Kommentar
Nach den «Bad-Banks» schaffen Pharmakonzerne «Bad-Pharma»
Red. Der Autor dieses Gastbeitrags ist Chirurg und Publizist in Frankfurt.
US-Unternehmen, denen wegen Asbest und anderen Produkthaftungen das Zahlen von Schadenersatz droht, griffen in den letzten Jahren vermehrt zur sogenannten „Texas Two-Step“-Strategie: Sie trennen solch bedrohliche Verbindlichkeiten vom Konzernvermögen und lagern sie in eine getrennte Firma („Bad Pharma“) aus, um einen Schaden für die Muttergesellschaft abzuwenden.
Der „Texas Two-Step und die Produkthaftung“ war denn auch das diesjährige Hauptthema der Frühjahrstagung des American Bankruptcy Institute, in dem über 12’000 Konkursfachleute der USA organisiert sind, darunter Anwält:innen, Buchhalter:innen, Kreditgeber:innen, Richter:innen und Fachleute von Banken. Der Texas Two-Step wurde auf dieser Tagung an einem besonders gelungenen Beispiel diskutiert, nämlich anhand des Prozesses um ein Babypuder des Pharmariesen Johnson & Johnson, das durch Talk mit Asbest belastet war.
Vor einem Gericht in St. Louis konnten Betroffene schon 2015 nachweisen, dass der Pharmakonzern Johnson & Johnson einen preiswerten, aber asbestbelasteten Babypuder mit gezielter Werbung skrupellos auch für die Mütter der Babys angepriesen hatte. Viele Frauen erkrankten, besonders an Eierstockkrebs. Johnson & Johnson musste laut einem Gerichtsurteil zunächst vier Milliarden Dollar Entschädigungen zahlen. Weitere Milliardenverluste könnten folgen, denn mehr als 30’000 solcher Klagen rollen derzeit auf den Konzern zu.
Da griff der Konzern zur „Texas Two-Step“-Methode: Man zerlegte den riesigen Konzern zunächst in mehr als hundert Einzelgesellschaften (first step), die dann wieder vereinigt wurden, allerdings mit Ausnahme einer einzigen winzigen Neugründung namens LTL Management, die mit einem Startkapital von zwei Milliarden Dollar ausgestattet wurde (second step). Das Geschäftsfeld von LTL Management war ab sofort allein und nur der besagte Babypuder, mit dem der restliche Johnson & Johnson-Konzern nun nichts mehr zu tun hatte.
Wenn man weiss, dass der Börsenwert von Johnson & Johnson Ende 2021 mehr als 430 Milliarden Dollar betrug, fast hundert Milliarden Dollar mehr als ein Jahr zuvor, und wenn man bedenkt, dass der Konzern in den ersten drei Quartalen 2021 durch das gigantische Geschäft mit den Corona-Impfungen seinen Gewinn auf sechzehn Milliarden Dollar und seine Cash-Reserven auf 25 Milliarden Dollar erhöhen konnte, dann sind diese zwei Milliarden Dollar geradezu lächerlich. Und sie waren natürlich rasch aufgebraucht, denn LTL machte keine Umsätze, also auch keinen Gewinn. Mit dieser perfiden Art von Insolvenz ist Johnson & Johnson allen weiteren Entschädigungsforderungen entgangen. Das Ganze kommt einem Schuldeingeständnis gleich, auch wenn der Pharmakonzern dies abstreitet.
Die Opfer haben das Nachsehen.
Stellungnahme von Johnson & Johnson
Red. Die Schadensabwicklung durch die getrennte Firma sei «im besten Interesse der Kläger und aller Beteiligten [Red. Namentlich auch der Aktionäre von Johnson & Johnson], um einen Weg zu finden, den Talk-Prozess so schnell und effizient wie möglich zu beenden». Das schreibt die abgetrennte Firma LTL Management.
Bei den gewinnträchtigen Corona-Impfstoffen werden Johnson & Johnson und die anderen Impfhersteller wahrscheinlich nicht so kompliziert vorgehen müssen, um ihr finanzielles Risiko zu minimieren. Denn soweit Details aus den geheimen (!) Impfstoff-Kaufverträgen der EU und einzelner Staaten bekannt wurden, sind in diesen Verträgen die Hersteller von jeglicher Produkthaftung befreit.
Sollten also – wann auch immer – bislang unbekannte unerwünschte Wirkungen nach Corona-Impfungen auftreten, so tragen allein die Steuerzahler:innen sämtliche Kosten. Bis dahin haben sich die Pharmakonzerne längst vom Acker gemacht. Es läuft wie meistens: Gewinne werden privatisiert, noch dazu haftungsbefreit, Verluste werden sozialisiert und müssen von der Allgemeinheit getragen werden.
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Diese Kolumne ist eine leicht gekürzte Fasssung der Kolumne, die am 5. November 2022 in der «Frankfurter Rundschau» erschien.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Bernd Hontschik ist Autor des Buches «Heile und Herrsche! – Eine gesundheitspolitische Tragödie».
Westend-Verlag 2022, 26.90 CHF / 18 Euro
Aus der Verlagsankündigung: «Was wir in Deutschland derzeit erleben, ist eine Zeitenwende: Krankenhäuser werden aus öffentlichem Besitz an Klinikkonzerne verschleudert. Der Patient wird der Digitalisierung geopfert. Das Gesundheitswesen wird zu einem profitablen System umgebaut, in dem Ökonomen und Politiker das Sagen haben. Brauchen wir hundert Krankenkassen? Kann man die ungezügelt agierende Pharmaindustrie bändigen?
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.