige Person, die bei einem Besuch des NYT-Korrespondenten an einem Nachmittag noch auf dem Gelände arbeitete, sei ein Wachmann gewesen. Er habe gesagt, die Fabrik solle durch ein Bürogebäude ersetzt werden.

Das Unternehmen ist ein Beispiel dafür, wie üppige Kredite staatlicher Banken und grosszügige lokale Subventionen zu Überkapazitäten führten. Um zu versuchen, ihren Marktanteil zu halten, senkten die Solarunternehmen ihre Kosten und Preise. Dieser Preiskampf wiederum hatte zur Folge, dass einige wenige Unternehmen mit niedrigen Kosten überlebten, während viele andere Wettbewerber in China und weltweit aus dem Geschäft gedrängt wurden.

Die Fabrik von Sunzone beschäftigte 360 Mitarbeitende, als sie gebaut wurde. Doch innerhalb weniger Jahre bauten Konkurrenten in anderen Teilen Chinas viel grössere Fabriken. Darunter die Konzerne Tongwei und Longi Green Energy Technology. Beide konnten dank noch viel grösseren Produktionsanlagen gewaltige Einsparungen erzielen. Einen Teil ihrer zusätzlichen Einnahmen steckten sie in die Entwicklung von Solarmodulen, die das Sonnenlicht noch effizienter in Strom umwandeln.


«Helft bei der Ernte und kommt nachher zurück in die neuen Produktionsanlagen»

Viele Fabriken wurden wie die Hunan Sunzone Optoelectronics aus dem Markt geworfen. Solarhersteller in ganz China entliessen Tausende von Beschäftigten, um die Kosten zu senken. Andere grosse Solarfirmen offerierten einen einjährigen unbezahlten Urlaub. Oder sie boten den Mitarbeitenden weiterhin einen Arbeitsplatz an, wenn diese eine 30-prozentige Lohnkürzung hinnahmen. Zhang Jianhua, Direktor der Nationalen Energiebehörde Chinas, erklärte auf einer Pressekonferenz im vergangenen Juni: «Es gibt immer noch zu viele veraltete Produktionskapazitäten. Sie müssen schrittweise abgebaut werden.»

Einige Unternehmen erklärten dem NYT-Korrespondenten, dass sie ihre Mitarbeitenden nur entlassen, um sich auf künftige noch grössere Produktionssteigerungen vorzubereiten. Zhang Haimeng, Vizepräsident der Longi-Gruppe haben den Arbeitern gesagt: «Geht zurück zu Euren Familien auf dem Lande und helft bei der Ernte. Kommt im Herbst wieder, wenn die neuen Maschinen fertig sind.»

Chinas Solarenergieunternehmen kommen zusätzlich unter Druck, weil lokale Subventionen gestrichen werden. Den lokalen Regierungen geht das Geld aus, da sie wegen der Immobilienkrise weniger Pachtverträge für staatliche Grundstücke abschliessen können. Das war ihre bisher grösste Geldquelle. Der neuste Reformplan von Chinas Zentralkomitee sieht vor, dass ein Teil der Steuereinnahmen, die bisher nach Beijing flossen, direkt an regionale Behörden gehen sollen.  


Rechtswidrige Verhängung von Zöllen auf PV-Module und E-Autos

Mit der Produktion von immer günstigeren Solarmodulen in grossem Masstab leistet China einen grossen Beitrag zur weltweiten Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Solarenergie. Doch die USA und die EU behindern die chinesischen Importe mit teilweise hohen Zöllen, sodass die Hausbesitzer und -besitzerinnen in Europa und den USA von den fallenden Preisen nur ungenügend profitieren können.

Die USA und die EU begründen ihre Zölle mit den chinesischen Subventionen, die den Wettbewerb verzerren würden. China ist Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. Doch der Konflikt wird nicht auf dem Rechtsweg ausgetragen. Die Zölle wurden einseitig eingeführt, obwohl sich die WTO-Mitglieder verpflichtet haben, keine einseitigen Massnahmen zu ergreifen, sondern vom Streitbeilegungsmechanismus des WTO Gebrauch zu machen.


➔ Siehe dazu den Beitrag auf Infosperber vom 1. August 2024:
Die USA verschieben rechtswidrige «Strafzölle» gegen China


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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4 Meinungen

  • am 6.08.2024 um 11:48 Uhr
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    Das funktioniert nur, wenn die Gewinne der Sieger an Verlierer UND die Bevölkerung weitergegeben werden, ansonsten wäre es tödlichster Kapitalismus. Ist es das letztere oder böser Kommunismus, wie die Gewinner im Westen sagen würden?

    • am 6.08.2024 um 23:18 Uhr
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      So sieht nun die so genannte «freie Marktwirtschaft» aus – dem Vehikel, dem wir alle hinterher laufen. Und die Chinesen sind so frei.

  • am 7.08.2024 um 00:41 Uhr
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    Nun muss auch China, wie viele andere Brics-Staaten verstehen, dass man dem Westen und seinen Institutionen keinen Glauben schenken kann. Und bald werden die USA und Europa alleine da stehen!

  • am 7.08.2024 um 09:46 Uhr
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    Ja, tolles System. Und wie werden Unternehmen fitter und effizienter als andere in einem Land, das keinen Mangel an Arbeitskräften kennt? Könnte es sein, dass für diese Firmen auch mal Verstösse gegen geltendes Arbeitsrecht übersehen werden? Dass Gewerkschaftsrechte eingeschränkt werden? Möglicherweise durch Kinderarbeit oder gar Zwangsarbeit?

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