FT Mosambik CS

Die «Financial Times» berichtet über den in London angesetzten Prozess gegen die Credit Suisse. © FT

Neues Ungemach für die CS: Prozess wegen Mosambik-Kredit

Urs P. Gasche /  In 2 Jahren wird die Credit Suisse vor dem High Court in London auf der Anklagebank sitzen. Das beschloss der zuständige Richter.

Der Prozess soll im September 2023 beginnen und 13 Wochen dauern. Das berichtete die Financial Times. Für die Schweizer Grossbank bedeutet dies ein PR-Desaster. Die öffentlichen Gerichtsverhandlungen kann die CS wohl nur noch abwenden, wenn sie mit den Klägern einen Vergleich abschliesst, von dem sie bisher nichts wissen wollte.

Über die geheimen Kredite der Banken CS und VTB in Höhe von über zwei Milliarden Dollar an Mosambik hat Infosperber regelmässig informiert. Die Folgen von Korruption und Schmiergeldern bekommen die Ärmsten im ohnehin armen Land am stärksten zu spüren (siehe Infosperber: «Die katastrophalen Folgen des Kreditskandals in Mosambik»).

Der Anfang des Skandals war ein ursprünglich geheim gehaltenes Küstenschutzprojekt, das mit mindestens 200 Millionen Dollar an Schmiergeldern in Gang gebracht werden sollte. Beteiligt waren drei Akteure: Die libanesische Schiffbaufirma Privinvest, die kreditgebenden Banken (Credit Suisse London und VTB London; VTB ist eine russische Staatsbank) sowie mosambikanische Broker und hohe politische Funktionäre aus der Ära der Präsidentschaft von Armando Guebuza. 

Später stellten die Prüfer fest, dass 500 Millionen Dollar der durch die Kredite aufgenommenen Gelder nicht nachverfolgt werden konnten und dass die Unternehmen, die hinter den Schulden standen, überhöhte Preise für die Ausrüstung zahlten. Ausserdem wurde festgestellt, dass 200 Millionen Dollar der Darlehen allein für Bankgebühren verwendet wurden.

Mehrere Gläubiger, die sich am CS-Kredit beteiligten, darunter diverse Hedgefonds, die Banco Internacional de Moçambique, die Banco Comercial Português und die United Bank for Africa reichten in London Klagen gegen die CS ein.

Angeblich sollten mit den zwei Milliarden Dollar maritime Projekte finanziert werden, darunter ein staatlicher Thunfischfang (deshalb «tuna bonds» genannt).

Die Credit Suisse half bei der Vermittlung von Krediten und Anleihen in Höhe von zwei Milliarden Dollar, die teilweise vor dem Weltwährungsfonds IWF und anderen Geldgebern des Landes sowie auch vor dem Parlament von Mosambik geheim gehalten wurden. Als die Kredite 2016 aufgedeckt wurden, stellten der IWF und internationale Geber die Unterstützung für den Staatshaushalt Mosambiks ein, was zu einer Verlangsamung des Wachstums führte und eine Armutskrise drastisch verschärfte.

«Die Credit Suisse hat jahrelang verzweifelt versucht, das Verfahren hinauszuzögern», erklärte eine mit dem Fall vertraute Person gegenüber der Financial Times. «Aber jetzt muss sie ihre eigenen Dokumente offenlegen und Beweise für ihr eigenes Handeln vorlegen.»

Der Informant fügte hinzu: «Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen die Credit Suisse wegen Betrugs und Verschwörung, bei denen es um Schadenersatz in Millionenhöhe geht, werden im September 2023 öffentlich verhandelt.»

Die CS wird den Richtern erklären müssen, wieso die Verfassungswidrigkeit der Staatsgarantien kein Hinderungsgrund für die wiederholte Auszahlung derart grosser Kredite war. Und die oberste CS-Leitung wird erklären müssen, wieso sie meint, für Milliardenkredite, die von einer Filiale organisiert werden, keine Mitverantwortung zu tragen.

Die Geschichte der „geheimen Kredite“ in Etappen:

Von Thomas Kesselring*

September 2013: In Mosambik gibt ein unbekanntes Thunfischfang-Projekt einer ebenfalls unbekannten halbprivaten Firma namens Ematum [Empresa moçambicana de Atum – mosambikanische Thunfisch-Firma] Rätsel auf. Französische Zeitungen berichten vom geplanten Bau einer Thunfischfangflotte für 230 Millionen Dollar in Cherbourg, über die sich François Hollande freut. Es sickert durch, dass der Gesamtkredit um ein Vielfaches höher ist. Über die Verwendung von weiteren mindestens 500 Millionen Dollar zirkulieren Gerüchte verschiedenster Art. Zu dieser Zeit ist der Krieg der Frelimo gegen die Renamo neu aufgeflammt, was ebenfalls Spekulationen stimuliert. Das Rätsel um die 500 Millionen beherrscht in Mosambik mehr als zwei Jahre lang die Schlagzeilen.

August 2015: Der IWF wird unruhig: Den Ematum-Kredit von 850 Millionen Dollar hatte Mosambik dem IWF entgegen den Vereinbarungen verschwiegen. Die Frage des IWF, ob Mosambiks Regierung weitere Kredite geheim halte, wird von dieser verneint.

April 2016: Nach einer Umstrukturierung des Ematum-Kredits wird bekannt, dass Mosambik 2013/14 insgeheim zwei weitere Grosskredite aufgenommen hat. Auch das mosambikanische Parlament, das die Kredite hätte bewilligen müssen, wusste von nichts. Nun erfährt die Öffentlichkeit: Die drei Kredite betragen zusammen 2,07 Milliarden Dollar. Sie sind hälftig von der CS London und der russischen Staatsbank VTB, Filiale London, organisiert worden. Sie galten einem Küstenschutzprojekt, für das Mosambik mit der libanesischen Schiffbaufirma Privinvest (Gründer und Chef: Iskandar Safa) zusammenarbeitete. Zu jedem der drei Kredite hatte man in Mosambik eine halbstaatliche Firma gebildet. Die drei Firmen unterstanden dem Geheimdienst und hatten den gleichen Chef. – IWF und Geberländer frieren die Budgethilfe an Mosambik ein. Das Land verliert damit mehrere Hundert Millionen Dollar pro Jahr und minimiert die Ausgaben im sozialen Bereich. Zwischen einer und fünf Millionen Menschen – je nach Schätzung – fallen in der Folge in die absolute Armut zurück.

Dezember 2016: In einem Hearing im mosambikanischen Parlament begründet der für das Projekt in Mosambik Verantwortliche die Geheimhaltung der Kredite mit militärischen Interessen und verweist auf den Gewaltkonflikt mit der Renamo 2013-2015. Da man auf den Finanzmärkten schwerlich Gläubiger für den Bau von Marineschiffen gefunden hätte, sei die Idee mit der Thunfischfangflotte aufgekommen. Ebenfalls im Dezember 2016 stellt der Rat Kontrapunkt in einem offenen Brief in der WOZ ein paar Fragen an die CS-Leitung zum Mosambik-Schlamassel. Die Bank schweigt.

April 2017: Anlässlich der Generalversammlung der CS erklärt der Verwaltungsratspräsident, Urs Rohner, der CS-Kredit an Mosambik habe einem Projekt für „Fischereiausrüstung“ gegolten. Alles andere sei Spekulation, die CS kooperiere mit den Behörden.

Juni 2017: Nach dreimonatiger Untersuchung legt die Firma Kroll einen Audit-Bericht zu den geheimen Krediten vor, der neue Erkenntnisse bringt: Die Banken CS und VTB bezahlten sämtliche Kredite direkt an Schiffbauer Privinvest aus, an Mosambik gingen davon lediglich 18 Millionen. Privinvest eröffnete 2013 in Zürich zur Abwicklung der Projektfinanzen eine Zweigfirma namens Palomar Capital Advisors, deren Chef, Andrew Pearse, zuvor bei der CS London den Proindicus- und Ematum-Kredit auf den Weg gebracht hatte. Die Audit-Firma hält die Schiffe für massiv überteuert – um geschätzte 713 Millionen Dollar – und die Auszahlungen an die Zürcher Palomar-Firma für überzogen. Das Rätsel um die 500 Millionen bleibt weiterhin ungelöst. Die Banken, die Schiffbaufirma und Palomar handhabten ihre Informationen an die Auditfirma äusserst restriktiv, kritisierten aber deren Bericht im Nachhinein wegen unzutreffender Angaben. Das halbstaatliche Firmengeflecht in Mosambik hatte die Kooperation mit der Firma Kroll über weite Strecken verweigert, mit Verweis auf eine militärische Geheimhaltungspflicht.

August 2017: Das Firmenimperium Privinvest kauft von der französischen Necotrans das Unternehmen Advanced Maritime Transports (AMT) in Nyon und erhält damit in der Schweiz eine neue Tochterfirma (nach Auflösung der Firma Palomar in Zürich). Im AMT-Verwaltungsrat nehmen zeitweise Personen Einsitz, die 2018 von einem amerikanischen Gericht wegen illegaler Geldtransfers und Schmiergeldzahlungen im Kredit-Skandal mit Mosambik angeklagt werden. AMT betreibt u. a. Schiffstransporte für Öl und Gas in Afrika und ist seit 2020 in der Region von Mosambiks Offshore-Gasfeldern für die Logistik zuständig.

Dezember 2018: Das Gericht des Eastern District of New York erhebt Klage gegen drei Investmentbanker der CS London (das sog. „Deal-Team“), drei hohe Funktionäre in Mosambik und zwei leitende Angestellte der Schiffbaufirma Privinvest (beides zeitweilige Vorstandsmitglieder der Firma AMT in Nyon). Die Klage verwendet Zitate aus E-Mails, die von 2011 bis 2013 zwischen Exponenten der drei Parteien ausgetauscht wurden, und rechnet nach, dass mindestens 200 Millionen Dollar in Schmiergelder und Kickbacks geflossen sind. Der ehemalige Finanzminister Mosambiks, Manuel Chang, wird in Südafrika verhaftet und in Vorbeugehaft genommen (wo er sich noch immer befindet). Jean Boustani, Verkaufsleiter von Privinvest, wird in einem New Yorker Flughafen verhaftet. 

März 2019: Gestützt auf die amerikanische Anklageschrift erhebt die Staatsanwaltschaft Mosambiks Ankage wegen Unterschlagung, Erpressung, Geldwäsche, Korruption, Amtsmissbrauch, Dokumentenfälschung und krimineller Vereinigung gegen 20 Personen, darunter der älteste Sohn und die Privatsekretärin des vormaligen Präsidenten Guebuza. Einige der Angeklagten werden in Vorbeugehaft genommen.

April 2019: An der Generalversammlung der CS stellen Vertreter der mosambikanischen FMO (Forum de Monitoria do Orçamento, ein Zusammenschlusses von örtlichen NGOs) Fragen an die CS-Leitung. Der Verwaltungsratspräsident und der Chefjurist antworten, die Machenschaften in der Londoner Filiale seien „bedrückend“, man habe aber erst vor Kurzem durch die New Yorker Klageschrift davon erfahren. 

Juni-Dezember 2019: Am New Yorker Gericht legen die drei fehlbaren Investmentbanker der CS London (das „Deal-Team“) nacheinander Schuldgeständnisse ab.

Hingegen wird Privinvest-Verkäufer Boustani nach einem sechswöchigen Verfahren Anfang Dezember 2019 freigesprochen: Die Geschworenen kommen zum Schluss, das amerikanische Gericht sei für seinen Fall nicht zuständig. Die Aussagen von Zeugen und dem Angeklagten selbst geben einen detaillierten Einblick in die Vorgeschichte und Chronologie des gescheiterten Projekts und die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Verkaufschef Boustani und Präsident Guebuza, aber auch zwischen Firmenchef Iskandar Safa und dem Präsidentensohn Ndambi Guebuza.

Januar 2021: Bevor der High Court London die Verhandlungen im Mosambik-Fall aufnimmt, reichen einige der Angeklagten, darunter das „Deal-Team“ der CS London und der Chef der Firma Privinvest, Iskandar Safa, ihre Stellungnahmen zu den Anklagen ein (Links zu den Dokumenten finden sich hier). Safas Ausführungen belasten den aktuellen Präsidenten Mosambiks, Filipe Nyusi, schwer und geben der Affäre damit eine neue Wendung. Den früheren Präsidenten, Armando Guebuza, versucht Safa hingegen aus der Schusslinie zu nehmen.

*Thomas Kesselring unterrichtete jahrelang an einer Universität in Mosambik. Auf Infosperber berichtet er seit 2016 über den Fall.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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Justiz, Polizei, Rechtsstaat

Wehret den Anfängen, denn funktionierende Rechtssysteme geraten immer wieder in Gefahr.

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