Shell düpiert Tessiner Kunden – einmal mehr
Der freie Markt beschere den Käufern günstigere Preise, besagt ein verbreiteter Irrglaube. Oft ist es gerade umgekehrt: Die sogenannten Marktführer – die ganz grossen Firmen – tricksen am Markt gerne mit unterschiedlichen Preisen: nicht zugunsten, sondern zulasten der Kunden!
Ein Musterbeispiel für solche Spielchen ist Shell. Die Benzin- und Dieselpreise von Shell sind in der Schweiz sehr unterschiedlich, je nach Region. Sie variieren nicht nur massiv zwischen den Tankstellen an «normalen» Strassen und Autobahnen, sie variieren speziell auch in der Nähe der Grenze von Tankstelle zu Tankstelle. Je nach Treibstoffpreis im nahen Ausland wird der Literpreis gesenkt, um Kunden von jenseits der Grenze anzuziehen, oder sogar erhöht, wenn der höhere Preis, bei einem besonders hohen Treibstoffpreis jenseits der Grenze, dann immer noch ausländische Automobilisten anzuziehen vermag. Der Profit von Shell liegt mit dieser Preismanipulation dann deutlich höher. Dieses Spielchen zulasten der Kunden funktioniert vor allem im Tessin. Infosperber berichtete darüber: Shell zockt ab, die Italiener dürfen zahlen.
Zum 1. Oktober 2014 sind die Tessiner Kunden von Shell einmal mehr die Geprellten. Bei zahlreichen Shell-Tankstellen dürfen sie ab dann nämlich nicht mehr mit ihrer Shell-Karte zahlen. Das No-Go gilt bei allen Shell-Tankstellen, an denen der Shop den Namen Piccadilly trägt, so zum Beispiel an der Strasse Lugano – Agno – Ponte Tresa – Luino: also an der Grenze bei Fornasette, in Ponte Cremenaga, in Caslano, etc etc.
Zur Info der Tankenden hängt an den entsprechenden Shell-Tankstellen seit einiger Zeit einfach ein kleines Plakat. Shell selber verschickte an die Shell-Karteninhaber eine Mitteilung, in der diese doch recht merkwürdige Geschichte so begründet wird: «Ab dem 01. Oktober 2014 wird die euroShell Akzeptanz auf den Piccadilly Stationen im Zuge regionaler Netzwerkanpassungen eingestellt.»
Alles klar?
Nicht doch. Deshalb kommt dann auch noch eine positive Meldung: «Um weiterhin eine hohe Abdeckung der euroShell Card zu gewährleisten, haben wir mit unserem Partner Migrol ebenfalls per 01. Oktober einen neuen Akzeptanzpartner im Tessin.» Und mit zur Information gehörte eine Liste der neun Migrol-Tankstellen im Tessin. Wer sich allerdings im Tessin auskennt, sieht schnell, wie gut – oder eben wie schlecht – der Ersatz ist: Wer bisher etwa an der Grenze in Fornasette getankt hat, müsste nun nach Agno fahren. Das sind immerhin 12km, oder hin und zurück 24km, und zwar auf einer Strasse, die der vielen tausend motorisierten Frontalieri wegen in der Regel von 07 bis 19 Uhr ordentlich verstopft ist. Und preislich günstiger ist Migrol – Migros hin oder her – schon seit Jahren nicht mehr.
Der Globalplayer Shell kann sich sowas leisten
Shell unterhält in der Schweiz rund 400 Tankstellen, in ganz Europa rund 13’000. Der Reingewinn des Unternehmens Royal Dutch Shell betrug 2013 13 Milliarden US$. Das Unternehmen beschäftigt rund 92’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gewinn pro Mitarbeiter also 174’000 US$ oder 157’000 Franken. Gewinn! Die Profiteure sind, wie immer, nicht jene, die mit den eigenen Händen arbeiten, sondern jene, die, wie sie schönfärberisch sagen, ihr Geld «arbeiten» lassen…
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Zweifellos eine unschöne Geschichte. Mit ihr aber gegen den «freien Markt» polemisieren zu wollen, ist ziemlich dumm. Es gibt gerade im Tessin viele andere Tankstellen, die in Konkurrenz zu Shell und Migrol stehen. Wenn die Kunden wegen des teureren Benzins von diesen abwandern, werden sich die Anbieter überlegen, wie die Kunden wieder zurückzugewinnen sind. Niemand ist gezwungen, «zu höheren Preisen» zu tanken, wie das Chr. Müller insinuiert. Als Kunde habe ich die Wahl, wo ich tanken will, was ein zentrales Merkmal eines freien Marktes ist.
Im TI ist Benzin ca. 3-10 Rp. billiger als in Zürich. Zudem sind die Differenzen von Tankstelle zu Tankstelle sogar in der gleichen Region erheblich, d.h. i.d.R. in der Agglo Bellinzona ca. 6 Rp. von der teuersten zur billigsten.