Sperberauge

Sponsoren erwarten Entgegenkommen

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Red. /  Konzerne zahlen an viele kulturelle Veranstaltungen und Publikationen – und erwarten Wohlwollen. Das Beispiel des VW-Konzerns.

Der Aufsichtsrat (Verwaltungsrat) des VW-Konzerns sponsert seit Jahren das Kunstmuseum in Wolfsburg. Jetzt sorgte der Konzern für die sofortige Entlassung von Museumsdirektor Ralf Beil, obwohl dessen Vertrag noch bis Ende 2020 lief.

Grund waren weder Besucherschwund noch Überschreitungen des Budgets. Vielmehr passte es dem VW-Konzern nicht, dass im Museum auch die Vergangenheit des VW-Konzerns während der Nazizeit thematisiert wurde.
Auf der «World Socialist Web Site» hat Sybille Fuchs Anfang Jahr darüber wie folgt berichtet (leicht gekürzt):

«Ralf Beil wurde mitten in den Vorbereitungen auf das 25-Jahr-Jubiläum des Museums offenbar auf Druck des Aufsichtsrats des Volkswagenkonzerns entlassen. Er hatte sich bei seinen Geldgebern wohl unbeliebt gemacht, weil die von ihm kuratierten Ausstellungen auch kritische Aspekte der Geschichte und der gegenwärtigen Politik des Autoriesen behandelten.

Die Autostadt Wolfsburg war zusammen mit dem Konzern 1938 in der Zeit des Nationalsozialismus gegründet worden. Von Beginn an waren die Stadt, ihr Schicksal, ihre Politiker, ihre Einrichtungen, ihre Bewohner und ihr Wohlergehen auf Gedeih und Verderb mit dem Autoriesen verknüpft. Das Kunstmuseum wird von der Kunststiftung Volkswagen getragen. Sein Kuratorium steht unter der Leitung von Hans Dieter Pötsch, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des VW-Konzerns.

Ralf Beil, der das Museum seit 2015 geleitet hatte, bedauerte nach seinem Rauswurf in einer Mail, dass er zwei geplante Ausstellungen nicht mehr betreuen könne. Er stellte klar, dass seine Entlassung erfolgt sei, weil er einigen Leuten auf die Füsse getreten sei. So habe es ihm Pötsch vermittelt.
Im Kuratorium, das für Beils Rauswurf mitverantwortlich ist, sitzen auch der Bürgermeister und der Kulturdezernent von Wolfsburg.
Normalerweise spielen schwindende Besucherzahlen oder schlechte Wirtschaft mit den Haushaltsmitteln eine Rolle, wenn ein Museumsleiter oder Theaterdirektor entlassen wird, was ziemlich selten vorkommt. Aber bei Beil war nichts davon der Fall. Die Besucherzahl lag 2015 bei 66’500, 2016 bei 70’230 und 2017 bei 65’000, und es waren keine negativen Zahlen zu vermelden, wie der kaufmännische Geschäftsführer und jetzige Interims-Direktor des Museums, Otmar Böhmer, gegenüber der ‹Süddeutschen› erklärte. Der einzige Kündigungsgrund war offenbar, dass sich Beil in seiner Ausstellungspraxis zu kritisch mit dem VW-Konzern auseinandergesetzt hatte.

Beil erklärt in seiner Mail, am Kunstmuseum Wolfsburg sei ‹künstlerische Freiheit› nicht mehr gegeben. Bei seinem Amtsantritt 2015 seien ihm noch ‹kuratorische Freiheit und Unabhängigkeit fest zugesichert worden›, doch nun habe er von dritter Seite erfahren, dass ‹das Museum den Konzern unterstützen sollte›.
2016 hatte Beil seine erste grosse Ausstellung unter dem Titel ‹Wolfsburg unlimited› kuratiert. Sie legte den Schwerpunkt auf die Stadt, ihre internationale Bedeutung, aber auch ihre Geschichte. Sie setzte sich kritisch mit der Geschichte des Volkswagenwerks auseinander.
Beils Ausstellung thematisierte u. a. auch die Rolle Porsches und dessen Familie im Dritten Reich. Ferdinand Porsche war ab 1938 nicht nur führender Konstrukteur, sondern zusätzlich auch Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Aufsichtsrats der Volkswagen GmbH. Er wurde vielfach ausgezeichnet. Seinen Schwiegersohn, den Wiener Rechtsanwalt Anton Piëch, machte Porsche als Werksleiter zu seiner rechten Hand. Die Familien Porsche und Piëch sind noch heute grösste Anteileigner des VW-Konzerns und verfügen im Aufsichtsrat über die Stimmenmehrheit.
Besonders kritisch beleuchtete Beils Ausstellung den Umgang Porsches mit seinem jüdischen Kollegen, Josef Ganz, sowie den Einsatz von Zwangsarbeitern im Krieg und von Gastarbeitern nach 1945. In der Fotoschau ‹Robert Lebeck› (2018) waren unter anderem die Wolfsburg-Aufnahmen des berühmten Fotoreporters zu sehen.

Der Vorgang wirft auch ein Licht auf die Kommerzialisierung der Kunst, die wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche der Bereicherung einiger weniger unterworfen wird. Viele ‹Kunstevents› können nur noch durch grosse Spenden privater Sponsoren verwirklicht werden, viele Museen nicht mehr unabhängig arbeiten. Der Kunstmarkt wird nicht nur vom Kommerz beherrscht, Kunstwerke dienen als Kapitalanlagen und werden Besuchern nur gezeigt, wenn sich potente Geldgeber finden, denen die Werke gefallen.»

Das Museum und sein Kuratorium gaben in einer mageren Pressemitteilung keine nähere Auskunft über die wirklichen Gründe für die Entlassung des renommierten Kunsthistorikers. Auf die von etlichen Kulturschaffenden erhobene Kritik reagierte das Kuratorium nicht.


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Eine Meinung zu

  • am 24.03.2019 um 13:53 Uhr
    Permalink

    Wer zahlt schafft an, auch bei Stiftungen und sogenannten gemeinnützigen Organsationen und das noch auf Kosten des Steuerzahlers. Das war schon seit langem so, nur die Kapitalgewaltigen können viel mehr Mittel und Professionalität dabei einsetzen.
    Fragwürdig wird es, wenn der indirekte und eigentliche Stiftungszweck hauptsächlich die Steigerung der Kapitalrendite und einer Vormacht-Stellung ist.

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