Syngenta

Syngenta ist europaweiter Exportkönig von Produkten, die in den Produktionsländern verboten sind. Ausgerechnet Syngenta sponserte an der ETH Zürich eine Professur für «Sustainable Agroecosystems». © EvB/Claude Giger

Warum viele Professoren so industrie- und bankenfreundlich sind

Urs P. Gasche /  Konzerne und Grossbanken finanzieren Professuren und Uni-Institute. «Wer zahlt, nimmt Einfluss» soll dort aber nicht gelten.

Im Jahr 2012 war bekanntgeworden, dass die Grossbank UBS der Universität Zürich mit rund 100 Millionen Franken fünf Lehrstühle finanziert. Zusätzlich finanzierte die UBS mit weiteren Millionen ein eigenes Forschungszentrum, das der Universität angegliedert ist. An diesem «UBS -Center» der Universität Zürich hielt Bundesrat Ignazio Cassis kürzlich eine Rede über das Verhältnis der Schweiz zu Europa.

Die vertraglichen Klauseln dieses Sponsorings blieben vorerst geheim. Der Zürcher Regierungsrat erklärte im Kantonsrat, «der Vertrag mit der UBS sei nicht öffentlich einsehbar, weil die betroffenen Geschäftsinteressen der UBS höher zu gewichten seien als das Interesse an einer öffentlichen Einsicht» (NZZ vom 15.6.2012).

Redaktor Michael Furger kommentierte damals in der «NZZ am Sonntag»: 

«Schon blühen Verschwörungstheorien: Die UBS wolle ‹eine ihr genehme Bildung› kaufen. Das ist Unsinn […] Mit dem Geld will die UBS ihr Image aufpolieren. Das ist alles […] Will die Schweiz ihren Spitzenplatz in Bildung und Forschung halten, müssen andere Unternehmen dem Beispiel der UBS folgen.»

Zwei Jahre vorher hatte es in der NZZ noch anders getönt. In seinem Artikel «Wenn private Geldgeber Schweizer Hochschulen unterstützen» schrieb Redaktor Matthias Daum: 

«Stiftungen, Unternehmen und Private engagieren sich an Schweizer Hochschulen. Diese beteuern, dass die Freiheit von Lehre und Forschung nicht gefährdet sei. Doch auch an der Uni gilt: Wer zahlt, befiehlt.»

Erst ab 2017 begann die Universität Zürich, Sponsorenverträge und Nebenbeschäftigungen von Professoren wenigstens teilweise offenzulegen. 


In St. Gallen sind privat bezahlte Mandate sogar erwünscht

Anders an der Universität St. Gallen, die sich mehrheitlich mit privaten Geldern finanziert. Im März 2021 ging die Credit Suisse «mit der Hochschule St. Gallen eine umfangreiche Partnerschaft ein», wie der Tages-Anzeiger meldete. 10 Millionen seien für ein neues Forschungszentrum mit mehreren Professuren unter der Leitung von Manuel Ammann, Professor für Finance, bestimmt. Bis 2030 sollen 20 Millionen Franken Fördergelder fliessen. Tamedia-Wirtschaftsredaktor Jorgos Bouzos kommentierte lobend: «So sollen Praxis aus der Wirtschaft und die Forschung der Universität zusammenfinden.»

Die Universität St. Gallen erlaubt den Professoren auch lukrative Nebenbeschäftigungen in der privaten Wirtschaft. So war der ordentliche Professor Johannes Rüegg-Stürm seit 2011 Verwaltungsrat der Raiffeisen Schweiz. Das VR-Mandat brachte ihm einen Zusatzlohn von 548’000 Franken. Im Jahr 2018 musste er den VR-Posten auf peinliche Weise niederlegen, nachdem die Aufsichtsbehörde Finma bei der Raiffeisenbank «schwerwiegende Mängel bei Corporate Governance» festgestellt hatte. Peinlich deshalb, weil Rüegg-Stürm an der HSG Direktor des «Instituts für Systematisches Management und Public Governance» war. Er ist dies bis heute.

Eine Rüge von der Finma musste sogar der Rektor der Universität St. Gallen einstecken. Professor Thomas Bieger war seit 2006 neben seiner vollamtlichen Professur auch Verwaltungsratspräsident der Jungfraubahn AG. Diese zahlte ihm dafür im Jahr 2018 geldwerte Leistungen in Höhe von 160’000 Franken. Im gleichen Jahr warf die Finma den Jungfraubahnen vor, drei Jahre lang Marktmanipulation begangen zu haben. Doch Bieger blieb noch bis 2022 VR-Präsident der Jungfraubahn und lehrt bis heute an der Universität St. Gallen als Wirtschaftsprofessor.

«Dass vollamtliche HSG-Professoren nebenher in der Privatwirtschaft arbeiten oder sogar eigene Unternehmen führen, ist in der HSG nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht», schrieb die NZZ im September 2023.

Auch die ETH hängt von Zustüpfen von Konzernen und Milliardären ab. Die UBS beispielsweise zahlte der ETH Zürich im Jahr 2022 40 Millionen Franken.

«Vorbehalte von Syngenta berücksichtigen»

Die Verträge mit den Privaten sind selten vollständig transparent. Doch Infosperber kann in ein «Partnership Agreement» zwischen dem Syngenta-Konzern und der ETH Zürich aus dem Jahr 2010 Einblick geben. Mit 10 Millionen Franken zahlte der Syngenta-Konzern eine Professur für «Sustainable Agroecosystems» im «Departement Umweltsystemwissenschaften» der ETH. 

Auf Anhieb harmlos klingende Klauseln im Vertrag zeigen, wie Syngenta ihren Einfluss auf die Forschung ausüben kann: 

  • Eine Million Franken zahlt Syngenta sofort nach Unterzeichnung des Vertrags. Eine zweite Million erst nach der Ernennung des Professors.
  • Es wird ein «World Food System Advisory Board» gegründet, in dem sich Sponsoren und die betroffenen ETH-Professoren regelmässig austauschen.
  • Im 10- bis 15-köpfigen Wahlgremium, das den Professor vorschlägt, ist Syngenta mit einer Person vertreten.
  • Bevor der ETH-Präsident dem ETH-Rat einen Kandidaten vorschlägt, muss er «alle begründeten Vorbehalte berücksichtigen, die Syngenta gegenüber den Kandidaten haben könnte» («take into account any reasonable reservations that Syngenta may have in relation to the candidates»).

«Unabhängige Finanzforschung» vor der Finanzkrise

Im Jahr 2006, just zwei Jahre vor dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008, hatte sich die Deutsche Bank mit der Berliner Humboldt-Universität und der Technischen Universität Berlin darauf geeinigt, ein Forschungsinstitut aufzubauen, das sich vor allem mit den Risiken der Finanzmärkte und ihrer Produkte beschäftigen sollte. Die Deutsche Bank finanzierte das sogenannte «Quantitative Products-Laboratory» als alleiniger Geldgeber mit drei Millionen Euro pro Jahr. Das berichtete «Die Zeit». 

Zunächst wurden keine Details des Deals bekannt. Doch ein empörter Professor machte den Vertrag im Frühjahr 2011 öffentlich. Die Paragrafen legten fest, dass die Deutsche Bank im Forschungsinstitut den Ton angab. Das Institut habe, so hiess es, «in räumlicher Nähe zur Deutschen Bank»zu liegen, da man eine «enge inhaltliche Zusammenarbeit» anstrebe. 

Weiter bestimmte der Vertrag, dass die Wahl der beiden Professuren «im Einvernehmen mit der Deutschen Bank» erfolgen müsse.

Bei einzelnen Forschungsvorhaben durfte die Deutsche Bank sogar entscheiden, welche Ergebnisse veröffentlicht werden und welche nicht. Die Ergebnisse seien der Bank zur Freigabe vorzulegen, steht im Vertrag. Damit soll sichergestellt werden, dass die «Interessen der Deutschen Bank nicht berührt» werden. Die namentliche Erwähnung der Bank in einer Veröffentlichung sei «in jedem Fall nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Deutschen Bank zulässig».

«Die Zeit» stellte die rhetorische Frage: «Ist ein Professor, der an einem solchen Institut arbeitet, ein Wissenschaftler oder ein Bankangestellter?»

Der Sponsoren-Vertrag zwischen den Berliner Universitäten und der Deutschen Bank ist ein krasses Beispiel. Er zeigt, dass ein öffentliches Interesse besteht, dass das Sponsoring von Universitäten und die Nebenverdienste von Professoren vollständig transparent sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 26.04.2024 um 15:20 Uhr
    Permalink

    Falls man das Sponsoring staatlicher Universitätsinstitutionen durch Firmen, Privatpersonen und Stiftungen erlaubt (was ich tun würde), müssen die Verträge und Regeln für die Öffentlichkeit transparent sein. Nach dem Motto: Sunshine is the best disinfection.

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