Glosse

Sprachlust: «Wahri Swissness» mit «Swatch Touch»

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Lustig, aber dennoch Unlust weckend: Der Uhrenkonzern Swatch hat den Geschäftsbericht auch in Mundart veröffentlicht – «eimalig».

«Es isch my Swotsch, du Dotsch», lautete einst die Pointe eines Basler Schnitzelbänklers, dessen Liebste geglaubt hatte, sein pochendes Herz zu hören. Jetzt ist die Versuchung gross, das Zitat aus dem Zusammenhang zu reissen: «Swotsch, du Dotsch!» Der als «eimaligi Dialäkt-Usgaab» auch «in Schwiizerdüütsch» veröffentlichte «Gschäftsbricht» des Uhrenkonzerns bietet genug Anlass zu diesem Aufruf oder gar zum Urteil, da sei «en Gag i’d Hose ggange» – Gag selbstverständlich englisch verstanden, wie auch das Uhrenmodell Swatch Touch mit seinem Spruch «You Touch it Tells», und was die uhrmachenden Tellensöhne und -töchter sonst noch an Weltsprachlichem von sich geben.
Doch das Positive vorweg: Man hat sich grosse Mühe gegeben und nicht etwa ein Bahnhofbuffet-Olten-Gemisch aufgetischt, sondern für die einzelnen Abschnitte regionale Dialekte ausgewählt und angegeben – ungefähr zwanzig verschiedene. Es kann auch sein, dass manches Wort, das hochdeutsch wirkt, in der betreffenden Mundart tatsächlich vorkommt. Aber vieles ist im Dialekt ungeniessbar oder zumindest dubios.
«Im Ivernähme garbeitet»
Das gilt schon für «s’Geleitwort vo dr Presidäntin», das Nayla Hayek an «sehr geehrti …» richtet und mit Ausdrücken garniert wie «damols», «gliebt», «begonne», «Ivernähme», «garbeitet» und «sech vor Auge halte». Oder auch mit dem Futurum «schätze wärde» und Konstruktionen wie «wahri Swissness, womit mer eusi Landslüüt es bezli uufrüttle», «Aktionäre, ohni die das nid möglich wär», sowie «zum d’Japaner z’schloh». Man spürt, dieser Text war schriftdeutsch, bevor er in den Dialekt übertragen wurde – mal mit mehr, mal mit weniger Geschick. Die hier berücksichtigten Teile des Berichts sind «ursprüngläch uf Französisch verfasst wordä», aber sie wurden kaum direkt übersetzt.
Oft wird man an das «Parlaments-Schweizerdeutsch» erinnert, von dem an dieser Stelle am 26. 1. die Rede war. Ein paar Beispiele: «Herusforderig», «gfolgt vo», «bi 12 Uhr» auf dem Basler Zifferblatt, «die manufaktureigeni Produktion uf vertikaler Äbeni verstärkt». Immerhin gibt es auch die Obwaldner «Uisäforderig» oder auf dem Urner Zifferblatt die Stelle «bi dr Zahl Säx». Ein Tiefpunkt ist mit «Agsichts de Bedütig vom chinesische Markt» erreicht, ausgerechnet in der angeblichen Mundart meines Heimatkantons, der dialektal besonders vielfältig ist. «Aargauerdütsch» gibt’s nun mal beim besten Willen nicht, und Wörter wie «Könstler» und «Bondesrot» lassen mich vermuten, da sei jemand aus einer entlegenen Ecke des Kantons am Werk gewesen. Wenigstens heisst der «Markt» nicht überall so, sondern zum Beispiel «Maat» (Appenzell) oder «Märt» (Glarus).
«Maschinenä für Uhrä»
Besonders auffällig ist das modische Schluss-ä, so in «Uhrä, Berichä, energiegladnä, erwiteretä, Maschinenä». Wetten, dass in der Mehrzahl, falls sie im Kanton Schwyz tatsächlich auf -ene endet, die beiden e exakt gleich tönen? Und dass anderseits ein Wort wie «gägä» in kaum einer der mit Schluss-ä bedachten Regionen zwei gleiche Vokale aufweist (BE, UR, SZ, SG, TG sowie die mit einem oder zwei zusätzlichen Dialekten vertretene «Ostschwiiz» bzw. «Oschtschwiiz»).
Zur Erholung darf man am Schluss den in Schriftdeutsch gehaltenen Revisionsbericht lesen. Allerdings bleiben einem auch da sprachliche Schrecksekunden nicht erspart: «Eine Prüfung beinhaltet die Durchführung von Prüfungshandlungen zur Erlangung von Prüfungsnachweisen …» Aber immer noch lieber das als dies: «D’Swatch Group verfüägt übär än umfassändi Känntnis und Verfolgbarkäit vo dä bezogänä Lädärwarä us exotischä Zuchtä und ihri Aktörä.» Wer das gern Wort für Wort in unbeholfenem Hochdeutsch liest, kann zum «Geschäftsbericht auf Deutsch» greifen. Den gibt’s, wenngleich die schweizerdeutsche Fassung nur die französische und die englische erwähnt.

— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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2 Meinungen

  • am 9.03.2013 um 16:40 Uhr
    Permalink

    Als Ausländer und Sprachwissenschaftler kann ich über die negativen Reaktionen gegenüber den schriftlichen Gebrauch der eigenen tagtäglich gesprochenen Sprache in der ("Deutsch-)Schweiz nur staunen. Sei das jetzt als SMS oder in einem Bericht der Swatch. Oder die Kritik gegenüber dem gesprochenen Dialekt in Fernsehserien, kürzlich. Wie kann man erwarten dass die Bevölkerung korrekt reden oder schreiben lernt, wenn dies in der Schule systematisch unterschlagen wird, weil man die eigene Sprache nicht anerkennen möchte!? Und es ist nicht nur in der Schweiz, dass die Dialekte untereinander ziemlich verschieden sein können. Dies ist aber kein Hindernis für z.B. Norweger Ihre eigene Sprache zu schreiben und bieten für Schriftsteller dort spannende neue Aspekte und Ausdrucksmöglichkeiten. Es kommt nicht einmal auf die grösse der Population darauf an. In den kleinen Färöern ist die vormals nur gesprochene Sprache daran alle mögliche alltägliche Situationen zu erobern – sowohl mündlich wie schriftlich. Ohne dass das Land sich dadurch isolieren würde! Dänisch und Englisch sind selbstverständlich auch dabei. Ich kann mir nicht vorstellen dass die Schweiz sich isolieren würde wenn man die eigene Sprache akzeptieren würde – eher dass die Sprachfähigkeit in sowohl Mundart wie Deutsch verbessert würde.
    G Christenson

  • Portrait_GuyKrneta_2016
    am 12.03.2013 um 11:18 Uhr
    Permalink

    Warum heisst diese Kolumne Sprachlust? Sprachprüderie wäre passender.

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