Stefan.Meierhans

Preisüberwacher Stefan Meierhans © srf

Medikamentenpreise: Preisüberwacher kritisiert Bersets BAG

Urs P. Gasche /  Es sei gesetzwidrig, dass die Kassen unter den austauschbaren auch die teuren Medikamente zahlen müssen. Das BAG bleibt stur.

Medikamente müssen nicht nur wirksam und zweckmässig, sondern auch wirtschaftlich sein. Das ist die oberste Maxime des Krankenversicherungsgesetzes KVG. Falls also verschiedene Medikamente identische Wirkstoffe enthalten und miteinander austauschbar sind, sollte das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zwingend dazu führen, dass die Krankenkassen nur den Preis der günstigen dieser Medikamentengruppe zahlen müssen. 

Doch zum Ärger des Preisüberwachers ist dies nicht der Fall. Und die Tatsache, dass die Kassen unter austauschbaren Medikamenten auch die teuren vergüten müssen, ist der wichtigste Grund, weshalb die Krankenkassen in keinem anderen europäischen Land so viel Geld für Medikamente ausgeben müssen wie in der Schweiz. Medikamente, welche Arztpraxen und Spitäler verschreiben, verschlingen fast ein ganzes Viertel aller Prämieneinnahmen. 

Das Problem stellt sich immer dann, wenn ein Medikament nach vielen Jahren seinen Patentschutz verliert und austauschbare Nachahmerprodukte auf den Markt kommen. Der Patentschutz dient dazu, dass Pharmaunternehmen ein neues Medikament etliche Jahre lang allein zu einem hohen Preis verkaufen dürfen, um während dieser Schutzzeit die Kosten für Forschung und Entwicklung zu amortisieren. 

Ist das Patent abgelaufen, gibt es nach Ansicht des Preisüberwachers keinen Grund mehr, dass die Kassen die viel höheren Preise von Originalpräparaten zahlen müssen, wenn es günstigere Nachahmerprodukte gibt, genannt Generika. Eine Ausnahme wäre im individuellen Fall nur dann gerechtfertigt, wenn ein Patient beispielsweise einen Zusatzstoff des Generikums nicht verträgt und der Arzt ihm deshalb aus medizinischen Gründen das Original verschreibt. 

Preisüberwacher Stefan Meierhans lässt gegenüber Infosperber keinen Zweifel aufkommen: «Wenn die Grundversicherung auch die teureren Medikamente vergüten muss, verstösst dies gegen das KVG.» Die Grundversicherung solle nur noch kostengünstige Medikamente vergüten: «Ob es dann neben den günstigeren Generika noch teurere Originale gibt oder ob diese den Preis auf das Niveau der Generika senken, wäre dann zweitrangig.»

Falls nötig müsse man das Gesetz und die dazu gehörenden Verordnungen eben ändern. 

BAG: «Attraktivität des Schweizer Marktes ist in Gefahr»

Das Bundesamt für Gesundheit rechtfertigt seine Preispolitik mit dem Gesetz (KVG). Dieses verpflichtet das BAG, für die Kassen eine Preisliste zu erstellen («Spezialitätenliste»), die «auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika» enthalten muss (Art. 52 Absatz 1 Buchstabe b).

Indem das Gesetz vorschreibt, dass Generika «preisgünstiger» sein müssen, hebelt es das Prinzip der «Wirtschaftlichkeit», das in Artikel 32 festgeschrieben ist, als Grundvoraussetzung der Kassenpflicht selber wieder aus. 

In Verordnungen zum KVG schreibt das BAG für Generika vor, um wie viel Prozent günstiger als die Originalmedikamente sie sein müssen. «Der Bundersrat, das Departement [von Bundesrat Berset] und das BAG würden es «nicht begrüssen», sind also dagegen, dass die Kassen nur den Preis der günstigeren Generika zahlen müssen. Das teilte das BAG Infosperber mit und begründete diese Haltung wie folgt: Die Angesichts «bestehender Lieferengpässe» würde es «die Attraktivität des Schweizer Marktes für Generikahersteller reduzieren». 

Das Bundesamt halte es für «sinnvoller, das Angebot und die Abgabe von Generika zu fördern und die Preise der Generika zu senken». Wegen «deutlich höherer Preise der Generika in der Schweiz» bestehe «noch ein Potenzial für Preissenkungen». 

Das BAG möchte also lieber tiefere Preise für Generika, als den Kassen das Recht zu geben, nur noch die Preise von Generika zu vergüten (wenn ein Arzt nicht das Original verschreibt). Die Logik ist schwer nachvollziehbar: Warum sollen tiefere Preise für Generika den Schweizer Markt, der für Generikahersteller laut BAG angeblich nicht attraktiv ist, attraktiver machen? Und warum sollen tiefere Generika-Preise zu weniger Lieferengpässen führen?

BAG und Bundesrat fördern teure Originalpräparate anstatt Generika

Tatsächlich tun das BAG und der Bundesrat wenig dafür, um «das Angebot und die Abgabe von Generika zu fördern und die Preise der Generika zu senken». Es ist ein Lippenbekenntnis, das die Behörden jedesmal dann verbreiten, wenn ein Preisvergleich des Preisüberwachers, der Kassen, des Kassensturzes oder der Stiftung für Konsumentenschutz wieder einmal aufzeigt, wie viel teurer Generika in der Schweiz im Vergleich zum Ausland sind. 

Statt «das Angebot und die Abgabe von Generika fördern», wie sie behaupten, tun das BAG und der Bundesrat seit Jahren das Gegenteil. Zur Freude der Pharmaindustrie fördern sie die Abgabe von Originalpräparaten, auch wenn deren Patente abgelaufen sind:

  1. Apotheker, Ärzte und Spitäler haben keinen Anreiz, Generika zu fördern. Denn sie verdienen in absoluten Franken immer noch mehr, wenn sie ein Originalmedikament abgeben. Mit einer simplen Verordnung könnte der Bundesrat schon längst dafür sorgen, dass die Margen in Franken bei Originalen und Generika wenigstens identisch sind. Der Preisüberwacher oder die Stiftung für Konsumentenschutz fordern dies schon seit vielen Jahren – vergeblich. Falls das BAG den Absatz von Generika jedoch wirklich «fördern» möchte, müsste es für Generika sogar eine leicht höhere Marge in Franken festlegen. Dann hätten Apotheker, Ärzte und Spitäler einen finanziellen Anreiz, Generika abzugeben.
  2. Das Gesetz gibt Apothekerinnen und Apothekern zwar ausdrücklich das Recht, statt Originalpräparate «die billigeren Generika» zu verkaufen, «wenn nicht der Arzt oder die Ärztin … ausdrücklich die Abgabe des Originalpräparats verlangt» (Art., 52a). Doch von diesem Recht machen private, profitorientierte Apotheken und auch Spitalapotheken ungenügend Gebrauch, so lange sie an Originalpräparaten mehr verdienen. 
  3. Die in Punkt 2 erwähnte Substitution von Originalmedikamenten durch Generika ist im Gesetz nur als Recht, nicht aber als Pflicht verankert. Ganz anders in den meisten anderen Ländern Europas: Dort ist die Abgabe von Generika («aut idem») Pflicht, sofern eine Ärztin oder ein Arzt aus medizinischen Gründen nicht das Original verschreibt. Bundesrat Berset und das BAG wollten diesem Beispiel europäischer Länder bisher nicht folgen. 
  4. Der Absatz von Generika könnte auch dadurch gefördert werden, dass es Apotheken und Ärztinnen und Ärzten erlaubt würde, Generika direkt aus einem EU-Land zu importieren. Dort zahlen die Krankenkassen zum Teil nur einen Bruchteil der vom BAG festgesetzten Generika-Preise in der Schweiz. Aber auch für diese Möglichkeit haben sich BAG, Bundesrat Berset und auch seine Vorgänger nie eingesetzt.

Diese Politik des BAG und des Bundesrats trägt wesentlich dazu bei, dass die Krankenkassen – wie eingangs erwähnt – in keinem anderen europäischen Land so viel Geld für Medikamente ausgeben müssen wie in der Schweiz. Medikamente, welche Arztpraxen und Spitäler verschreiben, verschlingen fast ein ganzes Viertel aller Prämieneinnahmen. 

Die Pharmaindustrie ist einer der wichtigen Pfeiler der Schweizer Wirtschaft. Es ist im Interesse der Schweiz, an ihren Standorten für gute Bedingungen zu sorgen. Um dies zu erreichen, gibt es aber viele andere Möglichkeiten, als Standortförderung zu Lasten der obligatorischen und sozialen Krankenversichrung zu betreiben.

Analyse der Medikamentenpreise per 31.12.2022

Unterdessen gibt es über 100 Arzneimittel, welche die Krankenkassen je über 5000 Franken kosten. Das bis zum Juni 2023 befristet aufgenommene Zolgensma von Novartis zum Behandeln spezifischer Geburtsgebrechen hat sogar einen offiziellen Listenpreis von über 2 Millionen Franken. Für besonders Interessierte hat Josef Hunkeler, langjähriger Medikamentenspezialist beim Preisüberwacher, ein Dossier mit Preisen von verschiedenen Therapiegruppen und Herstellern zusammengestellt.

➔ Laden Sie das Dossier «SL-Preiskorrekturen «2022» – Stand Dezember 2022» HIER  herunter.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Pillen

Die Politik der Pharmakonzerne

Sie gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt und haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheitspolitik.

Medikamente_Antibiotika1

Preise von Medikamenten

Medikamente verschlingen jeden vierten Prämienfranken. Warum müssen die Kassen viel mehr zahlen als im Ausland?

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6 Meinungen

  • am 6.02.2023 um 12:34 Uhr
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    Was zu befürchten war ist offensichtlich eingetreten: Es wird immer krasser! Wir «dummen, hilflosen Konsumenten» werden in einem Ausmass betrogen und hintergangen, dass es sich m.E. um ein Offizialdelikt handelt, d.h. die Staatsanwaltschaft müsste von sich aus aktiv werden! Jedenfalls von den Millionenbeträgen her gesehen kann es sich wohl nicht mehr um normale Vergehen handeln.
    Was hat der Bundesrat, das Parlament bisher erreicht? Und die Krankenkassen, die doch verpflichtet sind, die Interessen ihren Kunden/Mitglieder zu wahren? Dass es nicht schlimmer ist?
    Ja danke schön, so gütig!
    Braucht es einen landesweiten Streik der monatlichen Prämienzahlungen? Da müssten gar nicht alle mitmachen, es würde reichen, dass diejenigen, die schon jahrelang weniger als die Jahresfranchise beanspruchen sich beginnen zu organisieren…..

  • am 6.02.2023 um 16:16 Uhr
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    Es macht Sinn, wenn Krankenkassen nur noch Generika bezahlen sollen, sofern vorhanden.

    Es gibt aber eine Unsäglichkeit: Hie und da machen Spitäler, Aerzte und Apotheken einen Fehler und verschreiben Mittel, die jetzt schon bei der Grundversicherung nicht gedeckt sind. Die Folge sind dann Kosten, auf denen die Patientin sitzen bleibt. In solchen Fällen sollten die Verschreiber für den Schaden haftpflichtig sein und mit der Krankenkasse eine Kulanzlösung aushandeln und die Patientin ist schadlos zu halten.

    Ein Beispiel: Meiner Frau wurde ein Medikament verschrieben, aber in einer Darreichungsform, die vor zwei Jahren aus der Spezialitätenliste entfernt wurde. Die Apotheke sagte uns, das wird von der Krankenkasse übernommen. Ein halbes Jahr später stellte ich in der Leistungsabrechnung fest, dass die Krankenkasse die Uebernahme verweigert hatte. Dies ist zwei Mal passiert.

    Bis heute müssen wir mit dem Risiko leben, dass doch etwas zu zahlen bleibt.

    Dieses Problem ist zuerst zu lösen.

    • Favorit Daumen X
      am 6.02.2023 um 16:18 Uhr
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      Verschreibende Ärzte müssen ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass ein Medikament, das sie verschreiben möchten, nicht kassenpflichtig ist. Der Arzt muss nachweisen können, dass er diese Information gegeben hat.

      • am 6.02.2023 um 17:59 Uhr
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        Man hat uns wiederholt zugesichert, dass das Medikament von der Krankenkasse übernommen wird. Wie gesagt, es ist ein Fehler passiert. Der Arzt wusste nicht, dass die exakte Variante nicht mehr auf der Spezialitätenliste ist, und die Krankenkassenmitarbeiterin hat das Rezept nicht angepasst. Ich habe den Arzt, das Spital und die Apotheke darauf aufmerksam gemacht. Aber zuerst musste ich abklären, was genau schief gegangen ist, und das war ziemlich aufwändig.

        Es ging um 2 x 35 Franken. Wir haben darauf verzichtet, den Schaden geltend zu machen.

        Aber seitdem bin ich skeptisch, wenn Leute fordern, dass Krankenkassen nicht alle Medikamente übernehmen. Gute Idee, einverstanden, aber dann darf nicht passieren, dass Patienten unverschuldet auf Kosten sitzen bleiben.

  • am 6.02.2023 um 18:42 Uhr
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    Irgendetwas läuft hier falsch. Warum diktiert die Krankenkasse die Preise? Haben wir nicht freie Marktwirtschaft? Aber abgesehen davon ist die Medikamentenvergabe nicht Sache eines Arztes und nicht der Versicherung?
    Was mischt sich die Politik und der Staat in einer Methode der Preismanipulation in der Krankenversicherung in die Behandlung von Patienten ein? Wäre da nicht ein Preisgesetz unabhängig von der Krankenversicherung angebracht, wie zum Beispiel » Die Verabreichung eines Medikamentes darf nicht abhängig sein von Gutschriften, Boni oder andersweitige Entschädigungen an den Arzt.»
    Auf alle Fälle darf eine medizische Behandlung nicht durch Gesetze «reguliert» werden. Ebenso nicht aufgrund von Nichtzahlungen der Behandlung der Krankenversicherung. Das wäre dann unterlassene Hilfeleistung.

    • Favorit Daumen X
      am 7.02.2023 um 08:42 Uhr
      Permalink

      Die Krankenkassen konnten die Preise noch nie mitbestimmen, geschweige denn diktieren. Sie haben lediglich ein Mitspracherecht. Es ist das Bundesamt für Gesundheit, welches die Preise der kassenpflichtigen Medikamente festsetzt. Die einzigen, welche gegen eine Preisfestsetzung ein Beschwerderechte haben, sind die betroffenen Pharmafirmen.

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