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Kinderarbeit auf einer Kaffeeplantage: Verstoss gegen die Menschenrechte © cc

«Schwarze Schafe» – mehr als nur «hie und da»

Markus Mugglin /  Appelle an Unternehmen, Menschenrechte zu beachten, zeigen wenig Wirkung. Eine Studie im Auftrag des Bundes liefert den Beleg.

«Es mag hie und da schwarze Schafe geben», versuchte der freisinnige Giovanni Merlini in der Debatte des Nationalrates über die Konzernverantwortungsinitiative in der Sommersession schädliches Verhalten von Unternehmen zu relativieren. CVP-Vertreter Thomas Ammann zweifelte hingegen nicht daran, dass schwarze Schafe existieren. SP-Nationalrat Cédric Wermuth schätzte den Anteil der Schweizer Unternehmen, die sich im Ausland nicht tadellos verhalten, auf 20 Prozent und damit auf eine beträchtliche Zahl.
Dass die Einschätzungen parteipolitisch gefärbt sind, überrascht nicht. Ebenso wenig, dass Mitte-Links staatliche Regeln für die Einhaltung der Menschenrechte fordert, Mitte-Rechts sich hingegen mit wohlfeilen Appellen begnügt. Erstaunlich ist es dennoch, dass der Glaube an die Überzeugungskraft freiwilliger Massnahmen noch immer verbreitet wird. Denn spätestens seit Ende letzten Jahres lässt sich deren Wirksamkeit auch für die Schweiz faktenbasiert in Zweifel ziehen.
Damals wurde die «Bestandesaufnahme über die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Bund und durch Schweizer Unternehmen» publiziert. Verfasst hatte sie im Auftrag des Bundes das Beratungsunternehmen «twentyfifty».
Die Studie nahmen fast nur die im Streit um die Konzernverantwortungsinitiative direkt involvierten Parteien zur Kenntnis. Und sie legten sie extrem verschieden aus. «SwissHoldings», der Verband der multinationalen Konzerne, reagierte höchst erfreut, weil angeblich «rund 80 Prozent der Schweizer Grossunternehmen über eine konsistente Menschenrechtspolitik gemäss den neuen UNO-Vorgaben» verfügten. Die Kampagne für die Konzernverantwortung reagierte darauf empört mit dem Vorwurf «fake news» und verwies ihrerseits auf das «niederschmetternde Fazit» der Studie. Denn weniger als die Hälfte selbst der grossen Unternehmen würden die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Aktivitäten laufend ermitteln.
Lange Liste von «Gaps»
Die «Bestandesaufnahme» deckt tatsächlich beträchtliche Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Die Mängelliste erstreckt sich von geringen Kenntnissen über die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte über ungenügende Verankerung und Umsetzung der Prinzipien in den Geschäftsrichtlinien bis zu Mängeln bei Beschwerdemechanismen.
Die meisten der befragten Unternehmen verweisen zwar in ihren Leitbildern auf Menschenrechte, doch nur jedes fünfte nimmt Bezug zu den von der Staatengemeinschaft und auch der Schweiz gutgeheissenen UNO-Prinzipien. Nur wenige Unternehmen schätzen ihre menschenrechtlichen Risiken und Auswirkungen ein und sehen spezifische Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte vor. Nur eine Minderheit überprüft die effektive Umsetzung von Massnahmen und hat die von der UNO geforderten Beschwerdemöglichkeiten geschaffen.
Die Ergebnisse differieren merklich nach Unternehmensgrösse. Die Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten schneiden besser ab. Die «twentyfifty»-Autoren führen es darauf zurück, dass sie stärker dem Druck von Organisationen der Zivilgesellschaft ausgesetzt sind. Die NGO-Kampagnen gegen viele führende Schweizer Konzerne zeigen also Wirkung, die immer wieder mal vom Bundesrat geäusserten Empfehlungen hingegen weniger.
Auch Politik in der Kritik
Nicht nur den Unternehmen, sondern auch der Politik werden Mängel vorgehalten. Der Bundesrat formuliere nicht klar, was er von den Unternehmen bezüglich «angemessener Sorgfaltsprüfung» erwarte. Es fehle die «Definition von klaren und zeitlich terminierten Zielen und Indikatoren, an denen sich der Grad der Implementierung und die praktische Auswirkung der ergriffenen Massnahmen messen lassen».
Besonders bemängelt wird die fehlende Vorbildfunktion der staatlichen Unternehmen. Diese werde zwar beansprucht, doch es würden keine Massnahmen erwähnt, die das gewährleisten würden. Die staatlichen Unternehmen verfügten sogar über ein geringeres Wissen und einen niedrigeren Umsetzungsgrad als börsenkotierte Unternehmen. Dadurch gefährde der Bund seine Glaubwürdigkeit im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte.
Die Studienautoren stellen aus dem Vergleich der von der Schweiz getroffenen Massnahmen und den internationalen Empfehlungen «elementare Umsetzungslücken» fest. Das bedeute zwar noch nicht eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht. Es bestehe aber ein «erhöhtes Risiko», dass der Staat seiner Schutzpflicht in der Praxis «nicht vollständig nachkommen kann».
Bundesrat bewegt sich nicht
Die «twentyfifty»-Studie liefert keine direkte Antwort auf die Frage, ob es mehr als nur «hie und da schwarze Schafe» gibt. Sie erbringt aber noch weniger den Beleg dafür, dass es nur wenige sind. Eines macht die «Bestandesaufnahme» aber klar: Der Bund ist auch viele Jahre nach der Zustimmung zu den UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte nicht im Stande, ein nur einigermassen präzises Bild über deren Umsetzung in der Schweiz zu präsentieren. Die Autoren fordern ihn deshalb auf, mit präzis formulierten Zielen und Vorgaben festzulegen, wie bis wann die vielfältigen Lücken bei der Umsetzung der UNO-Prinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten zu füllen sind.
Doch davon will der Bundesrat bisher nichts wissen. In einem gleichzeitig mit der «Bestandesaufnahme» publizierten Bericht hielt er lediglich unverbindlich fest, dass er die Definition von klaren und zeitgebundenen Zielen und Indikatoren «in Betracht ziehe». Zurückgewiesen hat er den Vorschlag der Studie, nach dem Vorbild Deutschlands zu formulieren, welche Erwartungen die Unternehmen erfüllen müssen, damit er von rechtlich verbindlichen Regeln absieht bzw. unter welchen Voraussetzungen er solche prüfen will. Die Unternehmen zum Handeln drängen will der Bundesrat offensichtlich nicht.
Neuerdings denkt er zwar über Berichtspflichten der Unternehmen zu Menschenrechten und Umwelt sowie Sonderregeln über Kinderarbeit und Konfliktmineralien nach. Doch das geht nicht nur den NGO zu wenig weit. Nach dem Nationalrat hat sich auch die vorberatende Kommission des Ständerates für einen indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen. Er soll die Unternehmen zu Sorgfaltsprüfungen verpflichten und sie bei Verstössen Haftungsbestimmungen unterwerfen. Es ist also gut möglich, dass sich «Schwarze Schafe» der Wirtschaft bald nicht mehr nur vor NGO-Kampagnen, sondern auch vor Klagen und Gerichtsverfahren fürchten müssen.
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2 Meinungen

  • am 18.09.2019 um 12:31 Uhr
    Permalink

    In der Schweiz empfehlen Untenehmensberater*Innen den Konzernen, dem UN Global Compact beizutreten um Obligatorien wie die Konzerinitiativen zu verhinden. Da sind heute auch alle mit Namen dabei: Nestlé bis Postfinace bis allen relevanten Bankstern.

    Da fragt es sich:

    – Warum gib es dann noch die 20 % schwarze Wölfe?
    – Warum gibt es Politiker*Innen denen selbst der Compact zu scharf ist?

    Quelle: https://www.globalcompact.ch/

    MfG
    Werner T. Meyer

  • am 19.09.2019 um 16:00 Uhr
    Permalink

    Da bleibt wieder einmal mehr die Frage nach den Vorbildern in unserer Politik ?
    Wo sind sie geblieben oder kommen sie noch … vielleicht nach dem 20. Oktober?

    Gilbert Rossier
    NR Kandidat DU – Die Unabhängigen, Bern

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