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Autohersteller betreiben in Brüssel gemeinsames Lobbying gegen schärfere Abgasnormen © cc

VW als Normalfall: Konzerne regulieren sich selbst

Urs P. Gasche /  Ob im EU-Parlament oder in Landesparlamenten: Grosse Konzerne können ihre Interessen durchsetzen.

Alle Reformversuche, Abgaskontrollen realitätsnah vorzuschreiben, sind in den USA und in der EU an der Lobby der Autoindustrie gescheitert. «Sie war zu mächtig», bilanziert Karl-Heinz Florenz, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament. Als Mitglied des Umwelt-Ausschusses hatte er das Lobbying hautnah erlebt.
Schon seit zwanzig Jahren sei bekannt, dass die vorgeschriebenen Abgastests auf dem Rollband mit der Realität wenig zu tun haben und leicht beeinflusst werden können. Schon 1998 hat der schwedische Umweltforscher Per Kageson detailliert nachgewiesen, wie Autohersteller ihre Autos für die Testsituation präparieren können.
Doch der Europäische Verband der Automobilindustrie hat eine Testreform mit immer neuen taktischen Tricks und dem Einsatz von Lobbyisten sowie Anwaltsfirmen verhindert, wie die «New York Times» am 29.9.2015 detailliert nachzeichnet.
In Ländern mit einer starken Autoindustrie wie den USA, Deutschland, Frankreich und Italien gibt diese Industrie den Politikern den Tarif durch. Parlamentarier sind verfilzt, grosse Parteien nehmen finanzielle Unterstützung der Konzerne gerne entgegen.

Der frühere Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament, Ernst Strasser, hat gegenüber vorgeblichen Lobbyisten zugestimmt, gegen Bezahlung eines jährlichen Gehalts Gesetze und Änderungsanträge im EU-Parlament einzubringen. (Bild ORF)
Grossbanken und Pharmaindustrie in der Schweiz
In der Schweiz machen sich die Grossbanken und die Pharmaindustrie die Mehrheit der Parlamentarier sowie der Parteien ebenso gefügig wie die Autoindustrie die Parlamentarier in ihren Ländern. Banken und Pharmaindustrie zahlen Beiträge an die Mehrheitsparteien SVP, FDP beziehungsweise CVP und laden Parlamentarier zu grosszügigen Informationsmeetings ein.
Das Parlament hat in den letzten Jahrzehnten keinen Entscheid gefällt, der wichtigen Interessen dieser Branchen entgegensteht. Selbst Massnahmen gegen die Steuerflucht ergriff das Parlament erst auf Antrag der Banken, die dem Druck aus den USA nachgeben wollten.
Als Folge des dominierenden Einflusses dieser Konzerne

  • zahlen die Schweizer Krankenkassen die weltweit höchsten Preise für Medikamente;
  • müssen die Krankenkassen viele Medikamente zahlen, die nicht nur teuer, sondern auch medizinisch unzweckmässig sind;
  • profitieren die Grossbanken immer noch von einer faktischen Staatsgarantie;
  • sind Spargelder weniger gut geschützt als in der EU;
  • wird das Finanzcasino des Mikrosekundenhandels noch immer nicht besteuert.

(Aufzählung unvollständig)
Die Autoindustrie fühlte sich zu sicher und hat es deshalb mit ihrem Beschiss-Programm offensichtlich zu weit getrieben. Nach dem aufgeflogenen Skandal wird das EU-Parlament nun endlich doch etwas realistischere Abgastests vorschreiben.
Ein solcher Bumerang-Effekt könnte eines Tages auch die Grossbanken und die Pharmakonzerne treffen.

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Eine Meinung zu

  • am 4.10.2015 um 00:26 Uhr
    Permalink

    Nun, diese Fakten sind haarsträubend und (wenn man ehrlich ist) hinlänglich bekannt! Schön, dass die Bürgerinnen und Bürger am 18. Oktober wieder einmal die Chance hätten, etwas an diesem Missstand zu ändern. Herr und Frau Schweizer müssen einfach die richtigen Politikerinnen und Politiker wählen.
    Und selbst dann ist noch nicht klar, ob diese dann der Versuchung, der sie ganz sicher ausgesetzt sein werden, widerstehen können.
    Und wenn das nichts nützt, gibt es immer noch ausserparlamentarische Widerstandsformen. Ich denke da in erster Linie an einen Gandhi, der ganz sicher auch die Pharma und die Banken mit listigem, gewaltlosem Ungehorsam in die Knie gezwungen hätte. Vielleicht schafft das ja auch ein Schweizer oder eine Schweizerin… Es bleibt also spannend und ich wage die Prognose, dass es zuletzt auch da so enden wird wie mit der Autoindustrie! Schliesslich lassen sich ein Grossteil der Bevölkerung nicht endlos und vor allem so dreist auf der Nase herumtanzen!

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