Kohleabbau mit dramatischen Folgen in Kolumbien
Red. Gegen Ende des Jahres 2017 besuchte eine international zusammengesetzte «Beobachtungsmission Gesundheit, Umwelt und Bergbau in der Guajira» mehrere indigene Gemeinschaften im Departement Guajira in Kolumbien. Hans-Peter Schmutz nahm an dieser Exkursion teil und berichtet, wie sich der Kohleabbau auf die indigenen Wayuu-Gemeinschaften auswirkt. Schmutz, ausgebildeter Betriebsökonom und Raumplaner, war in der Schweiz in den Bereichen Energie sowie Raumplanung tätig, engagiert sich in Nichtregierungsorganisationen und lebt zurzeit in Südamerika.
Die vom kolumbianischen Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo CAJAR und der Nichtregierungsorganisation CENSAT organisierte Mission hatte zum Ziel, insbesondere die vom Kohleabbau betroffenen Wayuu-Gemeinschaften anzuhören und sich vor Ort von ihrer Situation in Bezug auf Gesundheit, Zugang zu Wasser und Umwelt ein Bild zu machen. Nun wurde auch ein entsprechende Bericht* verfasst.
Im besuchten Gebiet betreibt das Unternehmen Cerrejón eine der weltweit grössten Kohlemine im Tagebau. Am Unternehmen sind die Konzerne BHP-Billiton, Anglo-American und Glencore – letztere mit Sitz in Zug – zu je einem Drittel beteiligt. Die jährliche Produktion beträgt um die 32 Millionen Tonnen Kohle. Die entsprechende Abbau-Konzession dauert noch bis ins Jahr 2033.
Kohle-Tagbaumine der Firma Cerrejón: Konzession bis 2033. Foto: A.L. Schmutz
Wayuu-Gemeinschaft verliert ihr Territorium
Insgesamt werden durch die Cerrejón Limited um die 70’000 Hektaren Land in Anspruch genommen; das entspricht der dreifachen Fläche des Kantons Zug. Im Departement Guajira werden heute viel weniger Nahrungsmittel produziert als noch vor 30 Jahren. Dies hängt gemäss den Aussagen des früheren Planungssekretärs des Departements Guajira auch damit zusammen, dass sich das Kohleabbau-Terrain der Unternehmung Cerrejon Limited in einem für den Anbau von Nahrungsmittel günstig gelegenen Gebiet befindet.
Der Lebensraum der Wayuu-Gemeinschaften, welche vorher als Nomaden in diesem Gebiet lebten, wird massiv beschnitten. Viele Dörfer befinden sich in unmittelbarer Nähe der Mine und leiden unter den entsprechenden negativen Auswirkungen der Bergbautätigkeit, unter anderem an Feinstaubbelastung und Wasserverschmutzung. Die Möglichkeiten zum Gemüseanbau, zum Jagen und zur Viehhaltung sind praktisch nicht mehr vorhanden oder stark eingeschränkt. Bereits mussten einige Dorf-Gemeinschaften umgesiedelt werden.
Doch auch Umsiedlungen lösen die Probleme nicht. So erklärte uns Jairo Fuentes Epiau, der Cabilde (Vorsitzende) des Dorfes Tamaquito II (so der Name nach der Umsiedlung), dass die bestehende hohe Luftverschmutzung und die damit verbundenen Gesundheitsprobleme die Dorfgemeinschaft weiterhin sehr belasteten.
Nur die Kohle zählt – Umwelt wird vernachlässigt
Beim Besuch der Mission bei diversen Wayuu-Gemeinschaften stand das Thema Umweltverschmutzung im Vordergrund, insbesondere bezüglich des Wassers und der Luft.
Von der Wayuu-Gemeinschaft in Provincial ist es zu Fuss nicht weit bis zum Ranchería, dem wichtigsten Fluss der Region. Auf dem Weg kommen wir plötzlich zu einer Aufschüttung. Dort wird uns erklärt, dass die Mine Cerrejón diese Sperre errichtet habe. Somit wird es den DorfbewohnerInnen erschwert, Wasser zu holen.
Fluss Rancheria: Zugang zum Wasser verbaut. Foto: H.P. Schmutz
Das Wasser ist allerdings sehr stark verschmutzt. Doch im Zeitraum unseres Besuches war es die einzige Möglichkeit, sich mit Wasser zu versorgen. Das Flusswasser enthält diverse Schwermetalle, unter anderem Cadmium, Blei, Zink und Mangan. Ein Teil der Leute aus Provincial hat darum sogar Bedenken, sich mit diesem Wasser zu waschen.
Kohleabfall im Fluss Ranchería. Foto: Alejandra Correa
Die Luftbelastung in den Dorfgemeinschaften ist auch für uns BesucherInnen wahrnehmbar. Der Kohlenstaub wird gemäss den Wayuu-Gemeinschaften vor allem durch die fast täglich in der Mine stattfindenden Sprengungen sowie den durch den Kohlenabbau verursachten Verkehr generiert.
Vielfältige Auswirkungen auf die Gesundheit
Gemäss Auskünften von Fachpersonen des Spitals in Barrancas sind im Einzugsgebiet des Cerrejons folgende Krankheiten häufig anzutreffen: Hauterkrankungen, Brustkrebs, Lungenkrebs, akute Atemwegsinfektionen sowie Viruskrankheiten.
Die EinwohnerInnen von Provincial und anderer Gemeinschaften berichteten uns über Kopfschmerzen, Atembeschwerden, trockenen Husten, Augenschmerzen sowie verschwommene Sicht. Einige Jugendliche erzählten, dass sie wegen Atembeschwerden in der Schule vom Sportunterricht dispensiert werden mussten und mit Einschränkungen im Alltag leben müssten.
Der Bergbaukonzern aber weise jede Schuld zurück, erzählen die Betroffenen der Wayu-Gemeinschaft Provincial weiter. So behaupteten Sprecher der Cerrejón, nicht die Kohleförderung sei schuld, dass Kinder wegen der Verschmutzung ins Spital müssten, sondern die Bevölkerung selber. Denn diese verschmutze die Umwelt, weil sie mit Holz koche oder auf dem natürlichen Boden ohne Belag hause. Mit solch absurden Vorwürfen konfrontiert, weisen die EinwohnerInnen auf ihre Vorfahren zurück, die genau so lebten wie sie heute, aber nie an denselben Krankheiten litten, an denen ihre Kinder heute leiden.
Was die medizinische Versorgung betrifft, so gibt es in Provincial – wie auch in anderen Gemeinschaften – viele Beschwerden. So sagte uns eine Einwohnerin aus Provincial: «Die EPS(-Krankenkasse) will uns nicht zum Spezialisten schicken. Es ist besser, zwei Ziegen zu verkaufen und zu einem Privattermin zu gehen.»
Traditionelles Leben massiv eingeschränkt
Auswirkungen auf die Gesundheit der indigenen Gemeinschaften haben jedoch nicht nur die Luftbelastung und die Qualität des Wassers. Seit das Bergbau-Unternehmen ihr Territorium für den Kohleabbau nutzt, können sie ihren Tätigkeiten nicht mehr in gewohnten Rahmen nachgehen. Die für die Wayuus wesentliche Verbindung mit der Natur ist eingeschränkt. Der Lärm der nahgelegenen Mine hat Auswirkungen auf die Qualität des Schlafs. Dies sind nur einige der Auswirkungen, welche die Präsenz der Cerrejón mit sich bringt. Insbesondere die jüngere Generation, so wird uns berichtet, habe Schwierigkeiten. So würden mehr Fälle von Alkoholismus, Schwangerschaften in jungem Alter oder sogar Suizid registriert.
Was die Beobachtungsmission fordert
Nach dem Besuch bei den verschiedenen indigenen Gemeinschaften im südlichen Teil des Departements Guajira haben die Mitglieder der «Beobachtungsmission» gemeinsam acht Forderungen an die verschiedenen involvierten Akteure formuliert. Es sind dies:
- Das Vorsorgeprinzip muss vom Bergbaukkonzern Cerrejón wie auch vom kolumbianischen Staat angewendet werden.
- Studien sowie tripartites (auf drei Partien verteiltes) Monitoring sind zu erarbeiten.
- Kohle importierende Länder müssen Verantwortung übernehmen.
- Es gilt, Politiken zu entwickeln, welche die humanitäre, soziale und Umwelt-Krise in der Guajira integral angehen.
- Der Staat und die Institutionen in der Guajira sind zu stärken.
- Die Rechte und Interessen der Kinder haben Vorrang und sind zu wahren.
- Die Kultur und die Autonomie der Wayuu-Gemeinschaft ist zu respektieren.
- Die Probleme der Wayuus sind sichtbar zu machen und die kolumbianischen Gesellschaft muss dafür sensibilisiert werden.
Eines ist sicher: Die indigenen Gemeinschaften in der Guajira kämpfen um ihr Überleben. Sie sehen sich konfrontiert mit Akteuren, für welche der Abbau von Kohle im Vordergrund steht. In der Guajira gibt es einen klaren Konflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen im Zusammenhang mit dem Kohleabbau (Cerrejón / Staat) und einem würdigen Leben der indigenen Gemeinschaften. Letztere haben Anspruch darauf, dass ihre Rechte geschützt werden.
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Anmerkung
* Informe, Misión de Oberservación Salud, Ambiente y Minería en la Guajira, Bogotá, 2018 ist als PDF in spanischer Sprache verfügbar: https://www.desdeabajo.info/images/pdf/INFORME.pdf
Weiterführende Information auf Homepage
Kürzlich hat die kolumbianische Nichtregierungs-Organisation INDEPAZ, die seit 30 Jahren indigene Gemeinschaften im Einzugsgebiet der Mine Cerrejon begleitet, eine Homepage geschaffen. Darauf wird über aktuelle Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Kohlenabbau in der Guajira berichtet (in Spanisch). Es wurden auch Untersuchungen zur Wasserqualität durchgeführt, dies in Zusammenarbeit mit den Universitäten Cartagena und Koblenz-Landau. Der Link dazu: https://www.empresasyddhh.co/
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Einmal Glencore mit Negativ-Schlagzeilen. Der Kanton Zug sollte sich überlegen, wie lange er diese Firma noch beherbergen will. Absolut imageschädigend, denn er macht sich über die Steuereinnahmen mitschuldig am Elend, das von Glencore weltweit verursacht wird.
Mrd Gewinne auf Kosten der Ärmsten! Wie lange noch wollen wir unseren Wohlstand an Firmen wie Glencore festhalten? Verzichte wir auf die paar lausigen Steuermillionen und schmeissen sie incl. den Managern raus. Wir sind auf sie nicht angewiesen.