Über 1100 Tote: Kleiderkonzern Gap lässt’s kalt.
Bis zum 15. Mai konnten die führenden Kleiderhersteller und -einkäufer eine gemeinsame, verpflichtende Vereinbarung zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in Bangladesch unterschreiben (Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh). Marken wie H&M, Zara, Calvin Klein, Tommy Hilfiker, Tchibo, Tesco, Marks & Spencer, El Corte Inglés, Carrefour, Benetton, Aldi, Lidl, Esprit, Switcher Abercrombie & Fitch oder John Lewis haben es gemacht. Von den Grossen haben sich einzig die amerikanischen WalMart und Gap geweigert mitzumachen. Gap ist der grösste Bekleidungs-Einzelhändler der USA und auch in der Schweiz, Grossbritannien, Frankreich, Japan und Kanada aktiv. In der Schweiz macht Vögele nicht mit*. Coop und Migros verkaufen fast keine Kleider aus Bangladesch.
Beim Einsturz der Kleiderfabrik in der Nähe von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka kamen nach neuster offizieller Statistik 1127 Personen ums leben, fast alles Frauen. Über 2500 weitere wurden mehrheitlich schwer verletzt.
Das lässt auch unbedarft einkaufende Konsumentinnen und Konsumenten nicht kalt. Eine Online-Petition der Menschenrechtsorganisation Avaaz haben mehr als 900’000 Personen unterschrieben. Sie fordert H&M und Gap dringend zum Handeln auf.
«Gaps Weigerung ist ein Fehler, den die Käuferinnen und Käufer nicht vergessen», erkärte Philip Jennings, Generalsekretär des weltweiten Dachverbands von Dienstleistungsangestellten «UNI Global Union» mit Hauptsitz in Nyon. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen die Konsequenzen ziehen.
Gap fürchtet nach eigenen Angaben Haftungsklagen in den USA. Der Konzern habe in Bangladesch jetzt einen Feuerinspektor angestellt (!). Gap versprach zudem, 22 Millionen Dollar für die Sicherheit der Fabriken auszugeben.
Gap weigert sich damit, verbindliche Verpflichtungen mit unabhängigen Inspektionen einzugehen. Der neue Vertrag der grossen Kleiderkonzerne sieht «rigorose unabhängige Inspektionen» vor, deren Resultate veröffentlicht werden. Aufgedeckte Mängel müssen die Konzerne verpflichtend beheben. Die Angestellten dürfen nicht behindert werden, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren.
Mit Fabriken, die sich weigern, den geforderten Standard zu erfüllen, dürfen die Konzerne nach Angaben der Agentur AP nicht mehr zusammenarbeiten.
Bangladesch ist nach China der grösste Kleider-Exporteur der Welt. Rund 5000 grosse und kleine Fabriken zählen direkt und indirekt etwa 4,5 Millionen Beschäftigte, rund 80 Prozent davon Frauen. Die Löhne in Bangladesch betragen nach Angaben von CNN nur etwa ein Drittel der Löhne in China. Die New York Times spricht von den «tiefsten Löhnen der Welt». Der gesetzliche Mindestlohn betrage 37 US-Dollar pro Monat.
Im Betrieb gewerkschaftlich organisieren durften sich die Frauen bisher nur, wenn mindestens dreissig Prozent der Belegschaft ein Gesuch an die Behörden stellten. Diese gaben die Listen weiter an die Arbeitgeber, «um die Unterschriften zu kontrollieren». Die Arbeitgeber wiederum sorgten häufig dafür, dass Arbeiterinnen, die unterschrieben haben, schikaniert oder entlassen wurden.
Mikail Shipar vom Arbeitsministerium in Bangladesch will das Gesetz ändern, so dass die Listen nicht mehr zu den Arbeitgebern gehen würden. Und er will Arbeitgeber künftig verpflichten, für ihre Arbeiterinnen je ein Bankkonto zu eröffnen und deren Löhne darauf einzuzahlen, berichtet die New York Times. Heute komme es immer wieder zu Missbräuchen, indem untere Vorgesetzte vom Barlohn etwas abzwackten oder Geld zurück hielten, um Arbeiterinnen unter Druck zu setzen. Zudem sollen die Mindestlöhne angehoben werden, was jedoch laut Shipar ein halbes Jahr Zeit brauche, wobei eine rückwirkende Auszahlung ab 1. Mai beabsichtigt sei.
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NACHTRAG
* Die Schweizer Modekette Charles Vögele unterzeichnet das Abkommen über die Sicherheit in Fabriken Bangladeschs jetzt doch noch, meldet der Tages-Anzeiger vom 21.5.2013. Offensichtlich wollte Vögele weitere negative Meldungen vermeiden.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine