240420 Marc Chesney RTS

Finanzprofessor Marc Chesney im welschen Fernsehen: Systemrelevante Banken sind gefährlich. © rts

Professor Chesney glaubt nicht an Beruhigungspillen der Finma

Red. /  Die letzte internationale systemrelevante Grossbank des Landes erzeugt zu viele Risiken. Das sagt Finanzprofessor Marc Chesney.

upg. Am 20. März versuchte die Bankenaufsichtsbehörde Finma, die Öffentlichkeit zu beruhigen, indem sie ankündigte, dieses Jahr bei der Grossbank UBS – aufgrund ihrer bisherigen Kompetenzen – zwei Stresstests durchzuführen. «Die Finma setzt das volle Spektrum an Aufsichtsinstrumenten weiterhin konsequent ein, um ihren gesetzlichen Auftrag bei der Überwachung der kombinierten Grossbank wahrzunehmen», sagte Thomas Hirschi, Leiter des Finma-Geschäftsbereichs Banken. Zusätzlich zu den Stresstests kündigte die Behörde 40 aufsichtsrechtliche Prüfungen bei der UBS in der Schweiz und im Ausland vor Ort an. Im vergangenen Jahr habe die Finma bei den Grossbanken UBS und Credit Suisse zusammen 34 Vor-Ort-Kontrollen vorgenommen. Künftig wolle die Finma mehr Kompetenzen.
Von diesen Ankündigungen der Finma sei er «nicht wirklich beruhigt», erklärte Marc Chesney, Finanzprofessor an der Universität Zürich, in einem Interview mit dem welschen Fernsehen RTS.

RTS: Die Finma kündigte zwei Stresstests und 40 Prüfungen bei der UBS an und hat das Kontrollteam etwas aufgestockt. Beruhigt Sie das?

Chesney: Das ist ja beeindruckend, oder? (lacht) Doch es beruhigt mich nicht wirklich. Denn man erfährt nicht, um welche Stresstests und Prüfungen es sich genau handelt. Und über die Resultate wird die Finma nicht vollständig informieren. Ich frage die Finma direkt: Hat sie denn solche Stresstests im Jahr 2022 bei der Credit Suisse durchgeführt? Falls ja, mit welchen Resultaten? Falls nein, warum nicht?
Ausserdem hat die Finma schon bisher die Kompetenz gehabt, einer Bank die Lizenz zu entziehen und den Verwaltungsdirektor auszuwechseln. Warum hat sie das bei der CS nicht gemacht?
Es fehlt am politischen Willen, um aufzuklären, was bis heute unter den Teppich gewischt wurde.

RTS: Sie sind also skeptisch?

Chesney: Ja, denn die Finma kann über die Probleme der Banken gar nicht offen informieren. Sonst würden sich die Probleme noch verschlimmern, wird sie behaupten. Aus diesem Grund sind öffentliche Äusserungen der Finma immer von beschränkter Aussagekraft.

RTS: Ist denn das nächste Debakel schon vorprogrammiert?

Chesney: Die heutige Lage verführt systemrelevante Banken dazu, grosse Risiken einzugehen, weil sie im Verlustfall darauf zählen können, dass sie von den Steuerzahlenden gerettet werden. Falls die UBS wie im Jahr 2008 wieder zahlungsunfähig würde, kann dies in der Schweiz zu hoher Inflation, hoher Arbeitslosigkeit und Armut führen. Die letzte internationale Grossbank der Schweiz setzt die Bevölkerung einem viel zu hohen Klumpenrisiko aus. Doch das Management der UBS liess verlauten, die Bank sei nicht zu gross, sondern vielmehr zu klein. Man weiss also, was uns erwartet.

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Diese deutsche, leicht ergänzte Version seiner Antworten hat Professor Marc Chesney autorisiert.

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Siehe Infosperber vom 28. März 2023:
Vier Tage vor der Pleite der Credit Suisse belogen Aufsichtsbehörde und Nationalbank die Öffentlichkeit: Es sei alles paletti.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 16.04.2024 um 11:45 Uhr
    Permalink

    Im Grundsatz bin ich auch bei Prof. Chesney. Die Schweige- und Verdunklungspolitik der CS, der FINMA und der SNB sowie hauptsächlich unserer Politiker haben dazu geführt, dass der Krug zum Brunnen ging, bis dieser zerbrach.

    Andererseits vertrete ich die Meinung, dass bei einem neuerlichen grösseren Problem der UBS (2008 war das erste), die Grossbanken der Welt, es sich nicht erlauben können, die UBS nicht zu retten bzw. zu übernehmen. Ein CS-Fall bei der UBS, dem weltgrössten Vermögensverwalter, würde das globale Finanzsystem und weltweiten Grossbanken gewaltige Probleme auferlegen. Es ist naheliegender, dass z.B. Morgan Stanley Bank of America oder so die UBS retten und zu einem günstigen Preis übernehmen und folglich das lukrative Vermögensverwaltungsgeschäft in ihre Organisation eingliedern.

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